Das Leben spielt sich inzwischen fast ausschließlich zu Hause ab. Ziele, für die man in Bus und Bahn steigt, gibt es durch Homeoffice und die Ausgangssperre immer weniger. Mit dem strengen Lockdown ab Mittwoch fällt auch das Einkaufen in den Innenstädten weg. Die leeren Sitzplätze im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zeigen, seine Unternehmen leiden. Denn mit den Fahrgästen fehlen auch die Einnahmen.
„Die Fallhöhe ist nicht mehr riesig“, sagt Nicolas Lutterbach, Sprecher des Karlsruher Verkehrsverbunds (KVV). Das Unternehmen bedient den Stadt- und Landkreis Karlsruhe, den Landkreis Rastatt, den Stadtkreis Baden-Baden und geht mit einigen Linien in den Enzkreis über. Bereits der Lockdown light Anfang November habe die Fahrgastzahlen erneut wie im Frühjahr negativ beeinflusst.
Veranstaltungen oder Besuche in Restaurants sind seither nicht mehr möglich, folglich wird der ÖPNV weniger genutzt. „Das merkt man in den Abendstunden“, so Lutterbach.
Im Frühling fehlten 80 Prozent der Fahrgäste im Lockdown
Der KVV greift auf Erfahrungswerte aus dem ersten Lockdown zurück. Damals verzeichnete das Unternehmen einen Rückgang bei den Fahrgastzahlen um rund 80 Prozent im Vergleich zum Niveau vor der Pandemie. Zwischenzeitlich hätten sich die Zahlen etwas erholt, so Lutterbach. Im November lag man bei den Verkehrsbetrieben Karlsruhe (VBK) bei rund 52 Prozent der gewohnten Auslastung, bei der Albtalverkehrs-Gesellschaft (AVG) bei 60 Prozent.
Auf eine hundertprozentige Auslastung kamen wir seit dem ersten Lockdown nicht mehr.Martin Weßbecher, Sprecher der Stadtwerke Baden-Baden
Der Verkehrsverbund Pforzheim-Enzkreis (VPE) macht zur Situation seines Betriebs auf Anfrage zum jetzigen Zeitpunkt keine Angaben.
„Die Ausgangssperre macht sich deutlich in den Fahrgastzahlen bemerkbar“, teilt Martin Weßbecher mit, Sprecher der Stadtwerke Baden-Baden, an denen die Städtischen Verkehrsbetriebe angegliedert sind. Komplett leere Fahrzeuge gebe es zwar noch nicht. „Auf eine hundertprozentige Auslastung kamen wir seit dem ersten Lockdown nicht mehr“, so Weßbecher.
Die Linien 201 und 205 fahren weiter im reduzierten Takt. Das sei bereits im Frühjahr angepasst worden. Das Fahrplan-Angebot soll darüber hinaus nicht eingeschränkt werden, betont Weßbecher. „Wir sind verpflichtet, den ÖPNV aufrechtzuerhalten.“
Viele Menschen sind weiter auf uns angewiesen, weil sie kein Auto haben oder zur Arbeit kommen müssen.Nicolas Lutterbach, Sprecher des Karlsruher Verkehrsverbunds
Viele Menschen seien auf die Verkehrsunternehmen angewiesen, weil sie kein Auto haben oder zur Arbeit kommen müssen, sagt KVV-Sprecher Lutterbach. „Bis 10. Januar werden wir am regulären Angebot festhalten.“ Anschließend bewerte der KVV neu, wie er auf neue Beschlüsse reagiere.
Mit Blick auf die kleineren Busunternehmer könne die Situation aber problematisch werden, wenn etwa die Krankenstände steigen. Das versuche der KVV dann auszugleichen. „Ein Fahrplan ist aber auch nicht innerhalb von 24 Stunden umgestrickt“, so Lutterbach.
Die finanziellen Defizite steigen in Milliardenhöhe
Die finanziellen Defizite im ÖPNV fing das Land Baden-Württemberg bereits mit einem ersten Rettungsschirm auf. Rund zwölf Millionen Euro bekam der KVV für den Zeitraum zwischen März und Juni 2020. Für den Rest des Jahres laufen derzeit die Berechnungen, so Lutterbach. Der Verband deutscher Verkehrsunternehmen schätzt den Bedarf an finanzieller Hilfe für das Jahr 2021 branchenweit auf rund 3,5 Milliarden Euro.
Natürlich setzt man sich, wenn man sich in öffentliche Räume begibt, einem größeren Infektionsrisiko aus, als wenn man in seinen eigenen vier Wänden bleibt.Knut Bühler, Erster Landesbeamter und Gesundheitsdezernent des Landkreises Karlsruhe
Das Gesundheitsamt hat Busse oder Bahnen nicht als Hotspots eingestuft, teilt Knut Bühler mit, Erster Landesbeamter und Gesundheitsdezernent des Landkreises Karlsruhe. Der Appell, persönliche Kontakte zu reduzieren sowie unnötige Begegnungen und Fahrten zu vermeiden, gelte unverändert – das beziehe auch den ÖPNV ein. „Natürlich setzt man sich, wenn man sich in öffentliche Räume begibt, einem größeren Infektionsrisiko aus, als wenn man in seinen eigenen vier Wänden bleibt“, so Bühler. Das betreffe aber auch etwa Supermärkte oder Arztpraxen.
Die ÖPNV-Betreiber unternehmen jedoch viel, um die Verkehre so sicher wie möglich zu machen, ergänzt Bühler. Das beginne beispielsweise damit, dass Taktzeiten nicht verringert würden, auch wenn absehbar weniger Fahrgäste zu erwarten sind.