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Würdevoll sterben

Mitbegründer der Letzten Hilfe über den Tod: „Wir sind alle im selben Boot“

Niemand spricht gern über den Tod. Der Palliativ-Profi Boris Knopf plädiert für einen natürlichen und entspannteren Umgang mit dem Thema, das uns alle früher oder später betrifft.

Es geht um Leben und Tod: Die Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben ist der wichtigste Aspekt der Letzte-Hilfe-Kurse, die bundesweit angeboten werden.
Es geht um Leben und Tod: Die Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben ist der wichtigste Aspekt der Letzte-Hilfe-Kurse, die bundesweit angeboten werden. Foto: Letzte Hilfe Deutschland

Sterben ist keine schöne Sache. Auch wenn viele Menschen sagen, dass sie keine Angst vor dem Tod zu haben, fürchten sich die meisten doch vor dem, was in den letzten Stunden passiert. Boris Knopf ist gelernter Krankenpfleger und seit Jahren in der Palliativpflege tätig.

Er weiß, dass es viele Möglichkeiten gibt, einem Sterbenden das Leiden zu lindern und ihm die letzten Tage oder Stunden so angenehm wie möglich zu gestalten.

Dieses Wissen möchte er auch an Laien vermitteln. Dazu unterstützt er als Gründungsmitglied des Vereins die Idee der Letzte-Hilfe-Kurse.

Mit unserem Redaktionsmitglied Sibylle Kranich sprach er über seine Arbeit.

Wann haben sie zum ersten Mal einen Menschen sterben sehen?
Knopf

Da war Ich ungefähr 16 und hatte gerade mit meiner Ausbildung zum Krankenpfleger begonnen.

Wie war das für Sie?
Knopf

Ehrlich gesagt, habe ich das gar nicht richtig mitbekommen. Ich war nur kurz aus dem Zimmer gegangen. Als ich wieder reinkam, war der Patient nicht mehr am Leben.

War das für Sie der Grund, warum sie das Sterben zu Ihrem weiteren Lebensthema gemacht haben?
Knopf

Nein. Damals dachte ich, im Krankenhaus wird nun mal gestorben. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mir aber keine großen Gedanken darüber gemacht.

Was hat den Wandel bewirkt?
Knopf

Der kam, als ein paar Jahre später meine Großmutter starb. Es war ihr Wunsch gewesen, zu Hause zu sein. Wir haben ihr das ermöglicht und ich habe begriffen, dass es am Lebensende noch ganz viele Dinge gibt, die man für einen Sterbenden tun kann. Für diese Erfahrung bin ich sehr dankbar.

Schöner Sterben also?
Knopf

Nein, darum geht es nicht, wir sind ja nicht bei „Schönes Sterben“. Es geht eher darum, die verbleibende Lebenszeit so gut wie möglich zu gestalten. Der Mensch soll das Ende seines Lebens selbstbestimmt und würdevoll erleben. Dazu muss man nicht nur die körperlichen Symptome, sondern den Menschen in seiner Gesamtheit wahrnehmen, mit all den Fragen und Sorgen, die er oder sie vor dem Tod hat.

Keiner weiß, wie sich Sterben wirklich anfühlt. Gibt es also überhaupt so etwas wie ein Patentrezept für einen würdevolles Sterben?
Knopf

Würde ist für jeden Menschen etwas sehr Subjektives. Daher ist es wichtig, darüber zu sprechen. Mein Gegenüber muss wissen, was sich für mich gut anfühlt, was nicht und was ich mir am Ende meines Lebens wünsche. Das ist auch das, was Palliativmedizin leisten kann. Wir haben keine Möglichkeit dafür zu sorgen, dass es heute nicht regnet, aber wir können dafür sorgen, dass wir einen „Mantel“ dabeihaben, der beschützt und umsorgt (palliativ = ummanteln).

Die Vorstellung einen geliebten Menschen zu fragen, wie er sich seinen Tod vorstellt, ist ziemlich seltsam.
Knopf

Finden Sie? Wir Menschen tun uns damit leider oft sehr schwer. Dabei ist jedem von uns klar, dass wir alle im selben Boot sitzen. Niemand überlebt sein Leben. In meiner Arbeit als Fachkraft für die Palliative Pflege erlebe ich jeden Tag, dass das Thema Sterben und Tod im Leben der meisten Menschen überhaupt keine Rolle spielt. Es wird ausgeblendet, findet einfach nicht statt. Ich nehme gern das Beispiel einer großen Reise, die wir antreten. Normalerweise planen wir diese sehr genau. Wir kaufen Tickets, machen Packlisten und sorgen für unsere Abwesenheit vor. Aber ausgerechnet vor unserer letzten großen Reise treffen wir häufig keinerlei Vorsorge. Das finde ich seltsam.

Mit ihren Letzte-Hilfe-Kursen wollen Sie das ändern?
Knopf

Dieses Angebot ist mir ein großes Anliegen. Wir können mit den Kursen Menschen wieder mehr für das Thema Tod und Sterben sensibilisieren. Man sollte den Tod wieder als ein Stück des Lebens begreifen und das Wissen darum gehört zurück in die Mitte der Gesellschaft.

Wann ist es das Wissen denn verloren gegangen?
Knopf

Als wir begonnen haben, das Sterben zu institutionalisieren. Wir haben es ins Krankenhaus oder ins Pflegeheim verbannt. Früher war es ganz normal, dass die Großeltern auf dem Hof oder zuhause in der Wohnung gestorben sind. Damals gab es noch so etwas wie ein natürliches Wissen rund um das Sterben. Genau wie bei der Geburt wurde dieses Wissen einfach von einer an die nächste Generation weitergegeben.

Im Erste-Hilfe-Kurs lernt man, wie man einen Menschen retten kann. Was lernt man im Letzte Hilfe Kurs?
Knopf

Wir möchten darin die Dinge weitergeben, die man wissen sollte, wenn jemand in unserem Umfeld stirbt. Die Kursleiter vermitteln, was genau beim Sterben passiert, wann der Sterbeprozess beginnt und wie man ihn erkennt. Der Themenkomplex Vorsorgen und Entscheiden spielt eine große Rolle, um zu verstehen, was man tun kann, um selbstbestimmt zu leben und sterben. Wir zeigen die Möglichkeiten der hospizlichen Palliativversorgung auf und erklären in einem praktischen Teil, wie man sich auch als medizinischer Laie Menschen zuwenden kann, die im Sterben liegen.

Werden diese Kurse überall angeboten?
Knopf

Wir haben nur noch sehr wenige blinde Flecken auf der Landkarte. Für die Erwachsenenkurse haben wir bereits 3.000 Kursleiter deutschlandweit ausgebildet. Dies sind hochengagierte Menschen, die im hospizlich, palliativen Umfeld arbeiten - auch bei Ihnen vor Ort! Darüber hinaus gibt es 520 Kursleiter, die Kurse für Kinder und Teens durchführen. Alle Informationen zu den Letzte Hilfe Kursen gibt es auf unserer Homepage: https://www.letztehilfe.info

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