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Ethische Diskussion

Grundrechte für Affen, Freiheit für Elefanten? Gedanken über den richtigen Umgang mit Zootieren

Wir diskutieren immer stärker darüber, wie wir mit Tieren umgehen. Was ist eigentlich richtig? Ein Gedankenspaziergang.

Bleibt alleine: Der New Yorker Zoo-Elefant Happy ist nach Ansicht eines US-Gerichtes keine „Person“ im rechtlichen Sinne und darf deswegen auch nicht aus seiner Gefangenschaft befreit werden.
Bleibt alleine: Der New Yorker Zoo-Elefant Happy ist nach Ansicht eines US-Gerichtes keine „Person“ im rechtlichen Sinne und darf deswegen auch nicht aus seiner Gefangenschaft befreit werden. Foto: Bebeto Matthews picture alliance/dpa/AP

Wenn es eine Reklame in dieser reizüberfluteten Welt heute noch schafft, in Erinnerung zu bleiben, dann ist sie gut gemacht. Auf der Autobahn ist so eine Werbung zu sehen, sie klebt auf manchem Lastwagen: Ein Hund und ein Schwein blicken den Fahrer an. Dazu zwei Fragen: „Wen streicheln? Wen essen?“

Die Fragen beantworten sich von selbst. Wir streicheln den Hund und essen das Schwein. Was Tierschützer aber erreichen: Man denkt plötzlich intensiv über das nach, was selbstverständlich erscheint.

Es wirkt völlig klar, welche Tiere wir für unseren Konsum töten, welche Tiere wir in Gehegen für unsere Anschauung einsperren, welchen Tieren wir mehr oder weniger Rechte zugestehen. Aber ist das alles richtig so? Und wer sagt uns, was richtig ist?

Das deutsche Tierschutzgesetz könnte alle hier gestellten Fragen recht schnell beantworten. Es wirft aber eher weitere Fragen auf. In dem Gesetz, das es in der Form seit 1972 und mit Anpassungen seit 2013 gibt, heißt es: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“

Schweine werden betäubt und problemlos geschlachtet ein Irrglaube

Für Tiere, die sich in irgendeiner Form für die Fleischtheken in Supermärkten eignen, liegt ein vernünftiger Grund für den Schaden, also den Tod, vor. Die Fleischindustrie entdeckt zwar immer mehr Veggie-Produkte für sich – doch das liegt schlicht und einfach daran, dass es im wachsenden Markt der Fleischersatz-Produkte Geld zu verdienen gibt und nicht an einem neuen Gewissen der Großindustriellen.

Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
Auszug aus dem deutschen Tierschutzgesetz

Tiere werden nach wie vor für unseren Konsum getötet, in Deutschland sind das 1.400 Tiere pro Sekunde. Dass darunter etwa die Schweine allesamt schmerzfrei mit einem Bolzenschussgerät betäubt und dann ausgeblutet werden, ganz ohne Probleme, das wäre ein Irrglaube.

Schweine stehen in einem Schweinestall.
Tierhaltung: Die Ampel-Koalition ringt seit Wochen um eine Finanzierung für den geplanten Umbau hin zu höheren Standards. Foto: Marijan Murat/dpa

Die Tiermedizinische Hochschule Hannover hielt in einer Studie 2017 fest, dass 61,8 Prozent der untersuchten Schweine mangelhaft betäubt oder getötet worden sind. Der vernünftige Grund zum Töten liegt vor – doch bei der Frage nach Schmerz und Leid stößt das Deutsche Tierschutzgesetz an seine Grenzen.

Also konzentrieren wir uns bei der Frage des Umgangs zunächst auf ein Tier, das wir nicht zu einem Fleischprodukt verarbeiten würden. Ein Tier, dem wir schon aus biologischen Gründen ganz nahestehen: dem Affen.

Sadismus bei den Schimpansen

Aus dem Bereich der Menschenaffen gibt es unfassbare Beobachtungen. Manche Schimpansen haben eine ausgeprägte Vorliebe zum Sadismus. So sind Fälle dokumentiert, in denen sich eine Schimpansen-Gruppe an der anderen rächte. Sie töteten die Hälfte der anderen Gruppe, die Überlebenden mussten die Überreste essen. Von diesem Verhalten aus der weltweiten Tierwelt berichtet der Karlsruher Zoo-Sprecher Timo Deible, um zu zeigen: Schimpansen sind die gefährlichsten Tiere in seinem Zoo.

Schimpansenmännchen
Das Schimpansenmännchen Benni sitzt im Karlsruher Zoo in seinem Gehege. Foto: Timo Deible/Zoo Karlsruhe

Aus dieser biologischen Familie der Großen Menschenaffen sind aber auch und eher äußerst soziale Verhaltensweisen überliefert. Weltberühmt ist der Fall „Koko“. Ein Gorilla-Weibchen, das die Gebärdensprache mit mehr als 1.000 Zeichen erlernte und sich bis zu ihrem Tod 2018 mit Tierpsychologin Francine Patterson verständigen konnte.

„Koko“ zeigte sich laut Patterson humorvoll, auch mal schelmisch und war tieftraurig über ihre Kinderlosigkeit. Dann nahm sie Katzenbabys auf und kümmerte sich liebevoll um sie. „Koko“ wurde 46 Jahre alt und gilt bis heute als eines der wenigen Tiere, das so ausführlich mit dem Menschen kommunizieren konnte.

