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Trauma trifft auf Wohnungsnot

Nach dem Frauenhaus: Warum häusliche Gewalt manchmal in die Obdachlosigkeit führt

Das Frauenhaus ist für viele Opfer von häuslicher Gewalt zunächst ein Ausweg. Manche Probleme fangen dort aber erst an.

Eine Frau sitzt auf einem Bett vor einem geschlossenen Fenster. Links ist eine Leiter zu einem Etagenbett zu sehen.
Nach dem Frauenhaus kommt oft die Obdachlosenunterkunft. Für viele Frauen ist das eine zusätzliche Belastung. Foto: Maja Hitij

„Ohne mich landest du in der Gosse.“ Sätze wie diesen hören Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt werden, häufig von jenen, die ihnen Gewalt antun. Umso schlimmer, wenn dieses Szenario dann tatsächlich zur Realität wird. Denn der Weg aus dem Frauenhaus führt für manche Frauen erst einmal ins Obdachlosenheim.

„Ich finde, das ist ein ziemlicher Skandal“, sagt Katja Schümer, die Leiterin des Frauenhauses vom Sozialdienst katholischer Frauen in Karlsruhe. Auch wenn der Aufenthalt im Frauenhaus nur eine Übergangslösung sein soll, reicht die Zeit dort für viele der Bewohnerinnen nicht aus, um wieder auf eigenen Füßen stehen zu können und eine Wohnung zu finden.

Das Geld bestimmt den zeitlichen Rahmen

Die zeitlichen Grenzen gibt nämlich häufig das Jobcenter vor. Es finanziert den Aufenthalt nur bis maximal 16 Monate. Das Geld selbst kommt von den Städten, aus denen die Frauen ursprünglich kommen. Für die Kosten der Unterbringung in den Karlsruher Frauenhäusern springt die Stadt Karlsruhe zunächst ein. Das Geld wird dann von den Städten und Kommunen erstattet, in denen die Frauen vorher gewohnt haben.

Konkret geht es dabei um den Satz für die sogenannte psychosoziale Betreuung in den Frauenhäusern, also die Leistungen, die das Frauenhaus über die bloße Unterbringung der Frauen hinaus erbringt. Darunter fallen Beratungen genauso wie Hilfe bei Behördengängen oder Anträgen. Während die Frauen unbefristet Anspruch auf Arbeitslosengeld ll haben, ist die Finanzierung der psychosoziale Betreuung begrenzt.

Viele Frauen sind auf diese Finanzierung angewiesen. Denn wer ins Frauenhaus geht, befindet sich finanziell häufig am Nullpunkt. Wer vorher einen Job hatte, muss diesen in der Regel aufgeben. Das hat den Grund, dass Betroffene aus Sicherheitsgründen meist in einem Frauenhaus in einer anderen Stadt untergebracht werden. Aber nicht nur das. „Bei der alten Arbeitsstelle weiterzumachen ist meist schwierig“, sagt Schümer. Denn der Partner kennt in der Regel den Arbeitsplatz der Frau. Ein Sicherheitsrisiko.

Wohnungssuche ist meist nicht das erste Problem

„Manchmal ist es auch nicht der richtige Zeitpunkt, als erstes nach einem Job zu suchen“, erklärt die Frauenhaus-Leiterin. Eine Frau, die gerade erst aus häuslicher Gewalt entkommen ist, muss sich oft erst um die Existenzsicherung kümmern. Das heißt Anträge stellen, Dokumente beschaffen, Termine auf Ämtern wahrnehmen. „Und wenn eine Frau erst mal so weit ist, dass sie gerne arbeiten möchte, braucht sie oft auch eine Kinderbetreuung“, so Schümer.

Die Wohnungssuche ist somit meist nicht das erste Problem, mit dem sich die Bewohnerinnen im Frauenhaus befassen können. Und oft reicht die Zeit, die ihnen dort bleibt, nicht aus, um eine passende Wohnung zu finden. „Wir müssen den Frauen sagen, dass es spätestens nach zwölf Monaten kritisch wird mit der Finanzierung“, sagt Schümer. Das sei rechtlich schon fragwürdig.

