Kennen Sie Hieroskopie? Wahrscheinlich nicht. Ich versuch’ es mal kurz laienhaft zu verklickern (hoffentlich ohne den Zorn von Experten und/oder antiken Göttern auf mich zu ziehen). Dieses wissenschaftliche Worttrumm geht auf die alten Griechen zurück und meint: die Opferschau. Bevorzugtes Objekt der freaky Greek-Show: Tierleber. Das empfindliche, glänzende Organ wurde von „Leberspezialisten“ inspiziert, um daraus einen heißen Tipp für die nahe Zukunft zu generieren. Meist ging es um dräuendes Unheil, das die Götter wieder einmal für die Menschen unten auf der Erde ausgeheckt haben könnten. Und das Schlimmste konnte durch die Eingeweideschau vielleicht noch rechtzeitig abgewendet werden, dachte man.
Aus Innereien wurde einst die Zukunft gelesen
Hieroskopie war also, wenn man so will, nichts anderes als die Urform von Horoskop, Kaffeesatzlesen und Glaskugelgucken. Wäre diese Hieroskopie (ich will komischerweise dauernd Rektoskopie schreiben, aber das ist ja schon was anderes, ähem!) nicht schon längst aus der Mode, hätte man eigentlich ein nettes Partyspiel fürs moderne Silvester draus machen können. Mit Zukunft voraussagen und so. Als Alternative zum Bleigießen.
Herz statt Steak, Leber statt Filet, Niere statt Schnitzel
Für 2019 wäre das blutige Schicksalsraten freilich eh gelaufen, weshalb wir uns dem Thema Innereien nun, Ende Februar, weniger bezüglich Deutung als vielmehr seiner Be deutung nähern wollen. Und da kommt die Küche ins Spiel. Man könnte zum Beispiel den Speiseplan der nächsten Zeit etwas durcheinanderwirbeln: Herz statt Steak, Leber statt Filet, Niere statt Schnitzel. Wär das was?
Innereien: fein und nicht mal teuer
In Berlin hat bereits vor einer Weile ein Restaurant mit dem bezeichnenden Namen „Herz & Niere“ eröffnet, das die Komplettverwertung des Tieres von der Schnuffel bis zum Schwanz zur Herzensangelegenheit bestimmt hat, ein Unterfangen, das dem lieben Vieh obendrein buchstäblich an die Nieren geht und die Leber nicht ausspart. Darüber hinaus hat man sich auf feine aber heutzutage nicht sonderlich gut beleumundete Parts wie Kutteln, Zunge und Milz spezialisiert. Alles feines Zeug und nicht mal teuer. Ein ähnliches Konzept verfolgen inzwischen auch andere Gasthäuser.
Innereien finden sich in fast jeder Wurst
Was Schnitzelschnabulierer und Filetfetischisten oft nicht auf dem Zettel haben: Mit der Wurst auf Brot und Brötchen, die sie in sich hineinstopfen, bekommen sie die Innereien, die sie sonst verachten, feingeschreddert untergejubelt. Und schmecken tut’s trotzdem. Warum also die Aromaprotze aus dem Tierinneren verschmähen und nicht gleich pur genießen? Fans von sauren Nierle, Kuttelsalat, Milzwurst und anderen Klassikern der deutschen Küche wissen, was ich meine.
