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Schutz der Dunkelheit

Lichtverschmutzung bedroht Natur und Tierwelt: Was Städte in der Region dagegen unternehmen

Wer den Sternenhimmel genießen will, muss in Deutschland nach einem Ort ohne Lichtsmog suchen. Die Städte in der Region arbeiten an besserer Beleuchtung, um die Natur zu schützen.

Lichter der Großstadt: Die vom Schloss ausgehende, strahlenförmige Beleuchtung macht die Fächerstadt einmalig. Doch die Experten sind sich darin einig, dass die Lichtmenge in Karlsruhe aus Umweltschutz- und Energiespargründen reduziert werden sollte.
Experten sind sich einig, dass die Lichtmenge in Karlsruhe aus Umweltschutz- und Energiespargründen reduziert werden sollte. Foto: Peter Sandbiller

Am Mannheimer Europaplatz ist täglich außer montags ein Fenster zum Weltall geöffnet. Um hinauszuschauen, begibt man sich in einen futuristischen Pyramidenbau mit einer Kuppel, in der Hightech-Projektionsmaschinen auf 624 Quadratmeter Fläche das unendliche Universum erzeugen. Gut eine Stunde dauert im Planetarium das simulierte Erlebnis eines „naturgetreuen Sternenhimmels“, den die meisten Großstadtbewohner fast nie sehen können.

Unsere Nächte glühen. Die Erde wird immer heller, im stark urbanisierten Deutschland vertreiben unzählige Kunstlichtquellen die Dunkelheit. Aus praktischen, ästhetischen und Sicherheitsgründen wird sie allerorten nicht mehr geduldet. Schätzungen zufolge nimmt bundesweit die Lichtmenge jährlich um etwa zwei Prozent zu. Satellitenaufnahmen aus verschiedenen Jahren zeigen ein Lichtermeer, das sich besonders in den Ballungsräumen deutlich ausgebreitet hat.

Um einen Eindruck von dem menschengemachten „skyglow“ (Himmelsleuchten) zu bekommen, kann man abends die Schwarzwald-Hochstraße hinauffahren und zur Rheinebene blicken, über der nach Anbruch der „Dunkelheit“ eine Lichtglocke flimmert. Es gibt in unserer Region nicht mehr viele Orte, wo man der Lichtverschmutzung entkommen kann.

Astrofotografen pilgern nach Kraichtal auf den dunklen Weinberg

Roland Zimmermanns Hügel ist solch ein Ort: Ein verstecktes Refugium für Genießer der Finsternis in den Weinbergen bei Kraichtal. Der frühere Elektromechaniker hat sich hier vor 25 Jahren einen Lebenstraum erfüllt und eine eigene Sternwarte gebaut. Er hat seitdem nach eigenen Berechnungen mehr als 100.000 Interessierte in die Geheimnisse der Astronomie eingeweiht.

Nach Sonnenuntergang zirpen zwischen den Weinreben die Grillen, flattern die Fledermäuse, während über unseren Köpfen ein Gestirn nach dem anderen aufleuchtet. Schon bald kann man sie nicht mehr zählen. An klaren Nächten kann man hier das prächtige Sternenband unserer Galaxie, der Milchstraße, bewundern. Die nahezu perfekte Dunkelheit erklärt sich mit der abgeschirmten Lage des „Astronomieparks“ und mit der Tatsache, dass das zwei Kilometer entfernte Dorf Oberöwisheim vor Jahren seine Beleuchtung mit besseren, nach unten gerichteten LED-Lampen umgerüstet hat.

Zimmermann erzählt, dass er oft Besuch von Astrofotografen aus Heidelberg, Ludwigsburg und anderen Städten bekommt, die durch Lichtsmog stark betroffen sind. Dass die Nächte außerhalb seiner dunklen Oase so hell sind, macht ihn traurig. „Das Licht der fernen Galaxien braucht Millionen Jahre, um uns zu erreichen“, sagt der 67-Jährige. „In den letzten Sekunden, auf den letzten Metern dieser langen Reise wird es leider durch Straßenlampen überstrahlt – und geht damit für die Beobachter verloren.“

Das Licht der Galaxien braucht Millionen Jahre, um uns zu erreichen – und geht auf den letzten Metern verloren.
Roland Zimmermann, Hobby-Astronom aus Kraichtal

Die helle Not ist nicht nur ein Problem für Astronomen, sie beschäftigt auch Umweltschützer, Tierforscher, Mediziner und Stadtplaner. Es ist vielfach nachgewiesen, dass ein Übermaß an künstlichem Licht – besonders „kaltem“ LED-Licht mit viel Blauton – zum Insektensterben beiträgt und Blütenbesucher von der Bestäubung abhält. Außerdem wirkt es sich negativ auf die Gesundheit von Menschen aus. Die dunkle Seite des Lichts hat jüngst zu einem Umdenken in der Politik geführt.

