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Jahresrückblick - Oktober bis Dezember

Nach dem Bürgerentscheid: Warum es in Rheinstetten so wenig Widerstand gegen die Windenergie gibt

66 Prozent haben beim Rheinstettener Bürgerentscheid im Herbst für die Verpachtung von Flächen für Windräder gestimmt.

Richtungsweisender Beschluss: Oberbürgermeister zeigt nach dem klaren Votum beim Bürgerentscheid, wo künftig die Windräder in Rheinstettens Nachbarschaft stehen könnten.
Der Oberbürgermeister zeigt nach dem klaren Votum beim Bürgerentscheid, wo künftig die Windräder in Rheinstettens Nachbarschaft stehen könnten. Foto: Julia Trauden

Froh und auch ein bisschen stolz blickt Rheinstettens Oberbürgermeister Sebastian Schrempp (CDU) auf das Jahr 2021 und den wegweisenden Beschluss der Bürger seiner Stadt für die Windenergie. Bei einer Wahlbeteiligung von 72 Prozent stimmen 66 Prozent beim Bürgerentscheid im Herbst dafür, dass die Stadt Flächen auf ihrer Gemarkung für die Nutzung von Windenergie verpachtet. Drei über 200 Meter große Windräder könnten sich in wenigen Jahren auf der 35 Hektar großen Fläche südlich der L566 drehen.

Mehr als ein Dutzend Investoren haben bis Dezember bereits Interesse bei der Stadt angemeldet, im Frühjahr will man mit ihnen in Verhandlungen gehen. „Zum Sommer 2022 soll ein Pächter gefunden sein“, sagt Schrempp. Bis die Windräder im Gewann Stiftäcker tatsächlich stehen, wird es wohl 2024 sein, vorher stehen noch zahlreiche Prüfungen zum Artenschutz, zu Emissionen und zur Windgeschwindigkeit an.

Dass die ganze Planung, die Vorbereitung des Bürgerentscheids, die Diskussion im Gemeinderat über den Bau von Windrädern in der Nachbarschaft so unaufgeregt, ja fast lautlos über die Bühne ging, ist keine Selbstverständlichkeit. Andernorts wird erbittert um die Windenergie gestritten. Wo Planungen für Windräder angestellt werden, ist es meist nur eine Frage der Zeit, bis eine Bürgerinitiative dagegen mobil macht und die Pläne ins Wanken bringt.

Zwei-Drittel-Mehrheit für den Bürgerentscheid

Ein Grund für viele Kommunen, es gar nicht erst zu versuchen. Ganz anders in Rheinstetten. Die Große Kreisstadt hat sogar laut Hier geschrien, als es um die Ausweisung von Flächen für Windenergie ging. Als der Nachbarschaftsverband Karlsruhe (NVK) Rheinstetten aus seinem Teilflächennutzungsplan raus nimmt, weil er unter anderem in Ettlingen und Malsch attraktivere Flächen für Windräder entdeckt hat, beantragt der Gemeinderat die Wiederaufnahme. „Fast einstimmig“, erinnert sich Schrempp.

Dann aber klagen Ettlingen und Malsch erfolgreich gegen die Nutzung von Windenergie auf ihrer Gemarkung – und Rheinstetten ist wieder im Spiel. 2018 wird laut Schrempp der neue Flächennutzungsplan beschlossen, im selben Jahr schlägt er seinem Gemeinderat vor, den Bürgern die Entscheidung zur Windenergie zu überlassen. „Wir drehen den Spieß um“, sagt er den Stadträten. Mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit stimmt der Gemeinderat für einen Bürgerentscheid.

Es folgt eine ausführliche Informationskampagne, moderiert und begleitet von Fachleuten des Forums Energiedialog BW. Unbeschönigte Darstellungen zeigen, wie die weißen Riesen auf dem freien Feld aus verschiedenen Perspektiven aussehen könnten: vom Strand des Epplesees, von der Bundes- oder Landesstraße, von den Wohnungen in verschiedenen Teilen der Stadt.

Transparenz von Anfang an

Die Verwaltung beantwortet Fragen zur Rentabilität, zu Schall, Lärm, Schattenwurf sowie Natur- und Artenschutz, zum Flächenverbrauch, zu finanziellen Vorteilen und Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürger. „Weder sind die Vorteile ausgeschmückt worden, noch die Nachteile betont worden“, unterstreicht Schrempp.

„Ich bin froh, dass die Diskussion so sachlich und friedlich abgelaufen ist“, sagt er. Denn er weiß, dass es auch anders hätte kommen können. „Da gibt es Gemeinden, da tun sich Gräben auf, da zerstreiten sich Familien.“ Stolz sei er auf die Bevölkerung, „dass sie so miteinander umgegangen ist“.

Nach dem Bürgerentscheid, der mit 72 Prozent im Übrigen auch eine hohe Wahlbeteiligung hatte, wolle man nun versuchen, „die 33 Prozent, die nicht d’accord sind, auch noch mitzunehmen“. Vor allem die, die direkt am Silberstreifen wohnen und damit am nächsten dran sind an den Windrädern. Beim Vergabeverfahren sollen ihre Sorgen berücksichtigt werden, sagt Schrempp.

In Workshops mit dem Gemeinderat und Anwohnern soll ein Pflichtenheft erstellt werden, das dem künftigen Pächter vorgelegt wird. Mit Abschaltbedingungen für die Windräder, Vorgaben zu Entschädigungen für Anwohner, Lärmsensoren und der Farbgebung der Anlagen.

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