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Pflegekinderhilfe sucht dringend Freiwillige

Pflegefamilie aus Karlsruhe hat auch in kritischen Situationen nie an ihrer Mitmenschlichkeit gezweifelt

Johanna und Oliver G. haben sich vor fünf Jahren entschieden, eine Pflegefamilie zu werden. Zu ihrem Pflegesohn Leon kam vor kurzem noch Baby Paul hinzu. Über ihre Erfahrungen haben sie mit den BNN gesprochen.

Schattenriss von einer Familie vor einem Sonnenuntergang
Geborgenheit gesucht: Die Pflegekinderhilfe des Kreisjugendamtes Karlsruhe sucht dringend Pflegeeltern. Johanna und Oliver G. aus Karlsruhe haben neben ihrem leiblichen Sohn zwei Pflegekinder in Dauerpflege. Der Jüngste ist gerade mal fünf Monate. Foto: Christian Charisius/dpa

„Das ging ruckizucki, da muss man spontan sein”, erzählt Johanna G. im Gespräch mit den BNN. Paul (Name von der Redaktion geändert) wurde an einem Dienstag geboren. Tags darauf meldete sich Laura Klotz von der Pflegekinderhilfe des Kreisjugendamtes Karlsruhe bei den Pflegeeltern, ob sie den Säugling aufnehmen könnten.

Viel Zeit zu überlegen hatten sie nicht, aber es war schnell klar: Ja, sie wollen. Drei Tage nach der Geburt holten Johanna G. und ihr Mann Oliver den kleinen Paul ab. Heute ist er fünf Monate alt, ein aufgewecktes Kerlchen, das bei seiner Pflegemama auf dem Schoß sitzt. Seine Pflege ist von Beginn an als Dauerpflege angedacht, was relativ selten bei so kleinen Kindern ist.

Schon vor Pauls Geburt war klar, dass seine leibliche Mutter ihn nicht aufziehen kann. Sie leidet an einer psychischen Erkrankung und begibt sich nicht in Behandlung. Der Vater ist unbekannt. Deswegen wurde der Säugling zeitnah in Obhut gegeben. Einen Umgangskontakt hat er nur zur Großmutter, die Mutter hält sich zwischenzeitlich nicht mehr in Deutschland auf. Eine Perspektive, wann sie zurückkommt, hat die Pflegekinderhilfe nicht.

Eigener Kinderwunsch blieb Pflegemutter verwehrt

Paul ist nicht das einzige Pflegekind in der Familie G. Neben ihrem leiblichen Sohn Ben (elf Jahre) lebt auch seit fünf Jahren Pflegesohn Leon (zehn Jahre, Name von der Redaktion geändert) bei ihnen. „Als Ben in die Schule kam, hatte ich wieder mehr Zeit”, erzählt Johanna G., wie sie und ihr Mann damals die Entscheidung trafen, eine Pflegefamilie zu werden. „Ich hätte gerne mehr Kinder gehabt, aber das hat nicht geklappt”, sagt die 39-Jährige.

Man wird schon durchleuchtet
Oliver G. über die strenge Eignungsprüfung für Pflegeltern

Nach einem ersten Kontakt zum Jugendamt sei ihnen einiges abverlangt worden: polizeiliches Führungszeugnis, eine Einschätzung des Hausarztes, Formulare und ein Blick auf die eigene Familiengeschichte und -situation. „Man wird schon durchleuchtet”, sagt Oliver G.. Nach einem dreiviertel Jahr kam Leon zu ihnen – erst tageweise, dann auch mal über Nacht, schließlich ist er bei der Familie eingezogen. Das ist mittlerweile fünf Jahre her.

Schon so manche Zerreißprobe überstanden

Ben, der leibliche Sohn der Familie, wurde in die Entscheidung und den Prozess Pflegefamilie zu werden, immer mit einbezogen. „Wir haben mit ihm geredet, ob er sich das vorstellen kann, da haben wir offen darüber gesprochen”, erzählt Mutter Johanna. Pflegesohn Leon hat regelmäßig Kontakt zu seiner leiblichen Familie.

