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Rückgang bei Fernreisen

Reisen 2020 mehr Deutsche wegen Corona in Schwarzwald und Pfalz?

Schwarzwald statt Spanien? Bodensee statt Türkei? Das Coronavirus wird die Reiseströme umlenken. Die Deutschen werden diesen Sommer ihren Urlaub vermutlich im eigenen Land verbringen. Nicht nur der Schwarzwald bereitet sich bereits darauf vor.

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Wird es die Menschen der Region dieses Jahr in den Ferien verstärkt in den Schwarzwald ziehen? Foto: picture alliance/Hochschwarzwald Tourismus GmbH/dpa-tmn

Hotels stehen leer, die Menschen bleiben zu Hause. Die Corona-Krise trifft den Tourismus besonders hart. Was aus dem Urlaub an Pfingsten oder im Sommer wird, weiß noch niemand. Doch sehr wahrscheinlich ist: Das Coronavirus wird die Reiseströme umlenken. Die Deutschen werden diesen Sommer ihren Urlaub vermutlich im eigenen Land oder gar der eigenen Region verbringen. Nicht nur der Schwarzwald bereitet sich bereits darauf vor.

An Tagen wie diesen steht Jürgen Schön normalerweise in der Küche. Er würde Spätzle schaben, ein Gratin in den Ofen schieben oder Medaillons braten. Aus der Stube würde ein Stimmengewirr zu ihm vordringen. Nun aber sitzen keine Gäste an den Tischen, und der Inhaber des „Bergblicks“ lässt seine Kochschürze am Haken hängen.

Zum Thema:

Das Gasthaus in Bernau im Schwarzwald hat geschlossen. Auch die Zimmer sind nicht belegt. Das Coronavirus hat den Tourismus zum Erliegen gebracht. Überall auf der Welt bleiben die Menschen zu Hause. Noch für Wochen oder gar Monate müssen sie wohl auf das Reisen verzichten.

Wie lange – das weiß niemand genau. Auch während der baden-württembergischen Pfingstferien, die Anfang Juni beginnen? Und vielleicht sogar im Sommer?

Tourismus bangt um seine Zukunft

Die Auswirkungen für die Touristik sind schon jetzt dramatisch. Nicht nur der „Bergblick“ macht Kurzarbeit. Viele Hotels bangen um ihre Existenz. Und auch Fluggesellschaften, Kreuzfahrtreedereien, Reisebüros und Veranstalter befürchten Schlimmes.

Branchenprimus TUI versucht mit einem Staatskredit in Milliardenhöhe, die Krise zu überstehen. Wanderreisespezialist Wikinger kündigt 71 Mitarbeitern und damit der Hälfte seines Personals.

Noch Mitte Januar hätte niemand mit solch einer Situation gerechnet. Damals schien die Welt in Ordnung zu sein. Die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) sprach von 2020 bereits als einem vermutlich guten Reisejahr. Denn ihre Marktanalyse hatte ergeben, dass 72 Prozent der Deutsche in die Ferien fahren wollen. „Urlaub hat einen hohen Stellenwert“, sagt Professor Martin Lohmann, wissenschaftlicher Berater der FUR.

2019: 55 Millionen Deutsche verreisten

Im vergangenen Jahr verreisten laut Forschungsgemeinschaft rund 55 Millionen Deutsche für mindestens fünf Tage. Die Mehrheit zog es ins Ausland, vor allem an die Strände des Mittelmeers. Doch auch viele blieben in der Heimat: 26 Prozent der Urlaubsreisen führten zu Zielen zwischen Ostsee und Alpen.

Corona wird die Statistik verändern. „Der Anteil an Deutschlandreisen wird steigen“, vermutet Lohmann. Vorausgesetzt, dass in den Sommermonaten sowohl das Auswärtige Amt vor Reisen ins Ausland warnt als auch andere Staaten an ihren Einreisebeschränkungen festhalten. Dass aber gleichzeitig ein Urlaub in Deutschland möglich sein wird.

Schwarzwald statt Spanien?

Derzeit haben die meisten Veranstalter ihre Reisen bis Ende April komplett abgesagt, manche auch schon für den Mai. Und an Pfingsten? Schwarzwald statt Spanien? Bodensee statt Türkei? Sonnenklar TV, der Reiseshoppingsender des Veranstalters FTI, legt künftig den Fokus auf Ziele in Deutschland – als Reaktion auf die Folgen der Corona-Krise.

Auch Schwarzwald Tourismus bereitet sich auf ein vielleicht neues Szenario vor. Die Organisation, die 321 Gemeinden in Mittel- und Südbaden touristisch vertritt, arbeitet an einer Kampagne, die sich ganz gezielt an deutsche Urlauber richten soll. „Bis Ende Mai wollen wir fertig sein“, sagt Geschäftsführer Hansjörg Mair. Um loslegen zu können, sobald zumindest das regionale Reisen wieder gestattet ist.

In den vergangenen Jahren haben sich immer mehr Deutsche in einer Unterkunft im Schwarzwald einquartiert, zuletzt 6,3 Millionen. Eine Zahl, die dieses Jahr als unerreichbar erscheint – selbst wenn die Region im Sommer einen Boom erleben sollte.

Die jetzigen Verluste könnten nicht wettgemacht werden, glaubt Mair, zudem befürchtet er: „Viele ältere Gäste werden nicht kommen.“

Die geplante Kampagne wendet sich daher an eine eher jüngere Klientel – etwa an Familien mit Kindern und Outdoor-Begeisterte. Die Ferienregion versucht allerdings schon jetzt, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Unter dem Slogan „Wir lieben den Schwarzwald“ wirbt sie im Internet für Solidarität, wie zum Beispiel durch das Verschenken von Erlebnis-Gutscheinen.

Bodensee: Menschen aus der Region im Fokus

Eine ähnliche Aktion gibt es auch am Bodensee. Jürgen Ammann vom Internationalen Bodensee Tourismus hofft, dafür vor allem die Menschen aus der Nähe zu gewinnen. „Sie werden die ersten sein, die uns wieder besuchen“, meint der Geschäftsführer der länderübergreifenden Organisation.

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Mit einer Gutschein-Aktion wirbt der Bodensee derzeit für sich. Foto: dpa

Juli und August ist in normalen Zeiten Hochsaison am Bodensee, 2019 erholten sich während dieser zwei Monate viele der rund 4,4 Millionen deutschsprachigen Gäste hier. Die Mehrzahl stammte aus Baden-Württemberg und Bayern. Sollte nun tatsächlich die Nachfrage im Sommer nach oben schnellen, könnte das durchaus zu Problemen führen. „Wir können die Betten schließlich nicht doppelt belegen“, so Ammann.

Wäre die Pfalz eine Alternative? Rund 2,1 Millionen Übernachtungsgäste kamen 2019. Im Schnitt blieben sie 2,4 Tage. Dass Urlauber nach der Krise ihren Besuch verlängern – Ute Holz, Geschäftsführerin der Tourismus-Vereinigung Südliche Weinstraße, rechnet nicht damit.

Aber mit hoher Nachfrage. „Weil vielleicht Regionalität künftig eine größere Rolle spielt.“ Jürgen Schön würde es freuen. Dann wäre auch die Wirtsstube des Schwarzwälders wieder voll.

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