Racing Straßburg war vor acht Jahren insolvent, die erste Mannschaft musste in der Fünften Liga starten. Vier Aufstiege später ist Racing gerade in seine dritte Erstligasaison in Folge gestartet. Und durch den Coup im Ligapokal gelang dem Team die Rückkehr nach Europa. In den Play-off-Duellen mit Eintracht Frankfurt hat Straßburg nun die Chance, die Gruppenphase der Europa League zu erreichen. Vater des Aufschwungs ist der frühere KSC-Profi Marc Keller.
Marc Keller hebt seinen rechten Arm stufenweise in die Höhe. In seinem charmant-französisch eingefärbten Deutsch untermalt er jeden Schritt nach oben mit „klak’eh, klak’eh, klak’eh“. Drei-, viermal wiederholt der Präsident von Racing Straßburg im Gespräch diese Geste. Immer dann, wenn der frühere Fußballprofi betonen will, was wirklich zählt für ihn und für Racing. „Das Wichtigste für uns ist, von unten wieder nach oben gekommen zu sein“, sagt Keller.
Der Verein aus dem Elsass war vor acht Jahren insolvent, die erste Mannschaft musste in der Fünften Liga starten. Vier Aufstiege später ist Racing gerade in seine dritte Erstligasaison in Folge gestartet. Und durch den Coup im Ligapokal gelang dem Meister von 1979 die Rückkehr nach Europa.
In den Play-off-Duellen mit Eintracht Frankfurt hat Straßburg an diesem und am kommenden Donnerstag (20.30 Uhr/jeweils RTL Nitro) die Chance, die Gruppenphase der Europa League zu erreichen. Und es ist nicht so, dass sich Racing gegen den Vorjahres-Halbfinalisten als klarer Außenseiter sähe. „Wir haben eine gute Mannschaft, eine super Atmosphäre im Stadion. Wir sind positiv gestimmt“, sagt Keller.
Racing Straßburg ist unter Marc Keller wiedererstarkt
Monsieur Le Président Keller, Vater des Straßburger Aufschwungs, sitzt vor dem Duell in seinem Zimmer im Bauch des in die Jahre gekommenen Stade de la Meinau. Es ist spartanisch eingerichtet, viel Weiß, etwas Blau. Nur das bunte, abstrakte Gemälde an der Wand sticht hervor – und passt auch nicht ganz zur Auferstehung von Racing unter der Ägide Kellers, der den Neuanfang seit 2012 praktisch-konkret, mit einem klaren Plan und ein paar engen Vertrauten anpackte.
Drei Pfeiler bilden bis heute das Fundament des neuen Racings unter dem früheren KSC-Profi (1996 bis 1998). „Der Verein muss finanziell gesund sein und bleiben, es muss Kontinuität und Ruhe im Verein herrschen“, zählt der 51-Jährige auf. Die dritte Stütze ist die regionale Identität, die der Club bewusst stärkt.
Die Kontinuität zeigt sich unter anderem im sportlichen Bereich. Cheftrainer Thierry Laurey geht in seine vierte Saison in Straßburg. Und die Bindung der Anhänger an den Club ist im Zuge des finanziellen Kollapses und des erzwungenen Neustarts in Liga fünf noch größer geworden. Ein neuer „Esprit“ sei damals entstanden, meint Keller, der einst fünf Jahre lang für Racing spielte und auch beim KSC als dynamischer Außenbahnspieler auftrat. „Alle sind zusammengerückt“, erzählt Pressesprecher Thierry Hubac nicht ohne Stolz. Von der „Generation Racing“ spricht Keller.
„Die Zuschauer sind ein wichtiger Faktor“
Selbst in der Vierten Liga kamen im Schnitt mehr als 10.000 Zuschauer, diese Saison setzte der Vorjahres-Elfte erneut knapp 20.000 Dauerkarten ab, 26.000 Besucher fasst das Stadion bei Ligaspielen. 18 der 19 Heimspiele der Vorsaison waren ausverkauft. Von der Liga sind die Racing-Fans gerade erst zum „Tribünen-Champion“ gewählt worden.
„Die Zuschauer sind ein wichtiger Faktor“, sagt Keller über die Anhänger, die eine enge Verbindung zu denen des KSC pflegen. Das traditionsreiche Stadion ist ein kleiner Hexenkessel, in dem sich viele Teams sehr schwer tun. Für 100 Millionen Euro soll die Arena im Süden der Stadt in den nächsten Jahren grundlegend modernisiert und das Fassungsvermögen auf 33.000 Zuschauer erhöht werden. 2024 soll der Ball im neuen Stadion rollen, hofft Clubboss Keller.
Verein will wachsen – aber nicht zu schnell
Bis dahin will sich Racing weiter in der Ligue 1 etabliert haben. Der Klassenverbleib, betont Keller, sei jedes Jahr erneut ein schwieriges Unterfangen und stets erstes Ziel des Vereins. Aktuell belegt der Club mit 43 Millionen Euro in der Etat-Tabelle einen Platz im unteren Mittelfeld. „Wir müssen wachsen – aber nicht zu schnell“, sagt Keller, der nach Ende seiner Profikarriere schon mal Generaldirektor bei Racing und später Sportdirektor bei AS Monaco war.
So richtig glauben können es die Straßburger selbst noch nicht, nach 2005/06 wieder europäische Luft zu schnuppern. „Das ist ja sehr schwer zu schaffen in Frankreich“, sagt Keller. Der übermächtige Hauptstadtclub Paris Saint-Germain räumte zuletzt meist in allen Wettbewerben ab. Im Ligapokal aber stolperte das Team von Thomas Tuchel in der Vorsaison am späteren Absteiger EA Guingamp – derweil Racing Lille, Marseille, Lyon und Bordeaux ausschaltete. Im Elfmeterschießen gewann Racing das Finale des „kleinen“ Pokalwettbewerbs gegen die wackeren Bretonen und schaffte so den Sprung in die Europa-Qualifikation. Eine „große Überraschung“, sagt Keller.
Nach Maccabi Haifa warf Racing in der Qualifikation auch Lokomotive Plowdiw raus. „Für uns ist das eine tolle Erfahrung, nicht nur sportlich. Sondern auch eine administrative Herausforderung, von der wir lernen“, sagt Keller. Wie die Eintracht, so nahm auch Straßburg die europäische Aufgabe mit Lust und Ernst an. „Wir haben gleich gesagt, dass wir es mit 100 Prozent probieren, in die Gruppenphase zu schaffen“, berichtet Keller.
Zwei Schritte ist Racing davon entfernt. „Frankfurt hat eine sehr gute Mannschaft“, sagt Keller über den Gegner, der im Mai im Elfmeterschießen im Halbfinale am FC Chelsea gescheitert war. Am Donnerstag lädt die Elsässer Führungsriege die hessische Club-Spitze zum Mittagessen – eine kulinarische Ouvertüre für einen sicher stimmungsvollen Abend in der Meinau. Der wird erste Anzeichen geben, ob Marc Keller bald eine weiteres „klak’eh“ anfügen kann. Dann nämlich, wenn der Einzug in die Gruppenphase gelingen sollte.