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Leichtsinn fordert hohen Preis

Bahn und Polizei warnen: Immer wieder kommt es im Landkreis Karlsruhe zu Unfällen an Gleisen

Schnell mal über die Gleise: Nicht selten endet dieser Plan an oder vor Bahnhöfen mit einem Unglück. Auch in Pfinztal ist ein Mann erst kürzlich knapp einem Unfall entkommen. Die Deutsche Bahn und die Polizei wissen: Das ist kein Einzelfall.

11.03.2023 Pfinztal-Söllingen Bahnhof. Provisorischer Bahnübergang
Der provisorische Bahnübergang am Bahnhof Söllingen. Immer wieder nehmen Passagiere eine verbotene Abführung über die Gleise, ohne daran zu denken, mit welchem Tempo die Züge herangefahren kommen. Foto: Rake Hora /BNN

Der Vorfall ist denkbar knapp ausgegangen: Am Bahnhof in Pfinztal-Söllingen wurde ein Mann beinahe von einem Zug überfahren. Der 59-Jährige hätte eine verbotene Abkürzung über die Gleise um ein Haar mit seinem Leben bezahlt.

In letzter Sekunde konnte er sich in eine Nische zwischen Zug und Bahngleis drücken, hieß es im Polizeibericht. Anhalten hätte der Zug trotz eingeleiteter Schnellbremsung nicht mehr können.

Vom nahegelegenen Bahnhofskiosk Graf beobachtet Aushilfe Nora Schwedes regelmäßig, wie Menschen ihr Leben aufs Spiel setzen. Jetzt, da die Bauarbeiten in vollem Gange sind, halte sich tagsüber der eine oder andere Fahrgast zurück. Zumindest zwischen 7 und 16 Uhr, während die Bauarbeiter die Szenerie beobachten.

„Danach macht wieder jeder, was er will“, sagt Schwedes. Sie habe sogar beobachtet, wie abends Bauzäune zur Seite geschoben wurden oder eine Frau einen Kinderwagen samt Kleinkind über die Gleise getragen habe.

Was lässt die Menschen ein solches Risiko eingehen? Die Motive für das unerlaubte Überqueren von Gleisen unterscheiden sich laut Bundespolizei je nach Stelle.

Auf freien Strecken sind meistens die Stellen prädestiniert, die der Abkürzung eines Weges dienen.
Dieter Riese, Bundespolizeidirektion Karlsruhe

„Im Bahnhof möchten die Reisenden vielleicht ihren Anschlusszug erreichen und benutzen den gefährlichen Weg über das Gleis“, sagt Dieter Riese von der Bundespolizeiinspektion Karlsruhe.

„Auf freien Strecken sind meistens die Stellen prädestiniert, die der Abkürzung eines Weges dienen.“ Dies sei insbesondere der Fall, wenn Unterführungen, Brücken oder Ähnliches zum Passieren der Gleise nicht in unmittelbarer Nähe seien.

Nur wenige Gleisüberquerer werden auf frischer Tat erwischt

Wie oft Menschen zwischen Dettenheim und Walzbachtal widerrechtlich Gleise überqueren, können weder die Bundespolizeidirektion Karlsruhe noch die Deutsche Bahn (DB) genau sagen. Denn nur in den wenigsten Fällen bekommen es die Beamten mit.

Die Zahl der tödlichen Unfälle im Zuständigkeitsgebiet der Bundespolizeidirektion Karlsruhe hingegen bewegt sich im unteren zweistelligen Bereich, so Riese. Aber: Die betroffenen Personen haben immer Gleise überquert oder sich im Gleisbereich aufgehalten.

Ein Blick ins BNN-Archiv zeigt: Ein Einzelfall ist das Beinahe-Unglück von Söllingen nicht. Im Mai vergangenen Jahres beschwert sich eine Leserin über Menschen, die in Söllingen immer wieder die Abkürzung über die Gleise nehmen. Der Grund: Der Bahnübergang ist gesperrt, die Behelfsbrücke auf die andere Seite nutzt kaum jemand.

Im Februar wird eine 25-Jährige beinahe am Bahnhof Durlach von einem einfahrenden Interregio-Express erfasst. Die junge Frau war über die Gleise gelaufen und dabei gestürzt.

Im Juli 2022 erwischt es beinahe eine 14-Jährige in Ubstadt-Weiher. Sie kann in letzter Minute auf den Bahnsteig klettern, die vorbeifahrende Bahn streift nur ihren Fuß. Das Mädchen erleidet Prellungen.

Tödlich enden hingegen zwei Fälle in Gernsbach und Wiesloch. Im Februar 2022 kommt eine 55 Jahre alte Frau beim Überqueren von Gleisen am Bahnhof Gernsbach ums Leben. Bereits ein Jahr zuvor hatte es dort ebenfalls einen tödlichen Unfall gegeben.

Am 19. Januar stirbt eine 20-Jährige kurz vor dem Bahnhof Wiesloch-Walldorf. Gemeinsam mit ihrem Freund soll sie auf den Gleisen unterwegs gewesen sein, um Fotos zu machen.

Deutsche Bahn und Bundespolizei wollen mit Videos aufklären

Damit Derartiges künftig nicht mehr passiert, investiert die Deutsche Bahn nach eigenen Angaben viel in Prävention. „Jeder dieser Unfälle ist einer zu viel“, sagt eine Bahnsprecherin auf Anfrage. Gemeinsam mit der Bundespolizei veröffentlicht die DB deshalb Aufklärvideos, die auf verschiedene Konstellationen und ihre Risiken aufmerksam machen sollen.

Ein Video auf den Social-Media-Kanälen der DB etwa warnt vor der Gefahr beim Sprühen von Graffiti in Bahnanlagen. In eindringlichen Bildern zeigt es zwei Jugendliche, die übermütig ans Werk gehen. Plötzlich ein helles Licht, ein Zug rauscht heran. Die verbeulte Spraydose lässt nur erahnen, was mit den eben noch fröhlichen Jugendlichen passiert ist.

In einem anderen Video geht ein Jugendlicher mit einem Ball durch seinen Heimatort. Leichtfüßig nimmt er jedes Hindernis, bis er auf der anderen Seite eines Bahngleises seine Freunde stehen sieht. Als er das Gleis überqueren will, erfasst ihn ein Zug.

Bundesweit klären zwölf Präventionsexpertinnen und -experten der DB über die Gefahren rund um Bahnanlagen auf. In Baden-Württemberg ist ein Team in Stuttgart angesiedelt. Schulen können sich über ein Kontaktformular für eine Informationsveranstaltung anmelden.

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