Der Sadismus, die große Liebe von „Koko“ – die Beispiele zeigen, wie nahe die Affen am Verhalten des Menschen sein können. Wenn es sich um so sehr ähnliche Lebewesen handelt – wie können wir rechtfertigen, ihnen die freie Bestimmung zu nehmen? Auch „Koko“ hatte keine Wahl. Das Gorilla-Weibchen war ab seinem zweiten Lebensjahr zwar ein sehr geliebtes, aber immer noch ein Forschungsobjekt.

Entscheidung in Basel: Menschenrechte für Affen?

Den bisherigen Rahmen für unseren Umgang mit Tieren hätten Menschen in Basel vor einem halben Jahr sprengen können. Dort stimmten die Bürger darüber ab, ob Affen gewisse Grundrechte erhalten sollten. Das Recht auf Leben etwa oder das Recht auf geistige und körperliche Unversehrtheit. Eine Denkfabrik hatte die Initiative eingebracht, weil sie Lücken im Tierschutzgesetz sieht.

Schädigende Tierversuche oder das Einschläfern der Tiere wäre in einer Stadt mit Tierparks und großen Pharma-Firmen nicht mehr möglich gewesen, ein weltweites Novum.

Ein Schimpanse sitzt vor einem Bildschirm im Gehege des Safariparks.
Ein Schimpanse sitzt vor einem Bildschirm im Gehege eines Safariparks. Foto: Petr David Josek/AP/dpa

Das beinhaltet auch ein Klagerecht – natürlich klagt nicht der Affe persönlich, dafür bräuchte es einen menschlichen Stellvertreter. Doch es blieb ohnehin bei der Vorstellung. Die Initiative wurde mit einer Dreiviertel-Mehrheit abgelehnt.

Die Fragen bleiben: Wie viele Rechte sollten wir den Tieren einräumen? Steht ihnen, die auch Leid und Glück empfinden, nicht mehr zu? Dem bürgerlichen „Nein“ aus der Schweiz folgte vor wenigen Tagen ein juristisches „Nein“ aus den USA. Dort sorgte „Happy“ für Schlagzeilen, eine asiatische Elefantin, die seit 2006 allein in einem New Yorker Zoo lebt.

„Happy“ werden außergewöhnliche kognitive Fähigkeiten bescheinigt. So außergewöhnlich, dass sie sich als erster Elefant überhaupt selbst im Spiegel erkannte. Tierschützer wollten sie zur Rechtsperson erklären lassen, um das Recht auf körperliche Freiheit durchzusetzen. „Happy“ sollte fortan in einem Wildschutzgebiet mit anderen Elefanten leben. Das Gericht lehnte den Antrag ab, ein Tier ist eben keine Person.

Hilft die Bibel beim Umgang mit den Tieren weiter?

Beide Fälle, Basel und New York, zeigen, dass eine rein juristische Betrachtung zu kurz greift. Natürlich sitzt ein Affe nicht im Amtsgericht und klagt gegen seine Unterbringung. Und natürlich wäre es nicht gerecht, Elefantendame „Happy“ zur Freiheit zu verhelfen, während andere Tierarten in weitaus engeren Verhältnissen dem Menschen weiter zur Schau gestellt werden.

Flamingos im Zoo Karlsruhe
Die leuchtenden Farben der Kubaflamingos stechen hervor: Aus Tierschutzgründen dürfen sie nun auch wieder die Außenanlage des Zoos Karlsruhe nutzen. Foto: Timo Deible/Zoo Karlsruhe

Aber einfache Lösungen gibt es in diesen ethischen Fragen nicht, nicht einmal aus der Bibel. Der Umgang mit Tieren, hielt Soziologe Marcel Sebastian mal fest, ist auch in der Heiligen Schrift nicht eindeutig.

„Einerseits gibt es den Herrschaftsauftrag, aber auch Fürsorge, Barmherzigkeit und Mitleid gegenüber der gesamten Schöpfung.“ Die Bibel rufe das Ziel aus, Menschen sollten sich prinzipientreu und aufrecht verhalten. „Gleichzeitig findet man immer Wege, das zu umgehen.“

Einerseits gibt es den Herrschaftsauftrag, aber auch Fürsorge, Barmherzigkeit und Mitleid gegenüber der gesamten Schöpfung. Gleichzeitig findet man immer Wege, das zu umgehen.
Marcel Sebastian, Soziologe über die Bibel

In diesem Satz von Marcel Sebastian steckt dann doch die volle Wahrheit. Es braucht keine Studie, Gesetzesanpassung oder richterliche Entscheidung. Der Mensch findet immer einen Umweg.

Das Bewusstsein ist viel wichtiger. Wer das erste Mal intensiv über die Frage nachdenkt, ob Affen Grundrechte erhalten sollten, der denkt auch über Tierversuche, über Schlachtungen von Nutztieren und die Frage nach, wie viel Leid wir Tieren zumuten wollen.

Es braucht mehr gut gemachte Reklame, mehr herausfordernde Initiativen, mehr Diskussionen zum Tierschutz. Nur das Bewusstsein der Menschen schafft einen besseren Umgang mit dem Tier.

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