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50. Geburtstag am Neujahrstag 2021

Walzbachtal wird 50: Die Mehrheit in Wössingen war gegen die Fusion

Am Neujahrstag 2021 sind Wössingen und Jöhlingen 50 Jahre zu Walzbachtal vereinigt. Nachdem die Ratsgremien beider Gemeinden weder Weingarten noch Bretten zugeteilt werden wollten, wurde die Zweierlösung innerhalb weniger Wochen ausgehandelt.

Modernes Gebäude
Die moderne Verwaltungszentrale: Im Neubau an der Wössinger Straße laufen die verwaltungstechnischen Fäden für die jetzt 50 Jahre alte Gemeinde Walzbachtal zusammen. Dort führt Timur Özcan seit 2019 die Geschäfte. Foto: Arnd Waidelich

Die Zusammenarbeit über den Abwasserzweckverband hätte die Gemeindereform schon andeuten können. Aus heutiger Sicht hätte diese Kooperation zwischen Weingarten und Jöhlingen ein Hinweis sein können.

Beide Gemeinden haben damals, 1966, zum ersten Mal über ihren Tellerrand hinausgeschaut und die erste interkommunale Zusammenarbeit gegründet. Die noch immer funktioniert. Mehr ist daraus jedoch nicht geworden. Die Kommunalreform schob der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Hans Filbinger erst 1967 an.

Im März 1968 brachte die Landesregierung das Gesetz auf den Weg, das die rechtlichen Grundlagen schuf, um die Verwaltungskraft kleinerer Gemeinden zu stärken. Man wollte größere und leistungsfähigere Verwaltungseinheiten.

Weingarten war für Jöhlingen keine Option

Der Jubel war verhalten. Jöhlingen und Wössingen entwickelten seinerzeit ihre Flächennutzungspläne, ohne allzu sehr auf den Nachbarn zu achten, berichtet Karl-Heinz Burgey aus seinen historischen Recherchen. Neue Sichtweisen eröffnete die in einem Erlass des Regierungspräsidiums Nordbaden (heute Karlsruhe) vermerkte Verwaltungseinheit Weingarten.

„Jöhlingen lehnte im März 1970 einen Zusammenschluss mit Weingarten strikt ab“, berichtet der Vorsitzende des Heimatvereins Walzbachtal und frühere Walzbachtaler Bürgermeister. Wössingen bekräftigte kaum zwei Wochen später seinen klaren Wunsch nach weiterer Selbstständigkeit.

Älteres Flachdachgebäude
Das alte Rathaus: Das Gebäude wurde kurz vor der Gemeindefusion bezogen und dient fortan als Verwaltungsstelle für die neue Kommune, die zum 1. Januar 1971 gebildet wurde. Foto: Arnd Waidelich

Gleichzeitig gab es Ideen, eine Raumschaft Bretten zu bilden, in die Wössingen eingebunden werden sollte. Was dort auf wenig Gegenliebe stieß. Mit der Raumschafts-Idee waren gemeinsame Bauleitplanung oder Schulentwicklung verbunden.

Nachbar-Bürgermeister sondieren die Möglichkeiten

„Spannend wird es am 22. April 1970“, erzählt Burgey. Nach seinen Erkenntnissen setzten sich an jenem Tag die beiden Nachbar-Bürgermeister zusammen, Friedrich Protz (Jöhlingen) und Adolf Schmidt (Wössingen): „Aus dem Gesprächsprotokoll geht unter anderem hervor, dass die beiden Bürgermeister einen Zusammenschluss von Weingarten, Jöhlingen und Wössingen als nicht zweckmäßig betrachteten. Man setzte darauf, Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zu prüfen.“

Etwa in der Form einer Verwaltungsgemeinschaft, die dann in eine Fusion münden könnte. Es gab ja durchaus strukturelle Verbindungen.

Der 5. November 1970 wurde zu einem historischen Datum.
Karl-Heinz Burgey, Ex-Bürgermeister von Walzbachtal

Beide Gemeinderäte beauftragten ihre Bürgermeister zu weiteren Verhandlungen. Dabei festigten sich vorherige Erfahrungen: „Jöhlingen wollte nicht mit Weingarten, obwohl der Zweckverband gut lief“, sagt Burgey. Wössingen wollte nicht zu Bretten. So wurde, „der Not gehorchend“, weiter mit Blick auf eine Zweierlösung verhandelt.

„Der 5. November 1970 wurde zu einem historischen Datum“, berichtet Burgey weiter: „Landrat Joseph Groß kam zu Besuch. Er führte in beiden Gemeinden Gespräche und warb dabei für den freiwilligen Zusammenschluss, der mit einer stattlichen Förderung von 3,8 Millionen D-Mark verbunden sei.“ Und: „Dabei wurde der 1. Januar 1971 als Tag der Fusion vereinbart.“

Fusionsvertrag enthielt zehn Paragrafen

Dann ging alles ganz schnell: „Wenn man in den alten Dokumenten liest, war das geradezu atemberaubend“, stellt Burgey fest. Gerade mal eine Woche nach dem Landratsbesuch wurden die Einwohner der beiden Dörfer informiert und das Protokoll des Besuchs wurde veröffentlicht.

Es folgten wöchentliche Treffen, bei denen es um den gemeinsamen Ortsnamen ging, um den Verwaltungssitz (der wurde Wössingen, weil dort gerade ein neues Rathaus bezogen worden war), um die Verwaltungsstruktur, um Vorhaben und anderes mehr. „In nur sechs Wochen war alles ausgehandelt, und der Fusionsvertrag mit zehn Paragrafen formuliert, nach denen die Gemeindeentwicklung vorangehen sollte“, so Burgey.

Ja, bestätigt der ehemalige Bürgermeister, er sei mit Begeisterung in das Thema eingetaucht. Es habe richtig Spaß gemacht, in alten Akten und alten Zeitungsberichten zu lesen. „Es war beeindruckend, wie klar und sauber die Ziele definiert wurden.“

Aus denen sich eine Gemeindeentwicklung ableitete, die der neuen Kommune unabhängig von den größeren Nachbarn eine funktionierende Selbstständigkeit verschaffte, „obwohl die Neugründung damals nur 7.000 statt der gewünschten 8.000 Einwohner hatte“, meint Burgey.

Wössinger Bürger lehnen die Fusion ab

Und der Vollständigkeit halber: Am 11. Dezember gab es in beiden Orten je eine Bürgerversammlung, am 20. Dezember folgte die Bürgeranhörung mit 70 Prozent Zustimmung bei 52 Prozent Beteiligung in Jöhlingen sowie 42 Prozent Zustimmung zur Fusion bei 71 Prozent Beteiligung in Wössingen.

Das letzte Wort hatten die Gemeinderäte: Einstimmigkeit zum Zusammenschluss gab es in Jöhlingen, in Wössingen endete das Votum mehrheitlich mit neun Ja- zu vier Nein-Stimmen. Zwei Tage später kam die Bestätigung aus der Landeshauptstadt.

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