
Am kommenden Dienstag in der Mittagszeit wird man beobachten können, wie der Mond die Sonne „anknabbert“. Nach und nach wird von oben ein Schatten über unseren Stern wandern, bis etwa ein Fünftel von ihm temporär verschwindet. Nach knapp zwei Stunden wird das Naturschauspiel dann wieder vorbei sein. Die Wettervorhersagen für die Region sehen bislang gut aus, sodass dem ungetrübten Finsternis-Genuss nichts im Wege stehen dürfte.
Die Verdeckungen der Sonne durch den Mond zählen zu den spektakulärsten Ereignissen, die jedermann am Himmel ohne viel Aufwand beobachten kann. Besonders die totalen Finsternisse wie zuletzt am 11. August 1999 ziehen Millionen Menschen in ihren Bann. Um 12.33 Uhr versanken Karlsruhe und die Region damals in eine rabenschwarze Nacht.
Zwei Minuten und 17 Sekunden lang war es friedlich und still. Bewaffnet mit Teleskopen, Kameras, Campingstühlen und Kühlboxen verfolgten viele Zuschauer in den Städten und Dörfern entlang der A5 und der A8 die Finsternis und verwandelten die Wiesen und Felder in eine überdimensionale Natur-Arena mit Woodstock-Feeling.
Doch eine komplette Bedeckung der Sonne ist eher selten sehen, hingegen wiederholen sich partielle Finsternisse alle paar Jahre. „Es ist für Experten wie für Laien immer wieder spannend, zu schauen, was dort passiert“, sagt im Gespräch mit den BNN Mathias Jäger, wissenschaftlicher und technischer Leiter des Planetariums Mannheim.
Komplexe Himmelsmechanik sorgt für einen Hingucker
Die komplexe Himmelsmechanik sorgt von Zeit zu Zeit dafür, dass sich der Mond zwischen Erde und Sonne schiebt. Weil die geneigte Bahn des Erdtrabanten oft ober- oder unterhalb der Sonne vorbeizieht, geschieht das meist unbemerkt. Diesmal wird es anders sein: Der Neumond wird am Dienstag vor die Sonne treten. Der ständige Begleiter unseres Planeten ist derzeit aber relativ weit von ihm entfernt und daher zu klein, um die gesamte Sonne zu bedecken – daher die Teilfinsternis.
Wir werden hier die Bedeckung von etwa 20 Prozent der Sonne erleben können.Mathias Jäger, Planetarium Mannheim
Von Island aus wird der Halbschatten des Mondes in südöstliche Richtung wandern. „Wir werden in unserer Region die Bedeckung von etwa 20 Prozent der Sonne erleben können“, sagt Jäger. „In Berlin und Wien wird etwa ein Drittel der Sonne verdeckt sein, in Warschau 41 Prozent und in der litauischen Hauptstadt Vilnius fast die Hälfte davon.“
Der Mannheimer Himmelsgucker rät allen Interessierten, kurz nach 12 Uhr mittags auf die Sonne zu schauen, wenn der Mondschatten einen großen Happen von der gleißenden Scheibe „abbeißt“. „Es ist aber sehr wichtig, seine Augen gut zu schützen“, mahnt der Fachmann.
Am besten, man kauft sich für ein paar Euro eine spezielle, zertifizierte Sonnenfinsternis-Brille, die nur einen Bruchteil der Strahlen durchlässt.Mathias Jäger, Planetarium Mannheim
Jäger warnt davor, durch herkömmliche Sonnenbrillen, rußiges Glas oder schwarze Filmstreifen direkt auf die Sonne zu schauen: Das könnte die Netzhaut schwer beschädigen. Im schlimmsten Fall kann es zur Erblindung kommen. „Am besten, man kauft sich für ein paar Euro eine spezielle, zertifizierte Sonnenfinsternis-Brille, die nur einen Bruchteil der Strahlen durchlässt. Oder man bastelt sich mit einfachen Mitteln eine Lochkamera, die durch ein Loch im Karton eine Projektion der Sonne erzeugt“, sagt er.