Innereien müssen meist vorbestellt werden
Der Karlsruher Metzgermeister Heiko Brath, der natürlich liebend gerne ein saftiges Rinderfilet in die Pfanne oder ein Schweinekotelett auf den Grillrost haut, ist gleichzeitig großer Fan von Leber & Co. Nicht nur weil er vom Fach kommt. Besonders scharf ist er auf Leber (egal ob Kalb, Rind oder Lamm) und Niere (am liebsten klassisch sauer). Brath zum Einkauf: „Viele Innereien müssen heute, im Gegensatz zu früher, als sie öfter auf dem ’Fresszettel’ standen, vorbestellt werden, denn das A und O ist die Frische. Kein Metzger bietet solch leicht verderbliche Ware an, wenn er sie nicht auch schnell loswird.“
Manche Innereien lassen sich auch einfrieren
Womit wir bei der Lagerung respektive dem Konservieren sind. „Innereien möglichst rasch zubereiten, je frischer desto besser“, rät Fleisch-Guru Brath („Alte Wutz“, „Wutze Wampe“). „Muss die Zubereitung einmal dennoch aufgeschoben werden, am besten einfrieren. Für Leber eignet sich das aber nur im Notfall. Unproblematischer ist die Tiefkühlung bei Herz, Zunge und Niere. Wichtig: das TK-Teil schonend im Kühlschrank auftauen.“
Bei Kalbsbries zugreifen
Wer’s mag, so Brath, solle unbedingt bei Kalbsbries zugreifen, das ist rar und wird überwiegend an die High-End-Gastronomie vertickt. Doch Achtung beim Bries-Brutzeln: erst wässern, dann säubern, moderat vorgaren und unbedingt nur relativ kurz braten! Im Gegensatz dazu nehmen Muskel wie Herz und Zunge gerne ein ausgiebiges Bad in der Menge. Einer Menge Brühe!
Aufgetischt
SCHWEINEHERZ AUS DEM WOK
1. 1 von Fett und Blutresten gesäubertes Schweineherz vierteilen und in 1 l kochende herzhafte Brühe geben. 3 Std. leicht sieden lassen.
2. In kaltem
Salz
wasser abkühlen lassen. Vor der Weiterverwendung in Streifen schneiden.3. 4 EL Erdnussöl im Wok stark erhitzen.
4.. 2 rote Zwiebeln (in Streifen, 4 cm), 120 g Brokkoliröschen (klein bzw. halbiert), 120 g bunte Möhren (orange, gelb, violett; in Stiften à 4 cm), 1/2-1 rote Chilischote in Ringen (mit Kernen) auf einmal ins heiße Öl geben und laufend kräftig umrühren. Mit 4 cl Reiswein (Sake) ablöschen. 1-2 TL Austernsoße sowie ein paar Spritzer Sojasoße zufügen. 200-250 ml Geflügelbrühe (Glas oder selbst gemacht) angießen und unter Rühren etwas einkochen. Das Gemüse sollte noch Biss haben. Ggfs. mit
Salz
und etwas schwarzem Pfeffer abschmecken. Mit Basmatireis servieren.
LAMMLEBER IN
SALBEI-MANDEL-KRUSTE
1. 1/8 l guten Aceto Balsamico mit 1 EL Orangenzesten (Bio) im Mixer fein pürieren. Motor weiter laufen lassen und langsam
Olivenöl
zugeben, bis eine Emulsion entsteht.Salz
en und pfeffern.2. 2 Eier verquirlen und 2 EL fein geschnittenen Salbeiblätter untermischen.
3. 4 dünne Scheiben Lammleber (ersatzweise Kalbsleber) in Mehl wenden, dann im Ei und schließlich in Mandelblättchen (ca. 150-200 g). In 120 g Butterschmalz bei milder Hitze langsam von beiden Seiten goldbraun braten. Erst zum Schluss salzen und pfeffern. Auf vorgewärmte Teller geben und mit der Emulsion beträufeln.
LEBERCREME MIT MUSCAT DE RIVESALTES
Für 10 Förmchen à 100 g
Olivenöl
500 g Schweineleber, grob gewürfelt
3 Schalotten, grob gehackt
2 junge Knoblauchzehen, grob gehackt
100 g Dörrfleisch, in Würfeln
12 Wacholderbeeren, zerdrückt
1 TL Zucker
2 cl Cognac
600 ml Muscat de Rivesaltes (alternativ: Sauternes oder weißer Port)
300 g weiche, leicht gesalzene Butter
125 ml Sahne
1 Blatt weiße Gelatine
Salz
Frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
Olivenöl
Salz
3. Farce in Förmchen füllen (ca. 2/3 hoch).
4. Gelatine 10 Min. in kaltem Wasser einweichen. Dessertwein erwärmen und die ausgedrückte Gelatine darin auflösen. Auf Zimmertemperatur abkühlen lassen.
5. Jedes Förmchen mit einem dünnen Spiegel Weingelee befüllen. Im Kühlschrank fest werden lassen.