Thomas Baschab wäscht Topathleten die Köpfe. Nur im allerbesten Sinne, versteht sich. Oft genug stehen sich die Top-Sportler selbst im Weg. Immer häufiger nehmen sie inzwischen die Hilfe von Mentaltrainern wie Baschab in Anspruch. Der 59-Jährige sagt: "Nicht der Weg ist das Ziel. Das Ziel ist im Weg."
Zu seinen Klienten gehören Asse aus dem Fußball wie auch aus dem Biathlon, der Leichtathletik oder aus dem Tennis. Als die Fußballprofis des Karlsruher SC 2015 im Relegations-Drama am Hamburger SV scheiterten, kehrte auch er mit am Boden zerstörten Spielern die Scherben auf.
Thomas Baschab hat nichts vergessen. Als er vor 20 Jahren beim VfB Stuttgart auftauchte, weil dessen Trainer Ralf Rangnick für Neues offen war, war’s der Bild eine Nachricht auf der Titelseite wert. „Damals stand das, was ich tue, in der Guru-Ecke. Da gehört es nicht hin“, erzählt der charismatische End-Fünfziger mit dem hellblonden Haar – und veranschaulicht die aus seiner Sicht erfreuliche Entwicklung seither. „Letztes Jahr habe ich mit dem VfL Wolfsburg gearbeitet. Das war nicht mal eine Randnotiz in der Tageszeitung.“
Ansprechpartner für Ulreich und Ginter wie BMW und Microsoft
Nichtsdestoweniger wünscht er sich von Bayern Münchens Torwart Sven Ulreich oder Borussia Mönchengladbachs Matthias Ginter, „dass sie offen mit unserer Zusammenarbeit umgehen“.
Baschab ist Mentalcoach. Einer von inzwischen Tausenden hierzulande.
Auch interessant:Und doch einer der Pioniere, ein Frontmann der Szene, der zusammen mit seiner Frau auch Nachwuchs ausbildet. Er berät Entscheider bei Konzernen wie Lufthansa, BMW, Microsoft oder Bosch. Und er betreut Top-Athleten, die unter anderem aus dem Fußball, dem Biathlon, Tennis und der Leichtathletik kommen.
Als Ulreich im Mai 2018 Manuel Neuer im Halbfinal-Rückspiel der Champions League vertrat und mit einem folgenschweren Patzer das Scheitern der Münchner an Real Madrid auf dem Gewissen hatte, war Baschab da. Die Schnittmenge seines Klientels, es sind „Erfolgsmenschen unter Druck“.
Und so benennt Baschab den kompetenten Umgang mit Druck als „Schlüsselqualifikation, um im Sport etwas erreichen zu können. Es geht dabei zum einen um Einstellung, zum anderen um Technik, so arbeite jedenfalls ich“. Demnach schwächen viele Leistungssportler ihr Können mit ihrem Selbstanspruch. Nicht nur die.
Auf den Muskeltonus kommt es an
Wo ein Wille ist, ist nicht immer auch ein Weg. „Wo zu viel Wille ist“, sagt Baschab, „ist zu viel Anspannung. Zu viel Anspannung reduziert die Leistung. Immer wenn sich der Muskeltonus entscheidend verändert, verändert sich die Fähigkeit“. Ein Teufelskreis, in dem sich auch geborene Siegertypen leicht verheddern.
Mehr zum Thema:Dem Handwerkszeug seines Berufsstandes stehe dann nicht jeder offen gegenüber, weiß Baschab: „Während beim Konditionstraining jeder versteht, dass man auch dann Konditionstraining macht, wenn man schon Kondition hat, ist es beim Mentaltraining oft noch so in der Wahrnehmung: Wer einen Mentalcoach hat, der hat einen besonders nötig, der hat da Defizite.“
Gräfe und der zerplatzte Traum von KSC-Profis
Dennoch sei der Spitzensport inzwischen auch hier weiter. Früher seien Sportler an ihn herangetreten, „wenn sie sich in einer Krise befanden. Das war der Klassiker“. Oder ein Verein wie der KSC, als im Juni 2015 der Freistoßpfiff von Manuel Gräfe den Verein an der Schwelle zur Bundesliga auf den härtesten Boden der Tatsachen beförderte. Vom einen auf den anderen Moment wurden Träume einer Gruppe zerschmettert. Von den Spielern damals gehört der später zum FC Augsburg gewechselte Verteidiger Philipp Max bis heute zu seinen Klienten.
Baschab sieht generell einen Trend. „Heute ist es so, dass die Topleute kommen, obwohl sie schon stark sind. Sie wollen noch die letzten Möglichkeiten ausschöpfen.“ Denise Herrmann zählt seit über einem Jahr dazu. Die ehemalige Langläuferin brachte in der Loipe ein „Monster-Potenzial“ und Probleme am Schießstand mit in die Sprechstunden.
