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Gemeinderat verweigert Zustimmung

Gegner der Erweiterung des Zementwerks in Wössingen setzen sich durch

Das Wössinger Zementwerk darf sein Abbaugelände nicht erweitern. Der Walzbachtaler Gemeinderat verweigerte mit großer Mehrheit die Zustimmung schon zum ersten Schritt.

Opterra Umweltleiter Jörg Heimburg (weißes Hemd) diskutierte am Eingang der Böhnlichhalle mit den Protestierenden.
Opterra Umweltleiter Jörg Heimburg (weißes Hemd) diskutierte am Eingang der Böhnlichhalle mit den Protestierenden. Foto: Arnd Waidelich

Das Wössinger Zementwerk darf sein Abbaugelände nicht erweitern. Der Walzbachtaler Gemeinderat verweigerte mit großer Mehrheit die Zustimmung schon zum ersten Schritt. Die beantragten Probebohrungen, mit denen das Werk im Sulzweg und im Grundreisig nach geeignetem Gelände für den weiteren Kalksteinabbau suchen will, wurden mit zwölf gegen fünf Stimmen abgeschmettert.

Lediglich die zweiköpfige FDP-Fraktion stimmte dafür. Dagegen votierten SPD und Grüne „einmütig“ so betonten beide wohl deshalb, weil es bei der CDU-Fraktion kein einhelliges Abstimmungsbild gab.

Die Gemeinderäte waren sich durchaus bewusst, dass sie vor einer historischen Entscheidung standen, die zumindest für das Bild des Ortsteils Wössingen weitreichende Folgen gehabt hätte. Andrea Zipf (Grüne) unterstrich diese Bedeutung mit dem mehrheitlich gebilligten Antrag, die Abstimmung möge namentlich erfolgen – ein in der Geschichte des Walzbachtaler Gemeinderats beispielloses Verfahren.

Protest gegen die Zementwerkserweiterung in Wössingen schon vor der Sitzung

Schon mit der ersten Wortmeldung machte der Bürgermeister deutlich, dass der Antrag mit Gegenwind zu rechnen haben werde. Nach langer Abwägung könne er sich den Abbau im Wald nicht vorstellen. Er werde gegen die Erkundungsbohrungen votieren, kündigte Timur Özcan (SPD) an.

Schon vor der Sitzung hatte es am Eingang der Böhnlichhalle deutlichen Protest gegen das Vorhaben gegeben. Eine stattliche Gruppe von Gegnern ließ die ankommenden Gemeinderäte Spalier laufen entlang großformatiger Plakate unter dem Motto „Wälder statt Gelder“ oder „Wald statt Asphalt“.

Zusammen mit 50 Besuchern brachten sie die Böhnlichhalle unter den Abstandsregelungen der Pandemie an ihre Grenzen. Sie hielten sich auch nicht mit Unmutsbezeugungen oder Jubelrufen bei positiven oder ablehnenden Stellungnahmen zurück.

Die CDU-Fraktionsvorsitzende Jutta Belstler eröffnete die Diskussion mit einem eindeutigen Nein. Diese Entscheidung bewertete sie als eine der bedeutsamsten ihrer 27-jährigen Gemeinderatstätigkeit. „Sie hat vielfältige Auswirkungen auf das Lebensumfeld unserer Kinder“, meinte sie und wies auf den mondlandschaftsartigen Charakter des aktuellen Abbaugebiets hin. Sie wolle nicht zulassen, dass das Werk weitere intakte Natur in Angriff nehme.

Wer sich über die Rodung des brasilianischen Regenwaldes empöre, der dürfe nicht ja sagen zu Rodungen großer Teile alter, wertvoller Baumbestände. Geradezu grotesk wirke es auf sie, wenn die Gemeinde ein Aufforstungsprogramm umsetze und der Gemeinderat sich im Gegenzug für die Rodung weitaus größerer Waldflächen aussprechen solle.

CDU stimmt Bohrungen grundsätzlich zu

Für die Mehrheit der CDU-Fraktion formulierte Martin Sulzer die grundsätzliche Zustimmung zu den Bohrungen: Die Gemeinde bleibe Herr des Verfahrens. Alle weiteren Schritte müssten mit ihr abgesprochen werden. Der Antrag gebe gleichzeitig die Möglichkeit zu Gesprächen über die Geschwindigkeit der Renaturierung.

Wie Jutta Belstler und später auch Silke Meyer für die SPD wies Andrea Zipf für die Grünen darauf hin, dass das Zementwerk ein Viertel des Trinkwassers der gesamten Gemeinde in Anspruch nehme. Jetzt solle ausgerechnet der Trinkwasser speichernde Wald angegangen werden, in dem das flächenhafte Naturdenkmal Hungerquelle mit dem Landschaftsschutzgebiet Waldwiesen liege.

Bei einem relativ niedrigen Marktanteil von Opterra an der bundesrepublikanischen Zementproduktion könne auch ohne den Wössinger Zement weiter gebaut werden. Im Gegensatz zu den Vorfahren, die vor 70 Jahren die Genehmigung zum Abbau erteilt haben, könne man jetzt die Auswirkungen auf die Umwelt abschätzen. Selbst für das Argument Gewerbesteuer dürfe man den Wald nicht verkaufen, „denn eine intakte Natur ist unbezahlbar“.

Eingriff in die Natur wäre für viele Gemeinderatsmitglieder zu groß

Die 70-jährige Geschichte des Werks, Arbeitsplätze, Gewerbesteuer und Investitionen in den Umweltschutz waren für die SPD-Fraktionssprecherin Silke Meyer nicht ausreichend für ein Votum für die Probebohrungen. Zu groß sei der drohende Eingriff in die Natur, die weiterhin nicht unerheblichen Emissionen aus den Schornsteinen, zu schmerzlich der Verlust des Waldes als CO2-Speicher und Naherholungsgebiet.

Obwohl Dutzende von Jahren ins Land gegangen seien und vom Werk immer wieder auf die Renaturierung verwiesen werde, sei die gesamte Fläche seit den 50er Jahren für die Bevölkerung gesperrt und könne nicht für Spaziergänge genutzt werden. Bei der Ortsbesichtigung habe die fehlende Renaturierung erschreckt.

Werner Schön (FDP) wies hingegen auf die 70 Jahre dauernde gute partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Zementwerk hin. Das Werk gebe mit seinem Emissionsbericht immer wieder umfangreich Auskunft und wende neueste Techniken an. Der Wald sei ein nachwachsender Rohstoff, Kalkstein hingegen nicht.

Bei der Bewertung seien zum Teil falsche Argumente ins Feld geführt worden, schrieb Opterra Zement am Dienstag in einer Pressemitteilung. So habe die Gemeinde auch nach den Erkundungsbohrungen die Möglichkeit, einen potenziellen neuen Steinbruch abzulehnen. Durch Ersatzaufforstungen und zeitnahe Wiederbewaldung gehe kein wertvoller Wald verloren und die Gemeinde verfüge zugleich über zusätzliche Pachteinnahmen.

Zukünftig erforderliche Investitionen, seien mit Aufwendungen in dreistelliger Millionenhöhe verbunden. Dazu benötige Opterra jetzt Investitionssicherheit, was gleichbedeutend mit dem Zugriff auf Kalksteinreserven sei. „Die kommenden Monate werden wir nutzen, um alternative Konzepte zu entwickeln, wie die Zukunft des Werks gesichert werden kann. Weiterhin laden wir alle Interessierten zu einem offenen und konstruktiven Dialog ein“, so Werkleiter Stephan Schenk.

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