Der Handzettel, den die Männer von der Müllabfuhr seit Ende Oktober in ihren Wagen mitführen müssen, führt zu Diskussionen und zu Unverständnis. Verständlicherweise will sich keiner öffentlich dazu äußern. Unter der Betreffzeile „Annahme von Belohnungen und Geschenken“ steht folgendes geschrieben: „Nach der geltenden Rechtslage ist es allen Mitarbeitern der Stadtverwaltung untersagt, Geschenke oder Gutscheine entgegenzunehmen.“ Dies könne ansonsten Straftatbestände wie „Vorteilsannahme im Amt oder der Begünstigung“ erfüllen. Gezeichnet ist das Schreiben von AfA-Chef Olaf Backhaus.
Kann man einen Müllmann überhaupt bestechen?
Das Vorgehen ist neu. Die Debatte um die Annahme von kleinen Geschenken, gerade jetzt vor Jahreswechsel, wird in den Behörden landauf, landab intensiv geführt. Vielerorts gibt es dafür strenge Richtlinien. Auch in der Industrie wurden da, wenn man so will, zuletzt kräftig die „Daumenschrauben“ angezogen. Aber kann man einen Müllmann tatsächlich bestechen – Männer die tagtäglich harte Arbeit leisten, bei Wind und Wetter? Und dies mit dem besonderen Service in Karlsruhe – den es so in der Form anderswo, etwa im Landkreis, nicht gibt – dass die Müll- oder Wertstoffeimer selbst noch aus dem Hinterhof geholt und dort auch wieder abgestellt werden?
Grundsätzlich gilt, auch für den Bürger, der vor Weihnachten „etwas Gutes tun will“: Ein Geschenk sollte immer bedingungslos sein. Eine Gegenleistung darf man dafür nicht erwarten. Natürlich soll es auch schon mal den Fall geben, dass ein Müllmann – der seine Gratifikation im Dezember gewohnt war – gewissermaßen auf sein „Gewohnheitsrecht“ pocht. Es geht aber auch anders als jetzt beim Abfallamt in Karlsruhe. In der Mainmetropole Frankfurt liegt beispielsweise die Grenze für Geschenke bei einem Wert von fünf Euro.
Es darf Ausnahmen geben
In anderen Städten liegt die Grenze dafür bei zehn Euro. Wie beim Paketdienstleister DHL dürfen Beschäftigte des Abfallwirtschaftsbetriebs München dagegen Gutscheine und Sachgeschenke bis zu einem Höchstwert von 25 Euro annehmen. Und das Ganze aber nur einmal pro Jahr und pro Haushalt. Bargeld ist dort dagegen tabu, wie für alle anderen Beschäftigten der Landeshauptstadt München.
Der in Karlsruhe zuständige Bürgermeister Albert Käuflein verweist darauf, dass hier in der Stadt „die Annahme von Belohnungen und Geschenke in Bezug auf ihre dienstliche Tätigkeit untersagt ist“. Dem hält der Gewerkschafter Thorsten Dossow, Geschäftsführer von Verdi im Bezirk Karlsruhe/Mittelbaden, entgegen, es gebe Spielraum. Gerade bei den Müllmännern.
Zwar untersage der bestehende Tarifvertrag die Annahme von Geschenken, „aber es können Ausnahmen gemacht werden“, sagt er. Die müssten dann aber auch „genau definiert sein“ in Abstimmung mit der Mitarbeitervertretung – im Falle Karlsruhe abgesegnet vom Personalrat. Angesprochen auf die neue Direktive des Abfallwirtschaftsamts in Karlsruhe wird er deutlicher: „Der Amtsleiter sieht das etwas eng.“
Auch Käuflein definiert auf Anfrage einen möglichen Spielraum. In Ausnahmefällen könne „unter Zugrundelegung eines strengen Maßstabs die Zustimmung zur Annahme einer Belohnung oder eines Geschenkes – gegebenenfalls mit entsprechenden Auflagen – erteilt werden“, sagt er. Muss es also so sein, dass die Müllwerker auf eine kleine Anerkennung zu Weihnachten verzichten?
Ein früherer Stadtrat reagiert ziemlich unwirsch auf die neue Direktive des Abfallamtes: er werde es sich nicht nehmen lassen, auch diesen Dezember „dem Team der Müllabfuhr wieder einen Fünfziger zuzustecken“, sagt er, will aber vorsorglich namentlich nicht genannt werden. Amtschef Backhaus war derweil auf Anfrage für diese Zeitung zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar.