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Karlsruher Geschichtsbuch

Ortsfamilienbuch für Karlsruhe-Wolfartsweier verfasst: Besonders schockierend sind die vielen toten Kinder

Für Genealogen sind Ortsfamilienbücher eine wichtige Quelle bei der Familienforschung. Nun gibt es ein Ortsfamilienbuch für Wolfartsweier. Dafür haben drei Autoren fünf Jahre lang historische Kirchenakten ausgewertet.

Faigle-Kirchenbauer
Viel Recherche: Fünf Jahre hat Sigrid Faigle-Kirchenbauer in die Erstellung des Ortsfamilienbuchs Wolfartsweier investiert. Foto: Lisa Strauß

Die Ehe des Steinbrechers Jacob Friedrich Kleinert aus Karlsruhe-Wolfartsweier und seiner Frau Caroline war von vielen Schicksalsschlägen überschattet.

Der erste Sohn Jakob Friedrich wurde nur drei Jahre alt, die erste Tochter Caroline Friederike starb am 24. September 1844 mit nur einem Jahr an blauem Husten, der zweite Sohn Christian Friedrich am 12. Juni 1846 an einer Lungenentzündung. Auch vier weitere Kinder des Paars starben bereits im Säuglingsalter. Lediglich Jakobine und Karoline Catharina überlebten ihre Eltern und gründeten in den 1870er Jahren eigene Familien.

Und die Klenerts waren in Wolfartsweier keineswegs ein Einzelfall, wie der Blick in das Ortsfamilienbuch Wolfartsweier verrät. „Die hohe Kindersterblichkeit hat mich bei meinen Recherchen immer wieder erschüttert“, erzählt Sigrid Faigle-Kirchenbauer. Selbst im Zeitalter der Industrialisierung sind in Wolfartsweier noch sehr viele Kinder an Krankheiten wie Husten oder Fieber aus dem Leben geschieden.

5.600 Menschen aus 1.300 Familien

Fünf Jahre lang haben Faigle-Kirchenbauer und ihre Mitautoren Iris Riedlsperger und Ulrich Kindler am Ortsfamilienbuch gearbeitet. Dabei haben die Hobby-Historiker unzählige Kirchenbucheinträge aus den Jahren 1692 bis 1949 im Archiv der evangelischen Kirchengemeinde von Wolfartsweier und des Oberkirchenrats in der Blumenstraße ausgewertet. Die persönlichen Daten von etwa 5.600 Menschen aus 1.300 Familien wurden so chronologisch sowie nach Nachnamen geordnet.

„Das war nicht einfach. Vor allem, weil etliche Einträge mit sehr krakeliger Handschrift verfasst wurden. Das musste man erst mal dechiffrieren“, sagt die pensionierte Grundschulrektorin.

Familiengeschichte erforschen liegt im Trend

Bei einem Geistlichen liege sogar der Verdacht nahe, das er im Alter an Parkinson erkrankt war. Geld werden die drei Autoren mit ihrer 590 Seiten starken Publikation trotz des Verkaufspreises von 45 Euro aller Voraussicht nach nicht verdienen.

Ortsfamilienbücher werden normalerweise von Historikern zur Arbeitserleichterung für andere Historiker verfasst. So können sich Profis und Laien unter den Genealogen auch ohne die zeitraubende Recherche in den Archiven auf Spurensuche begeben. „Familiengeschichte erforschen erlebt zurzeit einen echten Trend. Und wer sich mit der eigenen Herkunft beschäftigt, findet in den Ortschroniken viele Hinweise auf die Geschichte seiner Ahnen“, betont die 72-Jährige.

Weil es in Karlsruhe bereits mehrere Ortsfamilienbücher gibt, können Vorfahren aus verschiedenen Stadtteilen aufgespürt werden. Wegen der datenschutzrechtlichen Vorgaben dürfen Sterberegister erst nach 30 Jahren und Geburtsregister nach 110 Jahren in den Ortsfamilienbüchern veröffentlicht werden. Verweise auf die Ortsgeschichte von Wolfartsweier gibt es im Familienbuch übrigens nicht. Dafür hat der Verein für Geschichte von Wolfartsweier in den vergangenen Jahrzehnten aber bereits eine zehnbändige Chronik herausgebracht.

Sattlermeister und Schweinehirten

Wer allerdings zwischen den Zeilen liest, kann auch aus den Einträgen des Ortsfamilienbuchs Rückschlüsse auf die Geschichte Wolfartsweiers und die Lebensverhältnisse in einem Dorf während der jeweiligen Epochen ziehen.

So verdienten die Männer im 17. und 18. Jahrhundert ihr Geld als Handwerker, Soldaten und in der Landwirtschaft. Bäcker, Drechsler, Sattlermeister, Wagner und Küfer haben in Wolfartsweier ebenso gelebt wie Schweinehirten, Knechte, Milchhändler, Grenadiere und ein Füsilier. Letzteres war früher die Bezeichnung für bewaffnete Infanteristen.

Uneheliche Kinder waren verpönt

Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts kamen mit der Industrialisierung und dem Bau der Badischen Maschinenfabrik in Durlach sowie der Waffenfabrik Zündhütle zwischen Aue und Wolfartsweier zahlreiche Fabrikarbeiter dazu. „Außerdem hat es in Wolfartsweier Zöllner gegeben“, so Faigle-Kirchenbauer. „Die haben wahrscheinlich die Gemarkungsgrenze zu Ettlingen und Grünwettersbach kontrolliert“.

Dass den Pfarrern uneheliche Kinder nicht ins christlich-pietistische Weltbild passten, haben die Buchautoren bei einigen der handschriftlichen Kirchenbucheinträgen ebenfalls erfahren. „Die Pfarrer waren damals sehr rigoros“, sagt Faigle-Kirchenbauer. Unter manchen Geburtseinträgen stehe deshalb der Vermerk „aus Hurerei gezeugt“ zu lesen.

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