Vergangenes Jahr lag etwa um diese Zeit noch Schnee. Ich erinnere mich deshalb so genau, weil unser Sohn die Gunst der Stunde nutze, um gegen einen Baum zu rodeln.
Der Baum stand auf dem Turmberg am Fuße eines ziemlich steilen Hanges. Wer einen Hügel zum Rodeln aussucht, der in Buschwerk endet? Ich nicht, das nur fürs Protokoll.
Aber alle Kumpels samt Familien waren schon schon da, als wir ankamen, und ich brachte es nicht übers Herz, wieder umzudrehen.
Ich warte erstmal ab und rufe: „Ist was passiert?“
Jedenfalls: Der Baum steht noch. Das Kind lebt. Das konnte man glücklicherweise direkt nach der Kollision deutlich hören. Weil mein Sohn, zu dem Zeitpunkt fünf Jahre alt, nämlich brüllte, als kriegte er es bezahlt.
Den anderen Erwachsenen fuhr der Schreck in die Glieder. Ein Papa setzte sich auch gleich in Bewegung. Ich mich nicht. Rabenmutter? Es ist halt so: Das Geschrei dieses meines Kindes klingt auch nach mindestens Zeh verloren, wenn nur ein Legostein fehlt. Und so brüllte ich erst mal zurück: „Ist was passiert?“
Ja. „Mama, er blutet“, meldete der große Bruder. Also fuhren wir, mal wieder, in die Notaufnahme. Da waren wir mit dem Buben schon öfter.
Eine dicke Lippe? Tun wir TK-Erbsen drauf
Etwa das Mal, als er von einem Stuhl gefallen war und sich gleich zwei Platzwunden am Kopf zuzog. Er kletterte dann blutend und mit einem Küchenhandtuch-Turban selbstständig ins Auto, also waren wir nur mäßig alarmiert.
Das andere Mal, als er so fiel, dass die Lippe aufplatzte. Und blutete und blutete. Da erfuhr ich im Krankenhaus, dass man nur vorstellig werden muss, wenn der Riss Mund wie Gesicht durchzieht, denn dann besteht die Gefahr, dass er schief zusammenwächst, also muss genäht werden. Aber einfach ’ne dicke Lippe? Ph, da tun wir nur noch Tiefkühl-Erbsen drauf. Die wächst von alleine zusammen.
Eine fast durchgebissene Zunge übrigens auch. Ja, fast durchgebissen. Armer Kerl. „Er hat auch wirklich sehr scharfe Zähne“, sagte der Zahnarzt, als wir das erste Mal beim ihm waren. Ich nickte, während das Kind, etwa zwei, loslief – voll gegen die Glastür. Es gab Gebrüll und eine Beule. Und was für eine. Wirklich gut, dass er einen Dickschädel geerbt hat.