Skip to main content

Stadt zieht erste Bilanz

Verkehrsversuch in Karlsruhe bietet Radfahrern mehr Platz – doch die üben Kritik

Noch ist der Radweg auf der Herrenalber Straße kein Publikumsmagnet. Die Stadt ist überzeugt von dem neuen Angebot. Doch nicht alle Radfahrer sind mit dem Verkehrsversuch zufrieden.

Fühlen sich sicher: Elke Zimmer und Daniel Fluhrer probieren die neue Strecke aus.
Staatssekretärin Elke Zimmer und Bürgermeister Daniel Fluhrer probieren die neue Strecke aus, die den Autoverkehr mit sichtbaren Markierungen von den Radfahrern trennt. Foto: Sidney-Marie Schiefer

Die Fahrradstadt Karlsruhe gibt alles, um ihren Titel zu verteidigen: Am südlichen Stadtteilausgang von Rüppurr gibt es deswegen seit Anfang Februar einen neuen Radfahrstreifen. Zwischen der Kreuzung mit der Battstraße und der Autobahn können Autos die ehemals zweispurige Herrenalber Straße nur noch auf einer Spur nutzen.

Die Radfahrer haben nun deutlich mehr Platz und sind durch rot-weiße Pfosten von der Straße separiert. Zuvor teilten sich die Radfahrer einen 1,5 Meter breiten Weg mit den Fußgängern. Dass diese Lösung nicht alle Autofahrer glücklich macht ist selbstverständlich, doch auch die Radfahrer haben noch einige Verbesserungsvorschläge.

BNN-Redakteurin Sidney-Marie Schiefer beantwortet die wichtigsten Fragen rund um den Verkehrsversuch.

Neuer Radfahrstreifen auf der Herrenalber Straße
Auf diesem Abschnitt befindet sich der neue Radfahrstreifen auf der Herrenalber Straße. Foto: BNN

Welche Vorteile haben Radfahrer durch das neue Angebot?

Radfahrer haben nun doppelt so viel Platz, wenn sie in Richtung Ettlingen unterwegs sind. Sie sind außerdem durch eine sichtbare Markierung von den Autofahrern getrennt. Dieses Modell wird auch Protected Bike Lane genannt. Der Anwohner Roland Schulze berichtet von einer enormen Verbesserung für die Radfahrer. „Früher hatte ich immer das Gefühl, ein Lkw erwischt mich von hinten mit dem Spiegel“, erinnert er sich. Das entspricht auch der Einschätzung des ADAC. Bei einer allgemeinen Umfrage gaben 59 Prozent der Radfahrer an, sich auf einem Bordsteinradweg sowie auf einem geschützten Radfahrstreifen am sichersten zu fühlen.

Welche Folgen hat der Versuch für Autofahrer?

Dadurch, dass die Autofahrer nur noch eine Spur zur Verfügung haben, staut es sich vermehrt vor den Ampeln. Dieser Rückstau würde sich aber immer innerhalb einer Ampelphase auflösen, sagt Bürgermeister Daniel Fluhrer (parteilos) und nimmt Bezug auf die Verkehrsanalysen. „Für Fahrradfahrer sind 30 Sekunden im Regen richtig lange Sekunden, für Autofahrer nicht“, ergänzt Staatssekretärin Elke Zimmer (Grüne). ADAC-Verkehrsexperte Dennis Plischke sieht sogar Vorteile für die Autofahrer: „Wenn es gelingt, mehr Menschen zum Umstieg auf das Fahrrad zu bewegen, ist das nicht nur ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, sondern wirkt sich auch positiv auf Stau und Parksuchverkehr aus.“

Wie wird der neue Radweg angenommen?

Während es online durchaus positives Feedback zu dem abgetrennten Radweg gibt, ist in der Praxis zu beobachten, dass noch nicht jeder Verkehrsteilnehmer weiß, wie er mit dem Angebot umgehen soll. Autofahrer halten auf dem Radweg, um Personen an der angrenzenden Bahn-Haltestelle abzusetzen, und Radfahrer nutzen doch lieber den Fußgängerweg statt die neue Spur. Tanja Dopf vom ADFC schlägt deswegen vor, den neuen Fahrstreifen für Radfahrer rot einzufärben. So werde die Neuerung besser wahrgenommen.

Wie sieht das erste Resümee der Politik aus?