Alle drei Monate erkundigt sich das Jobcenter, ob die Bedrohung noch vorliegt. Bei einem „Nein“ kann das das Ende der Finanzierung bedeuten. „Dass sie noch keine Wohnung gefunden hat, wäre auch kein Grund für das Jobcenter, die Frau weiter zu finanzieren“, so Schümer.

Der Schritt ins Obdachlosenheim fällt vielen schwer

Dabei sei die Stadt Karlsruhe im Vergleich mit anderen Kommunen noch sehr großzügig, erklärt Martina Kraut-Bretz. Sie ist die Gleichstellungsbeauftragte beim Jobcenter in Karlsruhe. „Jede Stadt hat einen klammen Haushalt und jede Stadt will für ihre Bürger die Kosten zahlen“, führt sie weiter aus.

Der Wohnungsmarkt in Karlsruhe und Umgebung erschwert die Lage aber zusätzlich. „Hier ist der Wohnungsmarkt so gut wie leer“, sagt Kraut-Bretz. „Und wenn dann jemand auf Grundsicherung angewiesen ist, ist das auch schwierig.“ Das Jobcenter müsse dann die Angemessenheit der Wohnung anhand fester Vorgaben prüfen. „Und wenn dann die Miete exorbitant abweicht, können wir der Wohnung nicht zustimmen.“

Manchmal bleiben den Frauen dann nach ihrem Aufenthalt im Frauenhaus nur Obdachlosenunterkünfte als Notlösung. Diese Schwelle zu überschreiten, ist für viele Betroffene schwer. „Für den Großteil der Frauen ist das ein sehr großer sozialer Abstieg“, erklärt Schümer. „Zu wissen, ich bin dann obdachlos, ist für viele eine große Belastung.“

Manchmal gehen Frauen dann wieder zu dem Partner zurück, vor dem sie sich wenige Monate zuvor erst ins Frauenhaus gerettet hatten. „Es kommt vor, dass Männer dann auch entsprechend Stimmung machen“, erklärt Schümer. „Die sagen dann: Ich will nicht, dass mein Kind in der Obdachlosigkeit landet, dann kann es besser zu mir kommen.“ Während das Frauenhaus noch ganz gut angesehen sei, sei das Obdachlosenheim eben schon mit einer gewissen Stigmatisierung verbunden.

Unterbringung im Obdachlosenheim ist unterm Strich die Ausnahme

Dass Frauen nach dem Frauenhausaufenthalt im Obdachlosenheim landen, sei allerdings ein Ausnahmefall, sagt Sonja Rexhäuser von der Fachstelle Wohnungssicherung der Sozial- und Jugendbehörde der Stadt Karlsruhe. „Die Unterbringung im Obdachlosenheim ist eine absolute Notlösung“, sagt sie. „Es ist auch nicht das Ziel, Frauen aus dem Frauenhaus erst mal im Obdachlosenheim unterzubringen.“

Die Wohnungssuche in Karlsruhe sei schwierig und langwierig. Innerhalb eines Jahres könne man mit Begleitung aber auch in Karlsruhe etwas finden. „Wenn man aber erst in den letzten Monaten im Frauenhaus zur Wohnungssuche kommt, wird es natürlich schwierig“, sagt Rexhäuser. Das hänge vor allem von dem Paket ab, das die einzelne Frau mitbringe und von dem Trauma, das die Frauen erst einmal verarbeiten müssen.

„Es hat immer einen Grund, warum es über den Umweg Obdachlosigkeit geht“, gibt Rexhäuser zu bedenken. Wenn eine Frau kooperativ gut mitwirke, sei beispielsweise auch eine Vermittlung an die Volkswohnung denkbar.

Eine weitere Rolle spielten aber auch die Haltungen der unterschiedlichen Städte, die als Kostenträger hinter den Frauen stünden und festlegten, wie lange der Aufenthalt im Frauenhaus finanziert wird. Daher müsse immer der individuelle Einzelfall betrachtet werden.

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