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Filigrane Feinarbeit

Kristina Liedtke ist Papierrestauratorin in der Kunsthalle Karlsruhe

Für ihre Arbeit sind Herzblut, Präzision, Feingefühl und Kraft erforderlich. Doch was genau macht eine Papierrestauratorin eigentlich?

Kristina Liedtke, Papierrestauratorin in der Kunsthalle
Kristina Liedtke arbeitet als Papierrestauratorin in der Staatlichen Kunsthalle in Karlsruhe. Gefragt ist dabei filigrane Feinarbeit und viel Hintergrundwissen. Foto: Rake Hora

Manchmal gab es auch ungewöhnliche Aufträge: „Einmal war ich für ein Luxushotel, das Ritz Carlton, tätig, da mussten wir die Tapeten retuschieren. Die kamen ursprünglich aus New York, die hätte man gar nicht reproduzieren können.“ Ein anderes Mal sollte ein monumentaler Holzschnitt des Schweizer Künstlers Franz Gertsch aufgehängt werden, ein Werk aus drei Handabzügen auf einem festen Japanpapier, jeweils 1,52 Meter breit und 3,05 Meter hoch. „Zur Hängung haben wir im Studiengang ein eigenes System mit gegenläufig sitzenden Schlaufen entwickelt, die von oben nach unten durch einen Faden verbunden waren, sodass die Teile ohne einen Spalt zusammenpassen“, erzählt Kristina Liedtke, Papierrestauratorin in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe.

Auf Buchbinderlehre folgt Restaurierung-Studium

Das sind Höhepunkte jenseits der Routine, die schon vielfältig genug. Doch Liedtke ist in Theorie und Praxis perfekt ausgebildet: In Marburg geboren, machte sie nach dem Abitur eine Buchbinderlehre, studierte an der Fachhochschule Bern Restaurierung und arbeitete in Bern und Braunschweig. In der Albertina in Wien wurde sie Leiterin der Abteilung, aber es fehlte ihr das Handwerkliche.

In Karlsruhe kann sie wieder mit Herzblut und Präzision, mit Feingefühl und auch Kraft ihre praktische Arbeit machen, die sie so liebt. Ja, auch Kraft, denn manchmal muss Liedtke auch unhandliche Dinge oder Gewichte heben und wuchten – an ihrem Händedruck spürt man es.

Dann aber sieht man auch, wie vorsichtig und zärtlich sie über ein Papier streicht, wie sanft sie ein dünnes Papierchen hochhebt, das sich beim kleinsten Hauch bewegt. Wie sie mit einer Pinzette eine dünne Gaze unter die Ecken eines Bilds legt. Wie sie die Papiere fühlt, denn sie muss ja auch wissen, was das für ein Papier ist.

Man ist schon mit dem ganzen Körper Restauratorin.
Kristina Liedtke
Papierrestauratorin in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

Denn sie muss ja wissen, wie und womit sie es behandeln kann, wenn es schadhaft ist. „Ich habe, als ich Risse in einer Karte geflickt habe, auch schon Risse im Asphalt gesehen: Man ist schon mit dem ganzen Körper Restauratorin“, sagt sie.

Seit Oktober 2020 ist sie in Karlsruhe und betreut konservatorisch die Werke im Kupferstichkabinett und in der Bibliothek. Sie war auch beim Umzug der Arbeiten ins Depot und ins ZKM beteiligt, wo die ausgestellten Papierarbeiten alle vier Monate ausgewechselt werden.

Dafür muss sie die Werke, die zum Teil schon länger nicht mehr gezeigt wurden, auf Schäden untersuchen, Passepartouts anfertigen und Rahmen bauen. Etwa bei den Fotos aus der Sammlung Stiegler, bei deren Auswahl sie auch beteiligt war. „Unsere Sammlungsrahmen sind mittelbraun und halbrund, Stieglers Fotos sollten sich mit einem dunkleren Rahmen davon absetzen, denn viele dieser alten Fotos haben einen Braunstich“, sagt sie, da passe es einfach besser.

Feuchtigkeit ist ein großes Thema

Manchmal muss sie Haken mit Magneten selbst herstellen, wie für diese Fotos, die in der Vitrine schweben sollen, und bei den Passepartouts muss sie entscheiden, wie groß es ist und wie dick. Und ob es einen Stempel verdecken soll, der oft einmal auf Drucken oder Stichen zu sehen ist oder eben nicht. Muss Fotos oder Drucke glätten, sie mit einem „Goretex-Sandwich“ und leicht angefeuchtetem Löschkarton mit Feuchtigkeit versorgen, damit es sich „entspannt“.

Und danach mit Löschkarton und Polyestervlies die Feuchtigkeit wieder herausholen. Muss wissen, ob man die Werke in Ruhe trocknen lassen kann oder aus dem Rahmen holen muss. „Manche Papiere verbacken, wenn man sie trocknet.“ Und Pergament könne bei Trockenheit abplatzen. Einige Knicke klebt sie mit Weizenstärke zu.

Eigentlich ist jede Restaurierung ein Eingriff ins Original.
Kristina Liedtke
Restauratorin Kunsthalle Karlsruhe

„Eigentlich ist jede Restaurierung ein Eingriff ins Original“, sagt sie. So gibt es auch Flecken auf Bildern oder in Büchern, die sie nicht entfernt: „Es gibt auch originalen Schmutz, und wenn ich sehe, dass die Flecken nicht schlimmer werden, kann ich sie auch drin lassen.“

Sie muss auch die Malmittel wie Blei, Kohle, Buntstifte analysieren, nach Wasserzeichen schauen, das Papier erkennen, weil jedes anders auf Eingriffe reagiert. Bei allen restauratorischen Maßnahmen müsse jede Veränderung erkennbar und reversibel sein, das sei heutzutage ein Grundsatz.

Und dann die Tiere: „Papierfischchen darf man nicht unterschätzen.“ Woher kommen sie, durch welche Fugen, wo kann man Fallen aufstellen? Käfer kommen durch jede Ritze, Holzwürmer lieben alte Bücher mit Holzdeckeln oder Holzrahmen. „Es gibt einen Grundsatz für Papierrestauratoren: Alles, was mehr als vier Beine hat, hat in meinem Haus nichts zu suchen.“

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