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Windkraft in der flachen Region

Schleppender Windpark-Bau in Baden-Württemberg: Projekt in Rheinstetten könnte Schub verleihen

Die Landesregierung verpasst ihre eigenen Windkraft-Ziele, denn der Bau von Windparks in Baden-Württemberg geht nur schleppend voran. Doch nun entstehen neue Möglichkeiten im Oberheingraben. Rheinstetten spielt dabei eine wichtige Rolle.

Windrad auf der Hornisgrinde: Im Nordschwarzwald gibt es vergleichsweise wenige solcher Anlagen.
Windrad auf der Hornisgrinde: Im Nordschwarzwald gibt es vergleichsweise wenige solcher Anlagen. Foto: Foto: Uli Deck/dpa

Wer sich auf die Suche nach Windrädern durch Baden-Württemberg bewegt, wird im Nordosten des Landes schnell fündig. In Hohenlohe-Franken reiht sich eine Anlage an die nächste, Windparks prägen seit vielen Jahren das Erscheinungsbild der Region.

Erst im September vergangenen Jahres wurde beispielsweise bei Ilshofen-Ruppertshofen – die Gemeinde liegt an der Autobahn A6 – im Landkreis Schwäbisch Hall der Spaten angesetzt. Dort wird derzeit die dritte Windanlage im Auftrag der örtlichen Bürgerenergiegenossenschaft realisiert. Nicht nur im Landkreis Schwäbisch Hall, auch im Hohenlohekreis und dem Main-Tauber-Kreis schießen die Windkraftanlagen wie Spargel aus dem Boden.

Einer der Antreiber ist der Windpark-Entwickler ZEAG, eine Tochtergesellschaft des Karlsruher Energieversorgers EnBW. ZEAG betreibt gemeinsam mit Bürgern und Kommunen in Energiegenossenschaften bereits sieben Windparks mit insgesamt 36 Anlagen. Weitere 30 Kraftwerke in Nordost-Württemberg befinden sich derzeit in Planung.

Die neue Anlage in Ilshofen-Ruppertshofen wird eine Nabenhöhe von 160 Metern haben und rechnerisch 3.000 Haushalte mit Strom versorgen. 160 Meter ist auch die magische Zahl, bei der sich aus Sicht der Landesregierung zeigen muss, ob eine Anlage an einem bestimmten Standort ausreichend Wind abbekommt. Der sogenannten Windatlas, den die Landesregierung hat ausarbeiten lassen, liefert die Grundlage der Planungen.

Im nördlichen Schwarzwald passiert nur wenig

Dass die Höhenlagen des Schwarzwalds und der Schwäbischen Alb dabei als besonders windreich definiert wurden, verwundert nur wenig. Doch während sich an vermeintlich schlechteren Wind-Standorten in Ostwürttemberg eine Anlage an die nächste reicht, tut sich im Nördlichen Schwarzwald bisher vergleichsweise wenig.

Neben dem Windpark Straubenhardt mit elf Anlagen befindet sich ein weiterer Standort bei Simmersfeld (14 Anlagen). Ein einzelnes Windrad steht auf der Hornisgrinde – ein weiteres auf der Gemarkung der Gemeinde Sasbachwalden soll eigentlich hinzukommen. Doch das staatliche Prüfverfahren zieht sich seit 2020 in die Länge.

Unter dem Strich steht für vergangenes Jahr eine Null: Von den 25 Windrädern, die 2021 in Baden-Württemberg errichtet wurden, ist kein einziges zwischen Offenburg und Mannheim entlang der Rheinschiene entstanden. Natur- und Artenschutzauflagen, vergleichsweise hohe Investitionskosten und der Gegenwind von Bürgerinitiativen und Kommunen im Schwarzwald machen eine Projektumsetzung schwierig.

Landesregierung hat in den letzten Jahren eigene Ziele verfehlt

Dabei waren die Ausbauziele der Landesregierung durchaus ambitioniert. Zusammen mit der damals mitregierenden SPD hatte der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann vor rund zehn Jahren den Plan verkündet, bis 2020 etwa zehn Prozent des benötigten Stroms über heimische Windkraft zu produzieren – rund 1.200 neue Anlagen waren aus damaliger Sicht dazu nötig.

Das Ziel ist längst verfehlt. Ende 2021 stehen hierzulande 750 Windräder, Anfang 2020 lag der Anteil der Windkraft an der Stromerzeugung im Land laut Staatsministerium bei nicht einmal sechs Prozent. „Bei der Energiewende im Südwesten geht es nur mit Trippelschritten voran anstatt mit Siebenmeilenstiefeln“, kritisiert Jörg Dürr-Pucher von der Plattform EEBW, eine Interessengemeinschaft verschiedener Verbände im Land, die den Ausbau der regenerativen Energieerzeugung vorantreiben will.

Aufgrund des schleppenden Tempos der vergangenen Jahre muss es laut EEBW nun deutlich zügiger vorangehen: „In diesem Jahr mindestens 50 neue Windenergieanlagen. Bis 2025 muss der Zubau auf 100 Anlagen pro Jahr steigen, und auch danach muss es weitere Zuwächse geben.“ Laut Landesregierung sollen Photovoltaik und Windenergie im Jahr 2040 zusammen rund 70 Prozent des bis dahin gestiegenen Bruttostromverbrauchs in Baden-Württemberg decken.

Bei dem Mammutprojekt geraten mittlerweile auch Regionen in den Blickpunkt, die früher in Sachen Windkraft kaum Beachtung fanden. Denn mit dem Größenwachstum der Anlagen wird die „Windernte“ nun auch im Rheintal auf einmal lukrativ. So weist der Windatlas des Landes zwischen Bühl und Bruchsal große Flächen aus, bei denen die sogenannte mittlere gekappte Windleistungsdichte bei 250 bis 310 Watt pro Quadratmeter (W/m²) liegt. Ab 215 W/m² macht ein Windrad aus Sicht der Landesregierung Sinn.

Windkraft-Projekt in Rheinstetten lockt Investoren an

Die Stadt Rheinstetten sieht sich deshalb bestärkt, südlich des Epplesees den Bau von drei bis zu 250 Meter hohen Windrädern voranzutreiben. Damit wäre die Kommune auf einen Schlag der größte Windkraftstandort in der gesamten Tiefebene des Oberrheingrabens. Die Bevölkerung hat das Vorhaben bereits per Bürgerentscheid abgesegnet, läuft alles nach Plan, könnten sich Mitte 2025 die Rotoren drehen.

Oberbürgermeister Sebastian Schrempp kann sich durchaus vorstellen, dass das Projekt in Rheinstetten der Windkraft in der flachen Region Schub verleiht. 15 potenzielle Investoren interessieren sich laut dem Rathauschef für das Betreiben des Parks. „Die Windmessungen, die bei uns in der Region gemacht wurden, sind sehr vielversprechend“, sagt er.

Hinzu kommen andere gute Rahmenbedingungen. „Es muss kein Wald gerodet und keine Ausgleichsfläche geschaffen werden, die Bauarbeiten gestalten sich einfacher, auch was die Verlegung von Leitungen angeht.“ Unter dem Strich gleiche das die geringere Windausbeute in der Ebene wieder aus. Gut möglich, dass Windräder in ein paar Jahren auch das Erscheinungsbild der Rhein-Tiefebene prägen werden – so wie im Nordosten von Württemberg.

BNN und BT

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