Bei uns zu Hause gibt es viel Lego. Das Problem mit Lego – neben den unverhältnismäßig grausamen Schmerzen, die ein unbedachter Schritt auf einen einzelnen Stein verursachen kann – ist, dass man damit auf zwei Arten umgehen kann.
Die eine ist, Lego-Bauwerke brav nach Anleitung aufzubauen und sie dann dauerhaft so aufgebaut lassen.
Die andere ist, sie einmal aufzubauen, so lange mit ihnen zu spielen, bis sie in alle Einzelsteine zerfallen sind und schließlich nach eigener Fantasie völlig wilde Welten zu erschaffen, während die Anleitungen für die schönen, ordentlichen, vorgesehenen Bauwerke nutzlos in eine Ecke fliegen.
Ich bevorzuge die erste Variante, der Kindsvater, die Neunjährige und der Sechsjährige die zweite. Dass das immer wieder zu Konflikten führt, muss ich sicher nicht erklären.
Vor einiger Zeit hatten wir einen Familienfilmabend. Der „Lego-Film“ sollte es sein, hatten wir beschlossen. Passt ja zu uns.
Lego-Schurke „Lord Business“ klebt alle zusammen – so wie Mama?
In dem Film geht es um ein paar gute Lego-Figuren, die gegen den Schurken „Lord Business“ kämpfen. Der läuft nämlich mit einer Waffe aus Sekundenkleber in der Lego-Welt herum, um die Figuren davon abzuhalten, Gebäude nach ihren Wünschen zu bauen, indem er sie fest zusammenklebt und Kreativität im Allgemeinen verbietet.
Wir hatten noch nicht viel von dem Film gesehen, als mich ein seltsames Gefühl beschlich. Streng nach Vorgaben bauen? Fertiges nicht mehr auseinandernehmen? Ich fühlte mich unangenehm angesprochen.
Haha, Mama, der Spruch hätte auch von dir kommen können.
Dann kam eine Szene in der „Lord Business“ zum Volk spricht: „Lasst uns uns immer schön an die Anleitungen halten“, sagt er, und flüstert hinterher: „Sonst werdet ihr alle eingeschläfert.“ Der Sechsjährige drehte den Kopf zu mir. „Haha, Mama, der Spruch hätte auch von dir kommen können“, sagte er kichernd und wandte sich sofort wieder dem Film zu
Ich erstarrte. War ich etwa der Bösewicht unser Familie? Unterband ich aus einem übertriebenen Ordnungssinn heraus die Kreativität meiner Kinder? Besorgt fragte ich nach. „Nee, so schlimm ist es noch nicht, Mama“ antworteten sie mir. „Noch benutzt du keinen Sekundenkleber.“