Beim Fotografieren muss man vorsichtig sein
Auch beim Fotografieren ist Vorsicht angeraten: Um Augenschäden zu vermeiden, sollte man niemals direkt durch den Kamera-Sucher in die Sonne schauen. Das intensive Licht sei auch nicht gut für die Handykamera, warnt der Astronomie-Experte aus Mannheim. Er rät einfach dazu, mit dem Handy durch die Sonnenfinsternis-Brille Aufnahmen zu machen.
Alternativ empfiehlt Jäger, Profi-Angebote zu nutzen. So wird sein Planetarium in Mannheim am Dienstag zwei Sonnenteleskope aufstellen, mit denen man in Anwesenheit von professionellen Astronomen die Teilfinsternis beobachten kann – den wolkenlosen Himmel vorausgesetzt. Die Bildungseinrichtung zeigt zudem in einer Sondervorführung den Film „Die Sonne, unser lebendiger Stern“.
Wetteraussichten sind bislang günstig

Mit dem Wetter in der Region sieht es für Dienstag vermutlich ganz gut aus. „Derzeit ist die Wetterlage recht wechselhaft, aber dieser Tag sollte trocken sein und einen Mix aus Sonne und Wolken bringen“, verdeutlicht Meteorologe Dominik Jung vom privaten Wetterdienst Q.met, der für diese Zeitung die regionalen Wetterdaten auswertet.
Jährlich gibt es nur zwei bis vier Sonnenfinsternisse irgendwo auf der Erde, wobei der langjährige Durchschnitt bei 2,38 Mal liegt. Allerdings ist die Sichtbarkeit stark davon abhängig, wo sich der Beobachter befindet. Mitte vergangenen Jahres hat ein solches Ereignis auch viele Himmelsgucker in Deutschland begeistert, es war die erste partielle Sonnenfinsternis in Mitteleuropa seit 2015.
Wer die Sonnenbedeckung am Dienstag verpasst, muss zweieinhalb Jahre auf die nächste am 29. März 2025 warten. Auch im August 2026 wird es eine partielle Finsternis geben. Die nächste totale Sonnenfinsternis wird in Deutschland dagegen erst im Jahr 2081 zu sehen sein.
Faszination und Angst
Die himmlischen Schattenspiele am helllichten Tag haben seit jeher die Menschen fasziniert und geängstigt. Wer eine Finsternis korrekt vorhersagen konnte, stand im Ruf, in die Zukunft blicken zu können. Das Himmelsphänomen soll auch schon eine Schlacht beendet haben – zwischen den Medern und den Lydern im Jahr 585 vor Christus. Die Truppen beider Seiten sollen Frieden geschlossen haben, als der Tag sich plötzlich in die Nacht verwandelt hat.
Vor über 4.000 Jahren wurde im ältesten Werk der chinesischen Literatur, dem Buch der Schrift, von einer Finsternis berichtet: Laut dem damaligen Aberglaube kam eine Sonnenfinsternis zustande, weil der Himmelsdrache die Sonne verspeist habe. Noch heute werden die Schnittpunkte der Mond- und Erdbahnebenen deswegen Drachenpunkte genannt. Die Chinesen kamen allerdings später zu der Erkenntnis, dass die Verdunkelung der Sonne von der Stellung des Mondes abhängt.
Neue Erkenntnisse für Sonnenforschung
Astronomen und Wissenschaftskommunikatoren wie Mathias Jäger sehen die Sonnenfinsternisse heute nicht nur als schöne und außergewöhnliche Naturerlebnisse, sondern auch als wichtige Anlässe, um Forschungsdaten zu sammeln. „Vor allem die totale Finsternis ist gut dazu geeignet, um die Sonnenkorona zu untersuchen“, sagt der wissenschaftliche Leiter des Mannheimer Planetariums.
Laut Jäger bleibt zudem das „Tropfen“-Phänomen bei den Bedeckungen der Sonne bislang ein Rätsel. „Wenn der Mond die Sonne berührt, scheint sich ein ,Tropfen’ zu bilden. Wir wissen nicht, warum das passiert.“