Verheiratete Männer wissen: Eine Fußball-WM kann unmittelbar zur Scheidung führen. Mit einer Neugeborenen und einer Frau im Wochenbett sollte man die Nummer vom Rechtsanwalt erst recht auf Kurzwahl haben.
Fußball, Fußball, Fußball
Zwei Wochen vor der WM nimmt das Unheil seinen Lauf: Spielplan und Textmarker in der Hand, sinniere ich stirnrunzelnd im Wohnzimmer. Um meiner Frau die Freizeitplanung zu erleichtern – viel davon hat man mit Baby ohnehin nicht – markiere ich die Spiele, die ich auf keinen Fall verpassen will. Die Großen sind gesetzt: Brasilien, Deutschland, Frankreich, England, Argentinien, Spanien und Portugal. Dazu die Geheimfavoriten: Belgien, Kroatien, Uruguay, Kolumbien. Auf die Exoten – Ägypten, Peru, Costa Rica, Panama und Senegal – bin ich mächtig neugierig. Die Spiele der Russen dürften stimmungsvoll werden, die von Saudi-Arabien torreich und ab dem Achtelfinale wird ohnehin alles geschaut.
Nach der Vorrunde wird es kritisch
Nach zwei Minuten sieht der Spielplan aus, als hätte ein Kleinkind darauf seine neuen Buntstifte erprobt. Schließlich hänge ich doch einen blütenweißen WM-Kalender auf, der meiner Frau suggerieren soll, dass alles gar nicht so schlimm wird. Einen Monat später brennt der Baum. Nachdem ich gefühlte 45 der 48 Gruppenspiele vor der Flimmerkiste verbracht habe – zwischendrin war Hochzeitstag – wird es ihr zu bunt. Schließlich verlangt auch das Baby nach Aufmerksamkeit. Mein Hinweis, die Kleine habe sichtlich Freude am Offensivspiel der Senegalesen, hilft da nicht.
Wo bleibt das Leben?
Irgendwann, die deutsche Mannschaft rumpelt längst gemütlich vor sich hin, grüßt der Burnout. Zwischen Fläschchen und Frankreich, Kuscheln und Kolumbien, Bäuerchen und Brasilien bleibt kaum noch Luft zum Atmen. Spaziergänge und Hausarbeiten sind nur in den schmalen Zeitfenstern zwischen den Spielen möglich, beim Essen läuft der Fernseher und die Mannschaftsanalysen für das Tippspiel im Freundeskreis machen sich auch nicht von alleine.
Vielleicht doch lieber KSC
In der 85. Minute von Spanien – Marokko fällt meiner Frau ein, dass ich die Wohnung saugen müsse und beim kroatisch-dänischen Elfmeterkrimi eskaliert die Kleine. In diesem Moment sehne ich mich nach dem Drittliga-Grusel des KSC, bei dem man auch in einer viertelstündigen Wickelpause nix versäumt. Immerhin, der Nachwuchs kommt nach Papa: Bei Béla Réthy schläft sie friedlich ein.