„Schießen im Biathlon, das ist mit das Komplexeste, was ich in der Betreuung von Sportlern erlebt habe. Das ist Wahnsinn. Mit 170 Puls aus 50 Metern Entfernung auf kleine Scheiben zu schießen, das ist eine relativ unnatürliche Angelegenheit.“ Baschab half Herrmann mit Verhaltensmustern. „Bei der ersten gemeinsamen WM hat sie dann drei Medaillen geholt, jede Farbe einmal“, erinnert er sich an Östersund. Der Weg ist das Ziel? Für Baschab ist der bessere Lehrsatz: „Das Ziel ist im Weg.“ Klingt gut. Ging schon gut.
SMS-Nachricht inspiriert den Biathleten Schempp zum ersehnten WM-Gold im Einzel
Fallbeispiel Simon Schempp, einer der am härtesten trainierenden Sportler, die Baschab je kennenlernte, und er lernte so viele kennen. Von Schempp sei er dazu autorisiert, über die Zusammenarbeit zu sprechen, schickt Baschab voraus. Und so erzählt er eben, wie er den Biathleten mit einer SMS vor dem letzten Rennen der Weltmeisterschaften in Hochfilzen 2017 über Nacht zu einer Einstellungsänderung geleitet und so wohl auch die Spur zu dessen erstem und einzigem Einzel-Gold gelegt hat.
Tatsache ist, dass Schempp seit 2010 bis dahin immer nur in Staffelrennen reüssierte, so dass die Medien ihn und er sich selbst in den Tagen vor den Titelkämpfen besonders unter Druck setzten. „Im ersten Einzelrennen wurde er dann Achter, im zweiten Neunter, im dritten Zwölfter – immer weiter weg von der Einzelmedaille. Alles gute Ergebnisse, aber eben keine Einzelmedaille. Daraufhin habe ich ihm eine simple Frage geschickt“, erzählt der 59-Jährige. Diese lautete: „Warum machst du Biathlon?“
Schempp antwortete: „Wegen dieser Drecks-Medaille.“ Baschab wusch ihm den Kopf. Leidenschaft für die Sache sei ein vertretbares Motiv, Dankbarkeit ein anderes. Sinngemäß entgegnete er also: „Du verdankst diesem Sport alles. Deine Existenz. Dein Vermögen. Dein Haus. Deine Freundin, die auch Biathletin ist. Und vor allem: deine Persönlichkeit. Mach’ es vielleicht aus Dankbarkeit, aber mach’ es in erster Linie aus Liebe.“
Eine halbe Stunde später schrieb Schempp zurück: „Ich habe deine SMS jetzt dreimal gelesen und jedes Mal kriege ich ein Lächeln ins Gesicht. Morgen vor dem Rennen lese ich sie noch dreimal.“ Am nächsten Tag hat Schempp „ die komplette Weltelite paniert und wurde mit überragendem Vorsprung Weltmeister “, beendet der Mentalcoach die Story mit dem Clou, auf den er merklich stolz ist und der unterstreiche: „Wenn einer läuft, weil es sein Leben ist, ist er frei. Der Ansatz, ein Ergebnis zu erzielen, sei „wie eine Zwangsjacke. Handlungs- und nicht Ergebnisziele gelte es anzuvisieren. „Mein bestes Tennis“, wie Steffi Graf immer sagte.
Fußballtrainer Klopp wäre auch in der Wirtschaft eine ideale Führungsfigur
Wen aus dem Sport er gerne kennenlernen würde? Baschab muss nicht lange überlegen. Es ist Jürgen Klopp. Der Fußballtrainer des FC Liverpool erledige die komplexeste Aufgabe im Sport bravourös , was ihn zur Führungsfigur in jedem Konzern prädestiniere, findet Baschab.
„Er ist nicht so erfolgreich, weil er Mannschaften taktisch besser aufstellt als andere. Klopp ist ein Menschenfänger. Der bringt den Leuten die richtigen Dinge bei. Demut zum Beispiel. Wertschätzung. Respekt. Als ich gehört habe, was er von seinen Spielern in Liverpool verlangt, wäre ich am liebsten jubelnd auf die Straße gerannt“, meint Baschab und erzählt, wie der Deutsche auf der Insel ein Fußballunternehmen mit 300 Mitarbeitern hinter sich bringt, für den gemeinsamen Fortschritt einnimmt.
„Klopp hat von seinen Spielern verlangt, dass er jeden Mitarbeiter beim Vornamen kennt. Wenn die Putzfrau also daherkommt, dann geht der Spieler an ihr vorbei und sagt: Hallo, Mary.“ Was das mit den Leuten mache, könne sich jeder ausrechnen. Am Ende ist Erfolg eben immer mehr eine Frage der Einstellung – nicht der Aufstellung.