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Unterschiedliche Beispiele

Wie Walzbachtal und Bad Herrenalb mit der Flüchtlingsbetreuung umgehen

Die Aufnahme von Flüchtlingen ist eine Herkulesaufgabe. Dass es nicht überall optimal läuft, hat ein Brandbrief des Arbeitskreises Asyl deutlich gemacht.

Vielen Menschen in einem Raum, eine Frau hält ein Kleinkind auf einem Arm.
In Bad Herrenalb kümmert sich der Arbeitskreis Asyl um die Ukrainer. Gruppenangebote sollen helfen, den Krieg zu vergessen. Foto: Stefan Jehle

„Die Gita ist wie unsere Mutter“, ruft eine der Frauen im Bad Herrenalber Gemeindesaal. Die Gruppe, die sich am Samstag im Gemeinschaftsraum der Evangelischen Kirche im Stadtkern von Bad Herrenalb trifft, wirkt bunt zusammen gewürfelt und kommt aus allen Ecken des vom Krieg gebeutelten Landes: Es sind Frauen aus Charkiw, Odessa, Doneczk – auch aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew.

Sie singen traditionelle Lieder aus ihrer Heimat. Die junge Margaritha erzählt: „Der Bruder und die Männer der Familie sind im Krieg, im Einsatz an der Front.“ Einer der Männer wird seit Wochen vermisst, kein Lebenszeichen gibt es.

Helferin in Bad Herrenalb ist nonstop im Einsatz

Gita Magonite, die russisch – und zusehends auch der ukrainischen – spricht, ist die wichtigste Ansprechpartnerin für die Ukrainer in Bad Herrenalb. Mit der Folge, dass die 63-Jährige oft bis zwölf Stunden am Tag arbeitet, auch samstags und sonntags. Gita gilt für viele in der Kurstadt als „ein Engel des Alltags“. „Manchmal fühle ich mich, als wenn ich 200 Kinder hätte“, sagt sie und schmunzelt.

In Bad Herrenalb, der Kurstadt im Kreis Calw mit etwa 7.500 Einwohnern, gibt es keine offizielle Anlaufstelle für Ukrainer. Der Arbeitskreis Asyl, der schon 2015 aktiv war, hat sich bereiterklärt, anstehende Aufgaben zu übernehmen.

Bis zu 200 Ukrainer waren es in Spitzenzeiten, die hier wohnten – derzeit sind etwa 120 gemeldet. Der pensionierte Lehrer Gerhard Geschwill hatte seit Frühjahr mehr als 30 Wohnungen für die privat angereisten Ukrainer – überwiegend Frauen, dazu die Kinder – organisiert.

Die Verwaltung macht halt das was sie muss, aber nicht mehr.
Carmen Bartle, AK Asyl in Bad Herrenalb

Sprecherin im Arbeitskreis Asyl ist Carmen Bartle, von Beruf die kaufmännische Leiterin eines Unternehmens. „Mit den Ukrainern gibt es eine große Solidarität in der Bevölkerung“, sagt sie. Für Bartle selbst gab es im März kein Zögern, für die Kriegsflüchtlinge Hilfe anzubieten.

Alle Ukrainer seien in Privatwohnungen untergebracht. Die Mietverhältnisse wurden weit überwiegend von Gerhard Geschwill angebahnt. Von der Stadt bekommt der Helferkreis da eher wenig Unterstützung. „Die Verwaltung macht halt das was sie muss, aber nicht mehr“, sagt Bartle. Deshalb schrieb sie kürzlich einen Brandbrief an den Bürgermeister und die Gemeinderäte.

In Walzbachtal ist Hilfe zur Chefsache avanciert

Szenenwechsel: In die Gemeinde Walzbachtal – etwa 35 Kilometer weiter nördlich gelegen, im benachbarten Landkreis Karlsruhe, ist niemand bis zur Belastungsgrenze eingespannt. Hier arbeiten die Gemeinde und der neu gebildete Helferkreis „Walzbachtal hilft“ Hand in Hand zusammen.

Ein Mann steht neben einer Werbetafel „Eine perfekte Verbindung - Walzbachtal“
Walzbachtals Bürgermeister Timur Özcan hat in der Flüchtlingskrise frühzeitig die Weichen gestellt. Foto: Stefan Jehle

Der vor drei Jahren ins Amt gewählte junge Bürgermeister Timur Öczan (SPD) machte die Krise, deren Ausdruck die ankommenden Flüchtlinge sind, von Anfang an zur Chefsache.

Am 26. März kam der erste Bus mit Geflüchteten im Ortsteil Wössingen an, 25 Leute waren im Bus – vier weitere in einem privaten Auto.

Die Gemeinde selbst kümmerte sich um Wohnungen – und tut das bis heute. Die Zahl der ukrainischen Flüchtlinge ist seit März von 51 auf 113 Anfang November gestiegen, 103 sind aktuell gemeldet – 222 Flüchtlinge gibt es insgesamt in Walzbachtal, mit denen aus anderen Herkunftsländern.

Aktuell hat die Gemeinde acht Objekte, fünf Wohnungen und drei Häuser angemietet – und bietet da Sicherheit auch für Vermieter.

Ohne Rathaus geht das Anmieten von Objekten nicht lange gut.
Timur Özcan, Bürgermeister in Walzbachtal

Der 31-jährige Bürgermeister geht davon aus, dass ein Teil der Leute langfristig bleibt, andere in Nachbargemeinden ziehen oder wieder zurückkehren. „Ohne Rathaus geht das Anmieten von Objekten nicht lange gut“, sagt Öczan, auch wenn die Gemeinde „sich das eigentlich finanziell nicht leisten kann“. Ihm ist aber wichtig, eine Unterbringung in Sammelunterkünften zu vermeiden.

Eine Sozialarbeiterin der Gemeinde kümmert sich um die Flüchtlinge – ein Mitarbeiter des Technischen Bereichs schaut, wenn es Probleme in der Wohnungsausstattung gibt. Walzbachtal hat auch, anders als die Stadt Bad Herrenalb, wiederholt Flüchtlinge zugewiesen bekommen vom Landkreis.

Schulterschluss mit der Verwaltung

Beate Hettich, Sprecherin von „Walzbachtal hilft“, sieht einen „guten Schulterschluss“ mit der Gemeinde. Diese kümmere sich „sehr gut, sei auch in der Wohnungs-Akquise sehr rührig“. Allein die Helfergruppe, die derzeit aus etwa zehn Aktiven besteht, „könne das nicht leisten“. Hettich sagt: „Wir wollen mit Augenmaß helfen, damit, was den Ukrainern gut tut, wollen präsent sein, aber nichts überstülpen.“

In Bad Herrenalb hatte sich der Arbeitskreis Asyl mehrfach bemüht, die ehrenamtliche Arbeit von Gita Magonite in eine halbe bezahlte Stelle umzuwandeln. Die Anfragen bei der Stadt waren vergebens. Mit dem Gespräch beim Bürgermeister sei jetzt zumindest „ein Minijob“ zugesagt, auf 450-Euro-Basis, sagt Carmen Bartle.

Ganz anders der Ansatz in Walzbachtal – nicht nur dass die Hilfe dort zur Chefsache wurde. Timur Öczan, der Bürgermeister, hatte sich noch im Studium in Ludwigsburg zeitweilig selbst in einem Helferkreis für Flüchtlinge engagiert. „Das hat mich geprägt“, sagt er.

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