Seit 2020 gelten neue Lichtregeln für Straßen und Plätze

So schreibt das 2020 geänderte Landesnaturschutzgesetz bei Neubau, Um- oder Nachrüstung eine insektenverträgliche Beleuchtung von Straßen und öffentlichen Plätzen vor. Strahler, die öffentliche Gebäude ins rechte Licht rücken, sind nur noch unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Ab 2030 darf es im Südwesten keine Lampen mehr geben, die die Umwelt beeinträchtigen. Nach dem Prinzip „weniger ist mehr“ ist auch in Karlsruhe die Umstellung der Straßenbeleuchtung im Gange.

Die Stadtwerke zählen hier knapp 41.750 öffentliche Leuchten, rund 60 Prozent davon sind neuere und energieeffiziente LED. Von diesen sind jedoch nur 4,5 Prozent warmweiß (3.000 K) und damit unattraktiv für Insekten, weil sie nicht mit natürlichen Lichtquellen verwechselt werden. Insgesamt müssten in den kommenden Jahren etwa drei Viertel aller Lampen in der Stadt noch ausgetauscht werden, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen.

Umrüstung in Karlsruhe: Viele LED-Lampen leuchten zu hell

Ein weiteres Problem neben der „falschen“ Temperatur ist, dass viele LED-Lampen zu stark leuchten und das Licht in alle Richtungen streuen. Vor allem nach oben, was den nachtaktiven Tieren schadet. Laut Norbert Hacker, Amtsleiter Umwelt- und Arbeitsschutz, will die Stadt Karlsruhe durch die Umrüstung erreichen, „dass nichts in den Himmel strahlt und die Abschirmung sich so konzentriert, dass nur ein Weg beleuchtet wird und nicht die Nachbarschaft.“

Hacker räumt ein, dass die Straßen noch zu hell sind. „Manche Menschen denken, dass mehr Licht eine höhere Sicherheit erzeugt. Das stimmt aber nicht immer, es müsste sonst an jeder dunklen Ecke eine Lampe stehen. Wir wollen nur dort Licht schaffen, wo es wirklich notwendig ist.“ Eine Idee sei es, die Beleuchtung öffentlicher Gebäude ab etwa 22 Uhr abzuschalten. Außerdem prüfe die Stadt, ob die Lichtstärke nicht um die Hälfte reduziert werden könnte. „Das hört sich dramatisch an, ist es aber nicht“, versichert Hacker. „Um Energie zu sparen und aus Artenschutzgründen wäre das sinnvoll.“

Manche denken, dass mehr Licht eine höhere Sicherheit erzeugt. Das stimmt nicht immer.
Norbert Hacker, Leiter des Amtes für Umwelt- und Arbeitsschutz in Karlsruhe

In Sachen Beleuchtungskompetenz spielt Karlsruhe in der ersten Liga: Hier befindet sich Deutschlands älteste Prüfstelle für Auto-Scheinwerfer. Am Lichttechnischen Institut (LTI) des KIT wird zudem seit 1922 die Effizienz und Umweltverträglichkeit von Lampen und Leuchten erforscht. „Technologisch hat sich viel getan“, sagt der Leiter der Lichtmesstechnik, Klaus Trampert. „Am Computer kann das Lichtdesign heute individuell so berechnet werden, dass es nur dort hell wird, wo es nötig ist. Gerade die LED liefert gute Lösungen, die es früher nicht gab: Man kann das Licht damit besser lenken, außerdem ist sie energieeffizienter um den Faktor fünf.“