Wenn ich nochmal Gemüse essen muss, geh ich in eine andere Familie.
Leon, Pflegekind

„Das ist manchmal ein Spannungsfeld”, sagt sie. Denn bei manchen würden andere Regeln gelten. Da stelle sich Leon oft die Frage: „Warum darf ich das hier nicht.” Oder er spiele seine familiäre Situation aus: „Wenn ich nochmal Gemüse essen muss, geh ich in eine andere Familie”, habe er auch schon mal gesagt.

In eine andere Familie wäre für Johanna und Oliver G. emotional nur schwer vorstellbar. Von Leons Großvater sei einmal die Anfrage gekommen, seine Pflege zu übernehmen. „Die Nachricht erreichte uns im Urlaub. Das war ein Schock”, erzählt Mutter Johanna. Die Großelternpflege kam aber nach einem bereits gescheiterten Versuch für das Jugendamt nicht mehr in Frage.

Nicht alle Kinder sind bei den Pflegeeltern geblieben

Die Frage, ob sie je Zweifel an ihrer Entscheidung hatten, Pflegefamilie zu werden, beantworten Johanna und Oliver G. klar mit Nein. Mit Leon habe alles gepasst. „Jedes Kind fordert einen auf die ein oder andere Art”, sagt Johanna. Kritische Situationen gab es aber durchaus. So hatten sie ein Mädchen in Pflege, mit der es „nur gekracht und geknallt” habe. Die Konkurrenz mit den Jungs war zu groß.

Das war schwer, man baut ja sehr schnell eine emotionale Bindung auf
Oliver G. über die Erfahrung, die Betreuung eines Kindes wieder abzugeben

„Das merkt man relativ schnell, ob es passt”, erklärt Vater Oliver. Die Großeltern hätten schließlich das Kind aufgenommen. Auch ein Baby war schon in der Familie. Das konnte allerdings nach drei Monaten wieder zur leiblichen Mutter zurück. „Das war schwer, man baut ja sehr schnell eine emotionale Bindung auf”, erzählt Oliver. Der 52-Jährige und seine Frau könnten deshalb auch keine Bereitschaftspflege machen: „Da braucht man eher Distanz.”

Eine Adoption durch Pflegefamilien ist ein Ausnahmefall. Pro Jahr gibt es beim Kreisjugendamt durchschnittlich nur ein bis zwei Adoptionen. „Wenn die Eltern fragen würden, würden wir nicht Nein sagen”, stellen Johanna und Oliver klar, dass es zwar nicht ihr vorrangiger Wunsch sei, ihre Pflegekinder zu adoptieren, aber durchaus eine Option.

Viele im Familien- und Bekanntenkreis seien beeindruckt, was sie leisten. Vater Oliver rät Familien, die sich vorstellen können, ein Pflegekind aufzunehmen: „Man sollte nicht so viel Angst haben und sich nicht so viele Gedanken machen. Schwierigkeiten kann es auch mit eigenen Kindern geben.”

Pflegeeltern gesucht

Die Pflegekinderhilfe des Kreisjugendamtes Karlsruhe sucht geeignete Pflegefamilien, die Kindern oder Jugendlichen für eine begrenzte Zeit oder auf Dauer ein Zuhause in einem familiären Rahmen bieten können. Gesucht werden Pflegeltern, die

  • Freude am Zusammenleben mit Kindern oder Jugendlichen haben
  • belastbar und geduldig im Umgang mit Kindern oder Jugendlichen sind
  • bereit sind, sich auf ein besonderes Kind oder Jugendlichen mit herausfordernden Verhaltensweisen einzulassen
  • in einer stabilen Lebenssituation und in gesicherten materiellen Verhältnissen leben
  • ausreichend Platz und Zeit für ein Kind oder Jugendlichen haben
  • offen mit der Pflegekinderhilfe des Jugendamts kooperieren
  • bereit sind, mit den Eltern zusammen zu arbeiten und den regelmäßigen Kontakt mit diesen unterstützen

Eltern, aber auch Paare ohne Kinder und Alleinstehende können Pflegeeltern werden. Sie werden durch das Jugendamt in einem Bewerberprozess auf ihre Aufgabe vorbereitet und begleitet. Bei Interesse an der Aufnahme eines Pflegekindes steht Laura Klotz als Ansprechpartnerin unter Telefon (0721) 93669590 zur Verfügung.

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