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Kommt Milieuschutz?

Marode Mietobjekte: In der Karlsruher Südstadt stehen mehrere Häuser leer

Als ein Dachziegel von einem Wohnhaus in der Werderstraße vor die Füße einer Passantin auf den Bürgersteig krachte, herrschte in der Südstadt Alarmstufe Rot. Bereits kurz nach dem Vorfall waren Feuerwehr, Ordnungs- und Bauordnungsamt vor Ort und inspizierten den möglichen Gefahrenherd.

Marode Mietobjekte: In der Südstadt stehen trotz des hohen Bedarfs an bezahlbarem Wohnraum mehrere Häuser leer.
Marode Mietobjekte: In der Südstadt stehen trotz des hohen Bedarfs an bezahlbarem Wohnraum mehrere Häuser leer. Foto: jodo

„Nach Ansicht der Fachleute bestand aber keine Gefahr für die Allgemeinheit und deswegen wurde nichts unternommen“, erinnert sich Martina Hillesheimer an den Großeinsatz im vergangenen Sommer. Trotz der Experteneinschätzung habe das gesamte Gebäude aber einen extrem maroden Eindruck gemacht.

„Der ganze Innenhof war vermüllt und offenbar war keine der Wohnungen mehr bewohnt“, erzählt die Vorsitzende der Bürger-Gesellschaft der Südstadt. Was sie allerdings fast noch mehr verwunderte als der schlechte Zustand des Hauses, war der Umstand, dass die Eigentümer vom Bauordnungsamt nicht ermittelt werden konnten.

Mehrer Häuser stehen komplett leer

Und dies ist kein Einzelfall. Laut den Recherchen der Bürger-Gesellschaft stehen im Wohngebiet zwischen Ettlinger und Rüppurrer Straße mehrere Wohnhäuser komplett leer – und Auskünfte über die Eigentümer wurden mit Verweis auf die datenschutzrechtlichen Vorgaben nicht erteilt. „Auf dem Wohnungsmarkt herrscht ein großer Druck“, sagt Hillesheimer. „Da dürfte es eigentlich keinen größeren Leerstand mehr geben.“

Dass manche Hauseigentümer trotz der großen Nachfrage an bezahlbarem Wohnraum kein Interesse an einer Vermietung ihrer Immobilien haben, hat für die Bürgervereinschefin einen einfachen Grund: Leerstehende Gebäude können besser von Grund auf saniert werden. Anschließend können die Wohnungen zu deutlich höheren Preisen verkauft und vermietet werden.

„Prinzipiell ist gegen ein solches Vorgehen nichts einzuwenden. Aber irgendwann können sich die Menschen aus der Südstadt ihren eigenen Stadtteil nicht mehr leisten“, sagt Hillesheimer. Außerdem seien nach einer Umfrage der Bürger-Gesellschaft schon zahlreiche Mieter von den Immobilienbesitzern unter Androhung von Mieterhöhungen und Repressalien aus ihren Wohnungen gedrängt worden.

Möglicher Milieuschutz Thema im Gemeinderat

Um die drohende Gentrifizierung des beliebten Multikulti-Stadtteils aufzuhalten, macht sich die Bürger-Gesellschaft seit mehreren Jahren für einen besseren Schutz der Südstadt stark. An diesem Dienstag werden Anträge von SPD, FDP, Grünen, Linken, KAL und Die Partei nach einer Erhaltungssatzung und einem möglichen Milieuschutz für die Südstadt im Gemeinderat behandelt.

Irgendwann können sich die Menschen aus der Südstadt ihren eigenen Stadtteil nicht mehr leisten.
Martina Hillesheimer, Vorsitzende der Bürger-Gesellschaft

Im Mai 2019 wurde das Thema schon einmal diskutiert und zur Klärung von Detailfragen in die Fachausschüsse verwiesen. Vor einem möglichen Beschluss will die Verwaltung allerdings zunächst einmal bei einer stadtweiten, kleinräumigen Voruntersuchung verlässliche Daten sammeln. Werden dabei potenzielle Milieuschutzgebiete identifiziert, sollen die entsprechenden Schritte zur Umsetzung einer Satzung eingeleitet und im Gemeinderat präsentiert werden. Erste Ergebnisse aus dieser Voruntersuchung werden nach Angaben des zuständigen Baudezernats allerdings frühestens Ende 2020 vorliegen.

Linke, KAL und Die Partei hatten wegen des akuten Handlungsbedarfs in einem Zusatzantrag eine schnellere Datenerhebung für die Südstadt gefordert. Nach Einschätzung der Stadtverwaltung ist dort allerdings keine Eile geboten. Die Umfragen der Bürger-Gesellschaft seien zur Einschätzung der Lage zwar hilfreich, wegen der geringen Anzahl an Teilnehmern allerdings statistisch nicht verwertbar. „Wir werden uns wohl noch eine Weile gedulden müssen“, sagt Hillesheimer. Allerdings sollte sich die Stadt nicht mehr allzu lange Zeit lassen, sonst seien zahlreiche Mieter aus den Bestandswohnungen in ihrem gewohnten Wohnumfeld verdrängt worden.

Wie viele Häuser in Karlsruhe derzeit leer stehen, ist der Stadtverwaltung übrigens nicht bekannt. Wie das Baudezernat auf einen entsprechenden Antrag der Grünen mitteilte, wurde die letzte Bestandserhebung vor neun Jahren gemacht.

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