Laut Trampert hilft die Wissenschaft dabei, einen „Zielkonflikt“ rund um die Nachtbeleuchtung zu minimieren: „Die Bewohner hätten es gerne sicher, die Naturschützer dunkel und die Kommunen billig.“ Das LTI vermittle Wissen, es komme eben aber auch auf die Vernunft von Planern an. „Man macht heute noch zu viel zum Schmuck und überlegt nicht, ob es wirklich notwendig ist. Nach dem Motto: Wenn die Fußballarena in allen Farben leuchten kann, warum machen wir das nicht?“

Die Bewohner hätten es gerne sicher, die Naturschützer dunkel und die Kommunen billig.
Klaus Trampert, Forscher am Lichttechnischen Institut des KIT

Wann es sinnvoll ist, die Nacht aufzuhellen und wann nicht, soll bald ein weiteres Forschungsprojekt des Regierungspräsidiums Karlsruhe klären: „NaturLicht“. Dafür werden in der Umgebung von drei Naturschutzgebieten – darunter der Alte Flugplatz in der Fächerstadt – die von künstlicher Beleuchtung angelockten Insekten gesammelt und gezählt. Die Biologen vergleichen dann die Fänge an normalen und an abgeschirmten Lampen mit warmem Licht, das nur die Straße beleuchtet, aber nicht den Grünstreifen daneben.

Eine Grafik: In der Mitte sind zwei Häuser mit Vorgarten und Straße abgebildet. Daneben stehen jeweils Merkmale guter und schlechter Beleuchtung. Darunter befinden sich Zeichnungen von guter und schlechter Lichtlenkung.
Gute und schlechte Beleuchtung kann man unterscheiden. Foto: BNN-Infografik

Juliane Körner hofft, Ende 2022 den Kommunen praktische Anleitungen liefern zu können, wie sie den Lichtsmog minimieren und die nächtliche Tierwelt besser schützen können. „Wir wissen bereits, dass unsere Maßnahmen funktionieren. Die Leuchten können stehen bleiben, man rüstet sie einfach mit anderen Lampenköpfen nach.“ Sie seien wegen der Entwicklungskosten ein bisschen teurer als normale Lampen, aber es rechne sich langfristig.

Die neueren Daten zur Lichtverschmutzung in den Naturschutzgebieten (NSG) im Südwesten sind alarmierend: Es gibt demnach unter den mehr als 1.000 geschützten Arealen keines mehr, das noch ungetrübten Sternengenuss bietet. Lediglich 60 werden als „sehr gering belastet“ eingestuft. Im Regierungsbezirk liegt die aktuelle Rate von 3,3 bis 8,5 Prozent mehr Nachthelligkeit pro Jahr sogar deutlich über der deutschlandweiten Zunahme (2,2 Prozent). Am Alten Flugplatz in Karlsruhe wird es demnach jedes Jahr um knapp fünf Prozent heller.

In den Augen der Umweltschützer reicht es deswegen nicht aus, die Lichttechnik zu modernisieren. Sie fordern ein Umdenken zugunsten der dunklen Nacht. „Zwischen der Erkenntnis und dem Handeln ist ein Schritt, der nicht immer gemacht wird“, bedauert Hartmut Weinrebe vom BUND Mittlerer Oberrhein. Stattdessen werde noch mehr Beleuchtung gewünscht, etwa von Radwegen im Außenbereich: „Leuchtende Bänder durch die Landschaft zu ziehen, ist aber unnötig und unvereinbar mit dem Naturschutz.“

Wir sollten das Bewusstsein dafür schaffen, dass Dunkelheit etwas Wertvolles ist.
Juliane Körner, Koordinatorin des Programms NaturLicht

„Wie viele Menschen freuen sich, wenn sie im Urlaub nachts eine Sternschnuppe am Himmel erleben?“, fragt Weinrebe. „Diese Anblicke sind zum Luxus geworden. Daheim trägt man aber zum Wachstum der Lichtglocke bei, indem man den Garten beleuchtet.“ Die Biologin Juliane Körner glaubt, dass die Zunahme des Lichtsmogs den Menschen allmählich den Bezug zur Natur raubt. „Wir sollten deswegen das Bewusstsein dafür schaffen, dass Dunkelheit etwas Wertvolles ist“, sagt sie. „Mit besserem Licht tun wir etwas für uns und schützen die Umwelt. Es gibt nur Gewinner.“

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