Der Moscato di Scanzo ist etwas ganz Besonderes und kostet deshalb eine Stange Geld. Doch die Investition in diese Rarität aus der Lombardei lohnt: es ist nicht nur der einzige rote Moscato der Welt, sondern auch eine Geschmacksgranate unter den Dessertweinen.
Haben Sie schon mal von dem Städtchen Scanzorosciate gehört? Nein? Ich auch nicht. Bis vor kurzem jedenfalls, als mich Mario Narcisi, ein italienischer Spezialitätenhändler aus Stutensee-Friedrichstal, quasi mit der Nase daraufstieß. Welch ein Glück.
Moscato di Scanzo: Botschafter mit sensationellem Geschmack
So unbekannt der Name dieser Zehntausend-Seelen-Gemeinde in der Nähe von Bergamo, so berühmt ein Erzeugnis von dort: Moscato di Scanzo. Nun muss man wissen, dass dieser Dessertwein zwar einen Ruf wie Donnerhall besitzt und ins Geschmackszentrum des Weinfreunds einschlägt wie der Blitz, aber gleichzeitig auch eine ziemliche Rarität abgibt, die dem Geldbeutel einiges abverlangt. Für eine Halbliter-Bottel ist man schon mal einen Hunderter los. Vielleicht ein Last-Minute-Geschenktipp, sollten Sie einen Edelschlürfi in der Familie haben!
Manuel Biava - die Winzer-One-Man-Show
Die Appellation ist so popelig, dass der Flaschen-Output dieser bergamaskischen Weinbauzone mit ihren 30 Hektar jährlich nur um die 60 000 Stück beträgt. Etwa tausend Bouteillen davon produziert Manuel Biava, eine Art Winzer-One-Man-Show. Das Weingut wurde von seinem Nonno, dem Opa also, gegründet, gehörte jedoch seit jeher der Katholischen Kirche.
Der Moscato di Scanzo begeisterte schon die alten Kleriker
Ja, die Kleriker wussten schon immer, wo der Bartel den Most holt und vor allem, wie man das daraus gewonnene Edelprodukt möglichst oft den Schlund hinabrinnen lassen kann. Die Pfaffen von Scanzo, wen wundert’s, süffelten den blutroten Tropfen von den örtlichen Rebhängen nämlich zumeist (aber natürlich nicht nur) in der Heiligen Messe. In Deutschland füllt da eher mal eine Riesling-Schorle den Kelch (Insiderwissen von mir als ehemaligem Ministrant!). Es gibt weiß Gott Schlimmeres.
Moscato di Scanzo: an den Renaissancehöfen und an der Börse
Doch die Kirchenmänner waren nie die einzigen, die das mittelprozentige „Blut Christi“ goutierten. Im Mittelalter war Moscato di Scanzo an den Renaissancehöfen Oberitaliens eines der Statussymbole, und im seinerzeit von EU und Brexit noch Lichtjahre entfernten England des 18. und 19. Jahrhunderts trug man den Muskatweinherstellern aus der Lombardei das Geld förmlich hinterher, um auch mal ein Fläschchen zu erhaschen.
Eine Zeitlang wurde das Getränk sogar an der Londoner Börse aufgerufen. Und unser Lisbeth, die Queen of Brexitannien, schlürft wohl ab und an ebenfalls ein Gläschen süße Sünde. Zumindest werden die Royals angeblich regelmäßig mit dem extraordinären Süßwein beliefert.
Moscato di Scanzo wird in einem aufwendigen Verfahren hergestellt
Die klimatisch bedingt stark schwankende Menge ist ein Grund für den satten Preis. Der andere ist die aufwendige Herstellung mit einer Extraportion Handarbeit. Der tiefrote, meist mäßig süße Passito wird im Stile des noblen Amarone aus Valpolicella aus in langen Wochen geduldig luftgetrockneten Muskatellertrauben mit einem Zuckergehalt von 280 Gramm/Liter (und mehr) gekeltert. Mindestens zwei Jahre lang strebt der Luxussaft in Stahltanks seiner reiflichen Vollendung entgegen.
Erst dann, vielleicht auch etwas später, wird die granatrote Geschmacksgranate auf Flaschen gezogen, um schließlich in den Regalen ausgesuchter Händler ihrer Veräußerung zu harren.
Moscato di Scanzo ist in der Topgastronomie zuhause
Wenn es dazu überhaupt kommt, denn Moscato di Scanzo, insbesondere das Topprodukt von Biava, ist auch hierzulande in der Michelin besternten Topgastronomie angekommen und so stark nachgefragt, dass seine Herausgabe beinahe rationiert werden muss.
Mario Narcisi von Tarbiana hatte dabei das Näschen eines Trüffelhundes: Weil er die Preziosen von Manuel Biava als einer der Ersten aufspürte und für den deutschen Markt zugänglich machte, hat er sich gleich die Hälfte der Jahresproduktion unter den Nagel gerissen. Sehr zur Freude seiner verwöhnten Klientel, die den süßen Darling gerne und vornehmlich zu Schokoladigem genießt.
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