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Fertigungsprozesse im realen Maßstab

Neues Kompetenzzentrum in Karlsruhe soll Ingenieurskunst und KI zusammenführen

In einem neuen Kompetenzzentrum in Karlsruhe soll Ingenieurskunst mit Künstlicher Intelligenz verschmelzen. Das Projekt wird vom Land mit drei Millionen Euro gefördert.

Die noch im Rohbau befindliche Forschungs-Fabrik auf dem KIT-Campus Ost
Die noch im Rohbau befindliche Forschungs-Fabrik auf dem KIT-Campus Ost, die dem KI-Kompetenzzentrum angegliedert ist. Im Frühjahr soll sie ihren Betrieb aufnehmen. Foto: Marianne Paschkewitz-Kloß

Von Marianne Paschkewitz-Kloß

Das jüngst mit drei Millionen Euro vom Stuttgarter Wirtschaftsministerium geförderte „Kompetenzzentrum für KI-Engineering“, kurz CC-KING genannt, unterm Dach des in der Karlsruher Oststadt angesiedelten Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) soll zu einer führenden Adresse von Künstlicher Intelligenz (KI) und Maschinellem Lernen (ML) werden. Dabei im Fokus: Mittelständische Produktionsbetriebe auf der einen und Mobilität auf der anderen Seite.

Es geht um nichts Geringeres als die weltweit gerühmte deutsche Ingenieurskunst mit Spitzenforschung im Bereich KI zusammen zu bringen. Dazu aufgeboten wird das gebündelte Potenzial des Standorts Karlsruhe durch das IOSB als Konsortialführer, das Forschungszentrum Informatik (FZI) und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

In einem halben Jahr öffnen die Tore

Für Julius Pfrommer, Wirtschaftsingenieur, promovierter Informatiker und technisch-wissenschaftlicher Leiter des Projekts, kommt das Kompetenzzentrum zur rechten Zeit: „In Anbetracht der Milliardensummen, die in den USA und in China investiert werden, ist es wichtig, dass wir uns in dem Kernstück der deutschen Industrie nichts wegnehmen lassen, sondern darauf achten, dass die Zukunftstechnologien KI und ML mit dem verknüpft werden, was wir besser können als die anderen: nämlich Ingenieursleistungen.“

Mittels KI und ML erhielten Ingenieure neue Werkzeuge zur Betriebs- oder Produktionsoptimierung. „Neben den reinen Algorithmen aus der Forschung benötigen Ingenieure aber zusätzlich eine tiefe Integration in die Werkzeuge aus ihrer Fachdomäne und ein etabliertes Vorgehen, das auch in großen und heterogenen Teams angewandt werden kann“, wie Pfrommer betont.

In einem halben Jahr wird zudem die derzeit noch im Rohbau befindliche „Karlsruher Forschungsfabrik“ auf dem KIT-Campus Ost für industrielle Anwendungen zur Verfügung stehen. Ein Ort, gemeinsam von Fraunhofer und dem KIT betrieben, an dem Industrie und Forschung zum Thema Produktion zusammenkommen.

Auf 4.500 Quadratmeter Fläche sei hier alles, was eine richtige Fabrik ausmache, vorgedacht und vorhanden, um im realen Maßstab zu arbeiten. Etwa um junge und innovative Fertigungsprozesse reif zu machen und zu perfektionieren, fasst Pfrommer zusammen.

Was KI-Verfahren in der Industrie zu leisten vermögen, lässt sich im IOBS-Labor neben anderen Beispielen an der Miniaturausgabe einer Schüttgutsortier-Anlage nachvollziehen. Bereits bei der Löschung einer Schiffsladung Getreide wird belastendes Mutterkorn automatisch heraussortiert. Sobald das Getreide von der Rampe eines Laufbands fällt, wird es im freien Flug von einer Kamera erfasst und einzeln klassifiziert. Noch im Flug schießen Luftdüsen gezielt das Getreide mit dem Mutterkorn aus. Künstliche Intelligenz war der Lehrmeister des Sortiervorgangs.

Der Mensch bleibt ein Faktor

Bevor ein KI-System jedoch unterstützend eingreifen kann, muss die Software aus den Sensordaten vieler konkreter Anwendungsbeispiele ein komplexes Modell entwickeln – anders gesagt: Die Maschine „lernt“ die Zusammenhänge. Auf dieser Basis können dann Vorhersagen getroffen oder Empfehlungen und Entscheidungen generiert werden. Erübrigt sich dadurch Ingenieurskompetenz? „Nein“, betont Pfrommer, „der Mensch wird nicht ausgeklammert“.

Bei KI-Verfahren bedürfe es der Interaktion und Rückkoppelung mit dem Menschen. „An der Stelle, wo es darum geht, in Gigabyte von Daten eine Struktur zu finden, sollte man den Computer machen lassen. Wo es auf Kreativität ankommt, ist der Mensch gefragt.“

Und wie einem Menschen kann auch der KI einmal ein Fehler unterlaufen. „Sicherheit im Sinne von Betriebssicherheit ist für Ingenieursanwendungen ungemein wichtig“, ergänzt der KI-Experte. Bevor etwa ein Fahrzeug autonom auf der Straße fahren dürfe, müsse es entsprechend zertifiziert werden.

KI kann auch für den Mittelstand erschwinglich sein

Nicht minder wichtig im Einsatz von KI: Nachvollziehbarkeit, Erklärbarkeit und Plausibilität der „errechneten“ Entscheidungen. Am Ende dürfe keine undurchsichtigen Entscheidung aus einer schwarzen Box stehen, sondern es müsse klar und nachvollziehbar sein, auf Basis welcher Kriterien das System entschieden habe. Es geht um das Vertrauen und Zutrauen der Anwender in die Zukunftstechnologie.

Doch ist KI für den Mittelstand überhaupt erschwinglich? An der Stelle, so Pfrommer, könnten die Unternehmen einen Innovationsgutschein des Landes einsetzen und beim Kompetenzcenter KI-Engineering eine schnelle Beratung zu Technologien und Lösungsansätzen bekommen. Würden Problemstellungen in ähnlicher Form in mehreren Betrieben angetroffen, könnten die Forscher im Kompetenzzentrum wiederverwendbare Lösungen für den Anwendungsfall entwickeln.

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