Aus Sicht der Stadt Karlsruhe ist der Versuch gelungen. Bürgermeister Fluhrer möchte die Spur beibehalten und lediglich ästhetische Verbesserungen der Fahrbahnabgrenzung vornehmen. Auch für Staatssekretärin Zimmer ist der Radweg ein Erfolg. Es handle sich um eine kleine, aber sehr sichtbare Maßnahme, die auch für andere Städte interessant sein kann. Sie ist froh, dass das Projekt in einer Fahrradstadt wie Karlsruhe leicht umzusetzen war, weil der politische Wille da sei.

Was ist das Ziel des Versuchs?

Die Stadt will mit dem neuen Radweg mehr Raum und Sicherheit für klimafreundlichen Verkehr schaffen. Mehr Pendler sollen durch die neue Strecke ermutigt werden, auf das Rad umzusteigen. „Wir setzen ein klares Signal, wer bei uns im Fokus steht“, sagt Fluhrer und betont, dass die Autofahrer nun mehr Rücksicht nehmen müssten. Die Stadt Karlsruhe hat den Anspruch, dass zwei Drittel des Verkehrs in Zukunft mit dem Rad stattfindet. Auch das Verkehrsministerium verfolgt entsprechende Ziele. Jeder zweite Weg sollte zu Fuß oder beispielsweise mit dem Rad gemacht werden, sagt Elke Zimmer. Die Staatssekretärin sagt weiter: „Das ist das, was wir brauchen, um Klimaziele zu erreichen.“ Der neue Radweg soll außerdem schwere Unfälle verhindern. Bürgermeister Fluhrer visiert eine Unfallquote von null Prozent im Bezug auf schwere Verletzungen an.

Welche Kritik gibt es?

Schon zu Beginn des Modellversuchs stand die Wegführung im Kreuzungsbereich der Batt- und Allmendstraße in der Kritik. Dort müssen sich Rad- und Autofahrer frühzeitig einordnen. Besonders Linksabbieger müssen vorsichtig sein. Die Pfosten beginnen erst einige Meter hinter der Kreuzung, da sonst kein Schienenersatzverkehr mehr möglich sei, erklärt Janick Friese vom Stadtplanungsmanagement. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Busse noch am angrenzenden Fußgängerweg halten können. Außerdem haben die Teilnehmer der Online-Evaluation angemerkt, dass die Radfahrer durch den Rückstau der Autos nun durch Abgase fahren müssten, außerdem gebe es Spurrillen auf der Fahrbahn, in denen sich bei Regen Pfützen bilden.

Wie wird mit den Ergebnissen der Umfrage umgegangen ?

Insgesamt haben bisher rund 80 Personen an der Evaluation teilgenommen. Davon waren dreiviertel Radfahrer und rund 20 Prozent der Teilnehmer waren auch Autofahrer. 77 Prozent der Teilnehmer halten den Verkehrsversuch für sinnvoll und 56 Prozent sind der Meinung, dass mehr Menschen auf der Herrenalber Straße Fahrradfahren würden, wenn der geschützte Streifen bleibt. 18 Prozent der Teilnehmer stimmen dieser Aussage überhaupt nicht zu. Friese versichert, dass alle Ergebnisse gesichtet werden und die Teststrecke optimiert werden soll.

Wie geht es in Zukunft mit dem Projekt weiter?

Bürgermeister Fluhrer möchte den geschützen Radweg auf jeden Fall beibehalten. Er kann sich sogar vorstellen, auch stadteinwärts eine ähnliche Fahrspur anzulegen. Einige Teilnehmer der Online-Evaluation haben diesen Wunsch bereits geäußert. Stadteinwärts teilen sich die Radfahrer aktuell noch einen Weg mit den Fußgängern. Der Verkehrsversuch habe stadtauswärts stattgefunden, da in diese Richtung weniger Autofahrer unterwegs sind. Da diese aber nach den aktuellen Ergebnissen wenig beeinträchtigt sind, könnte der Versuch theoretisch ausgeweitet werden. Da nicht nur die Stadt für den Radweg zuständig ist, sondern auch das Regierungspräsidium, muss jedoch eine gemeinsame Lösung gefunden werden.

Herrenalber Straße: Radfahrer sind auf der Straße unterwegs
So sieht es aus, wenn die Radfahrer auf der neuen Strecke unterwegs sind. Foto: Sidney-Marie Schiefer

nach oben Zurück zum Seitenanfang