Rhibani lehnt sich über den Billardtisch und setzt zum Stoß an. Hinter dem 14-Jährigen stehen seine fünf Freunde und tuscheln. Seit einigen Wochen kommen die Jungen im Alter zwischen zwölf und 16 Jahren wieder regelmäßig ins Kinder- und Jugendhaus nach Berghausen. Die Gewohnheit war schnell wieder da. Zumal es nach drei Lockdowns viel zu bereden gibt.
Von Dienstag bis Freitag ist ein Aktionsbus durch den Karlsruher Landkreis gefahren. Er steuerte sechs Jugendhäuser an. Von außen war der Kleinbus mit Plakaten beklebt – darauf schrieben die jungen Besucher ihre Ängste und Probleme, die sie in der Pandemie erlebten.
Die Aktion soll Kindern und Jugendlichen eine Stimme geben. Der Grund: Sie seien bisher nicht zu Wort gekommen, sagt Jenny Schiefer, Jugendreferentin des Landkreises Karlsruhe. „Jugendliche und Kinder waren die Verlierer der Pandemie, weil sie nicht gefragt wurden, was sie über die Beschränkungen denken.“ Es sei immer wieder über sie entschieden worden, aber niemals mit ihnen.
Das soll sich mit der Umfrage vom Landkreis Karlsruhe und der Arbeitsgemeinschaft Jugendfreizeitstätten Landkreis Karlsruhe (AGJF) jetzt ändern.
Jugendliche während der Corona-Pandemie: Der Kontakt zu Freunden fehlte
Sieben Fragen sollen Rhibani und seine Freunde beantworten – die stehen auf Plakaten am Bus. Etwa: „Wie hast du dich im Lockdown gefühlt?“ oder „Was wünschst du dir für den nächsten Lockdown?“
Ich wollte einfach nur mal mit meinen Freunden chillen.Rhibani (14), Jugendlicher aus Karlsruhe
Der 14-Jährige fühlte sich in der Krise öfters allein. „Ich wollte einfach nur mal mit meinen Freunden chillen“, sagt er. Im Jugendhaus könne er mit den Kumpels über das Alleinsein sprechen. Seit fünf Jahren kommt er ins Jugendzentrum, obwohl er nicht mehr in Berghausen wohnt. Seine Familie zog vor einigen Jahren nach Karlsruhe um.
Auch in der Schule war in den vergangenen Monaten alles anders. Im Fernunterricht kam er manchmal nicht mit, weil er den Stoff schneller erlernen musste. „Ich habe einfach nur versucht mitzuhalten“, sagt er und blickt zu seinen Freunden. Vor dem Coronavirus fürchtet sich Rhibani nicht. Deshalb schrieb er nur die Schulprobleme auf den Bus.
Außerdem stehen auf den Plakaten Wünsche wie „Kein Lockdown mehr!“ oder „Schulen auf lassen“, aber auch Alltägliches wie „Keine Internet Probleme“ und „Licht am Skaterpark“.
Aktionsbus in Pfinztal: Jugendarbeit ist Beziehungsarbeit
„Jugendzentren sind Orte, an die Jugendliche ohne Anmeldung kommen können“, sagt Schiefer. In der Krise habe sich das verändert. Die Jugendarbeiter durften nur einzelne Personen betreuen. „Ich fand den Lockdown schon wichtig, aber es wäre besser gewesen, wenn wir mehr Spielraum gehabt hätten“, sagt Schiefer. Konkret heißt das: mehr persönlichen Kontakt.
Mit Kindern und Jugendlichen kommt man nur über Spiele ins Gespräch. Sonst erzählen die einem nix.Gitta Stimpfig, Leiterin des Jugendhauses und Vorsitzende der AGJF
Im Lockdown sei dieser zu schlecht gewesen, um Schulprobleme oder etwa das Alleinsein zu erörtern. „Mit Kindern und Jugendlichen kommt man nur über Spiele ins Gespräch. Sonst erzählen die einem nix“, sagt Gitta Stimpfig, Leiterin des Jugendhauses und Vorsitzende der AGJF.
Distanz ist ein Problem, denn: Wer mit Jugendlichen arbeitet, müsse eine Beziehung zu ihnen aufbauen – als Stimpfig das sagt, fragt ein Junge, ob es noch alkoholfreie Cocktails gibt. „Da müsst ihr jetzt kurz etwas warten“, ruft sie ihm zu.
Jugendliche in Pfinztal wollen keinen weiteren Lockdown
Am Tresen sitzt derweil Noah und isst eine Pizza mit Käse. Der 15-Jährige aus Durlach ist das erste Mal im Jugendhaus. Die Aktion mit dem Bus findet er gut, weil er sich in der Pandemie oft im Abseits gesehen hat: „Ich denke, dass die Meinung von uns Jugendlichen vernachlässigt wurde. Nun können wir endlich mal sagen, was uns gestört hat.“ Genau das hat er auch auf ein Plakat geschrieben.
Andere Kinder wünschen sich, dass sich mehr Leute an die Corona-Regeln halten, sagt Schiefer. Nach einer knappen Stunde packt das Busteam wieder zusammen. „Wir stehen maximal eine Stunde, um Ansammlungen zu vermeiden.“
Was mit der Umfrage passiert, steht noch nicht fest. Im November soll es laut Gitta Stimpfig eine digitale Fachtagung geben. Dort wolle man über die Busumfrage sprechen.