Wenn Kerstin Kurz nach dem Yoga-Kurs die Kamera ausschaltet, herrscht um sie herum ganz plötzlich Stille. Kein munteres Geraschel von Matten, die aufgerollt werden, keine fröhliche Plauderei und auch keine Fragen mehr. Die 20 Menschen, die eben noch mit ihr trainiert haben, sind plötzlich weg. Vom Bildschirm verschwunden. „Das ist schon ein komisches Gefühl“, sagt die 46-jährige Fitnesstrainerin.
Weil die Studios nun schon zum zweiten Mal in diesem Jahr geschlossen sind, kann Kerstin Kurz ihre Kursteilnehmer nur online unterrichten. Dazu hat das Studio, bei dem sie angestellt ist, Zoom-Konferenzen eingerichtet. Alle Club-Mitglieder haben ein Passwort erhalten und können sich dazuschalten, um vom eigenen Wohnzimmer aus mit Kerstin zu trainieren.
Viele Trainer sind in Kurzarbeit
Der erfolgsverwöhnten Fitnessbranche, die ihre Umsätze in den vergangenen Jahren stetig steigern konnte, geht in der Corona-Krise langsam aber sicher die Puste aus. „Der erste Lockdown war schon schwer, aber der zweite tut jetzt richtig weh“, sagt Alexander Wulf, Pressesprecher des Deutschen Sportstudio Verbands (DSSV). Fitnessstudios, Yoga-Schulen, aber auch Sportvereine mit Angeboten in Rückenfit oder Zumba suchen deshalb vermehrt nach Möglichkeiten, ihre Mitglieder online bei der Stange zu halten.
Dabei gehen die Anbieter ganz unterschiedliche Wege. Manche, wie die Karlsruher Fit-In-Studios beispielsweise, streamen eine Auswahl von Kursen für alle offen zugänglich über ihr Facebook-Konto. Andere, wie die Pfitzenmeier Premium Clubs und Resorts, haben eine eigene App, über die zahlende Mitglieder live am Online-Kursprogramm teilnehmen oder aber vergangene Einheiten als Video dann anschauen können, wenn sie gerade Zeit haben.
Rund 217.000 Menschen sind nach Angaben des DSSV in der Fitnessbranche tätig. Dazu gehören viele Servicekräfte, aber auch ausgebildete Fitnesstrainer. Hinzu kommen noch Menschen, die eine Trainer-Lizenz haben und die nur stundenweise auf Rechnung arbeiten oder auf 450-Euro-Basis angestellt sind. „Ein Großteil dieser Menschen ist jetzt in Kurzarbeit“, sagt Thomas Niewöhner, der Generalsekretär der Deutschen Fitnesslehrer Vereinigung.
Die Stimmung in der Branche ist gedrückt. Nicht nur wegen der Trainer, die mit großen Verdienstausfällen zu kämpfen haben, sondern auch wegen der Sorge um Mitglieder, die ihre Verträge kündigen. „Wir versuchen das Angebot so gut es geht aufrecht und attraktiv zu erhalten“, sagt Bernhard Köllner, der die Pfitzenmeier Premium Clubs und Ressorts leitet. Neun Studios mit insgesamt 40 Kursräumen gehören zu seinem Zuständigkeitsbereich. „Wir haben schon im ersten Lockdown sämtliche Räume mit Kameras ausgestattet und sind jetzt in der Lage, jeden einzelnen Kurs live zu übertragen“, erklärt er. Das sei ein deutschlandweit einmaliges Angebot, betont Köllner. Für seine Clubs habe das eine Investition von rund 200.000 Euro in Kamera-, Licht- und Tontechnik nötig gemacht.
Viele Kunden sind solidarisch
Geld, das Julia Reppner von „Yoga Kula“ in der Karlsruher Südweststadt nicht einfach mal so auf der hohen Kante hatte. Aber dank eines befreundeten Tontechnikers habe sie sich eine entsprechende Ausrüstung leihen können. Ihren zahlenden Mitgliedern kann sie so nun wenigstens acht Live-Kurse und ein regelmäßiges Wochenend-Special über einen privaten Youtube-Kanal anbieten. „Das Angebot wird gut angenommen“, sagt Julia Reppner. Die Solidarität ihrer Kunden sei groß und viele seien bei der Stange geblieben, obwohl sie im Moment nur einen Bruchteil ihres sonst 21 verschiedene Kurse umfassenden Angebots bieten kann.
11,6 Millionen Deutsche waren nach Angaben des DSSV im Jahr 2019 vertraglich in einem Fitnessstudio verpflichtet. Wie viele ihre Mitgliedschaft in den beiden Lockdowns bereits kündigten, ist noch nicht bekannt. Die Branche ist ohnehin verschwiegen. „Kündigungen sind normal“, sagt Julia Reppner. Menschen ziehen weg, wechseln das Studio oder müssen aus gesundheitlichen Gründen pausieren. Besonders schlimm sei aber, dass in den Monaten des Lockdowns keine neuen Kunden gewonnen werden konnten.
Lohnt sich die Investition?
Ob sich die Investion in Online überhaupt lohnt, ist fraglich. Die kostenlose Konkurrenz im Internet ist groß. „Man brauch nur einmal das Stichwort Yoga-Kurse in die Suchmaschine eingeben und schon bekommt man eine Million unterschiedlicher Angebote“, weiß Yoga-Lehrerin Reppner. Auch Fitness-Influencer wie die Karlsruherin Pamela Reif, greifen Menschen ab, die sich gern von zu Hause aus fit halten wollen. Schon während des ersten Lockdowns waren die Zugriffszahlen auf ihre Videos regelrecht explodiert. Ihr Youtube-Kanal hat aktuell über 5,3 Millionen Anhänger. Sämtliche Videos sind kostenlos verfügbar.
Anders als die Studios müssen die Influencer aber weder teure Studiomieten bezahlen, noch haben sie Personalverantwortung. Trotzdem hat man sich bei der Unternehmensgruppe Pfitzenmeier jetzt auch dazu entschlossen, ein kostenloses Angebot zu machen. „Winterzauber“ heißt die Aktion, die vom 19. Dezember bis zum 10. Januar, kostenlose Online-Fitnesskurse für die ganze Familie anbietet. „Das ist unser Geschenk an die Region“, sagt Bernhard Köllner.
Doch natürlich ist damit auch die Hoffnung verbunden, dass nach der Krise neue Kunden in die Clubs kommen. Denn dass die Menschen in Zukunft nur noch online trainieren wollen, halten Fitnessprofis für ausgeschlossen. „Online wird wichtig bleiben, aber die Menschen sehnen sich danach, wieder in die Studios kommen zu können.“