Im Alltag rutschen sie oft in die Rolle der Exotinnen – und auch in deutschen Hörsälen sind sie immer noch eine Minderheit: Physikerinnen. Von diesem Donnerstag bis zum Sonntag treten sie in Karlsruhe jedoch in geballter Stärke auf: Rund 280 Frauen werden zur Deutschen Physikerinnentagung in die Fächerstadt kommen.
„Es ist einfach ein tolles Gefühl, mal in der Menge zu sein und nicht aufzufallen – und sich einfach mit Anderen auszutauschen, die Freude an Physik haben“, sagt Milada Margarete Mühlleitner gut gelaunt. Die 51-Jährige forscht als Professorin für Theoretische Physik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und ist Tagungsleiterin des großen Treffens.
Programmier-Workshop und Vortrag über den Code des Universums
Junge Frauen aus ihrer Branche fühlten sich auch heute oft wie auf dem Präsentierteller, wenn sie sich bei Kongressen zu Wort meldeten, sagt Mühlleitner. „Dadurch, dass wir nur 20 Prozent Studienanfängerinnen haben, sind die Frauen immer noch eine Randgruppe.“ Deshalb wirke ein solches Physikerinnen-Treffen beflügelnd.
Gezielt wollen die Forscherinnen auch Mädchen der Klassen 9 bis 13 für ihre Naturwissenschaft begeistern. Am Samstag gibt es ein Schülerinnen-Programm – mit einem Programmier-Workshop und mit Vorträgen über Geophysik und das Thema: „Mit Teilchenbeschleunigern dem Code des Universums auf der Spur“.
KIT-Professorin: Deutsche kokettieren oft mit Physik-Schwäche
Beim Crêpe-Essen mit der Physik-Fachschaft können sich die Jugendlichen mit Studentinnen unterhalten und mehr übers Physik-Studium erfahren. „Wir müssen sehr früh ansetzen, um die Liebe zu Technik und Naturwissenschaft zu fördern“, sagt Mühlleitner.
Leider stagniere die Frauenquote im Studienfach Physik hierzulande. Andere Länder, wie etwa Frankreich, seien da viel weiter. Mühlleitner führt die Berührungsangst vieler Mädchen auf die spezielle deutsche Mentalität zurück.
Die Idee vom Volk der Dichter und Denker sei tief verankert. Der Gesellschaft sei immer noch zu wenig bewusst, dass Technik und Naturwissenschaften ihre Lebensgrundlagen sind. Der Stolz auf diese Branchen fehle.
„Wenn ich erzähle, dass ich Physikerin bin, kokettieren Gesprächspartner immer wieder damit, dass sie Physik nicht verstehen und darin schlecht in der Schule waren“, erzählt Mühlleitner. Und die Selbstzweifel der Mädchen seien in Naturwissenschaften auch heutzutage übertrieben stark. Diese Denkmuster möchten die Physikerinnen aufbrechen.
„Wir haben auch Frauen aus der Industrie da“, kündigt die Karlsruher Professorin an. Eine Fachfrau für Künstliche Intelligenz soll Karrierewege jenseits der Uni aufzeigen. Auch eine Patentanwältin, die Physik und Jura studiert hat, kommt zur Tagung nach Karlsruhe. Vorteil des geringen Andrangs: „Als Physiker bekommt man in Deutschland jederzeit einen Job“, sagt Mühlleitner.
Schon zum 26. Mal findet eine Deutsche Physikerinnentagung statt. Ausgesperrt werden Männer übrigens nicht. „Es nehmen insgesamt auch 18 Männer teil“, sagt KIT-Professorin Kathrin Valerius, die ebenfalls im Organisationsteam ist. Erstmals seien auch Geophysik und Meteorologie in die Tagung eingebunden: „Wir wollten die ganze Forschung im Bereich Physik präsentieren, die es am KIT gibt.“ Valerius und Mühlleitner wurden übrigens beide von ihren Physiklehrern zum Studium ermutigt.