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Unglück am Flugplatz Bruchsal

Route des abgestürzten Flugzeugs gibt Rätsel auf

Ermittler rechnen nach dem Absturz eines Kleinflugzeugs in Bruchsal erst in einigen Wochen mit ersten Ergebnissen. Unter den zahlreichen offenen Fragen ist auch zu klären, warum die drei verunglückten Insassen von Nordrhein-Westfalen nach Bayern einen Umweg flogen.

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Vom Boden aus mussten Mitglieder des Luftsportvereins und weitere Zeugen beobachten, wie die Notlandung eines Kleinflugzeugs am Bruchsaler Flugplatz misslang und es zum Unglück kam. Foto: dpa

Als die Mitglieder des Luftsportvereins Bruchsal sehen, wie ein Kleinflugzeug auf ihren Flugplatz zusteuert, sind sie verärgert. Der Pilot der Jodel DR 1050 hatte sich weder vor seinem Start angemeldet, noch ist er über Funk zu erreichen.

Sie notieren sein Kennzeichen.

Er kommt näher, fliegt langsam, zu hoch, dann zu tief. Erst dann erkennen sie: Die Insassen sind in einer Notlage – und man kann ihnen vom Boden aus nicht helfen. Das Landemanöver endet in einem Unglück. Die Leichtmaschine prallt an den Zaun und die Fassade eines Baumarktes und zerschellt. Ein 80-Jähriger, seine 60-jährige Lebensgefährtin sowie ihr 32 Jahre alter Sohn sterben.

Untersuchungsbericht frühestens in sechs Wochen

Wie es zu dem Unglück am Samstagmittag kommen konnte, untersuchen Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung aus Braunschweig (BFU). Doch BFU-Sprecher Germout Freitag betont: Mit einem Zwischenbericht sei erst in sechs bis acht Wochen zu rechnen.

Ein Jahr oder auch länger könne es dauern, bis eine Analyse vorliegt.

„Darin klären wir auch, was zu tun ist, damit so etwas nicht mehr passiert“, sagt Freitag. Zwei Ermittler untersuchten am Montag das Wrack in einer Lagerhalle sowie den Unfallort. „Wir suchen alles, was ungewöhnlich ist“, erklärt Freitag. Dafür werden einige Fotos gemacht. Auch nach der Flugwegplanung sowie dem GPS-Träger wird gesucht. Schäden an Propeller oder Tragfläche etwa könnten auf technisches Versagen hinweisen, auch Zeugenbefragungen sollen Aufschluss geben.

250.000 Euro Sachschaden an Flugzeug und Baumarkt

Die Polizei nahm an der Absturzstelle Ermittlungen auf.
Die Polizei nahm an der Absturzstelle Ermittlungen auf. Foto: Thomas Riedel

Zahlreiche Zeugen haben sich beim Kriminalkommissariat Bruchsal gemeldet, auch Handyaufnahmen werden gesichtet. Die Polizei hat eine fünfköpfige Ermittlungsgruppe eingerichtet. Eine Obduktion soll Aufschluss darüber geben, ob gesundheitliche Gründe, etwa ein Herzinfarkt, oder andere Einflüsse wie Drogen eine Rolle gespielt haben könnten.

Der Sachschaden an Flugzeug und Baumarkt beläuft sich laut Polizei auf 250.000 Euro. Der Markt hatte am Montag wieder geöffnet.

Keine Rückmeldung des Piloten

Unter den Zeugen sind Mitglieder des Luftsportvereins Bruchsal, auch der Flugleiter, der per Funk mit dem Piloten in Kontakt treten wollte. Er hatte keine Chance: Der Pilot meldete sich nicht wie üblich fünf bis zehn Minuten vor dem Anflug.

Fraglich, ob er die Frequenz des Flugplatzes eingestellt hatte.

Diese hätte er vor dem Start in einer weltweiten Anflugkarte einsehen müssen. Darin sind technische Details – nötige Flughöhe, Hindernisse, Flugwege – des Bruchsaler Sonderflugplatzes ebenso gelistet wie die des Großflughafens Frankfurt. So aber gingen die Funksprüche des Flugleiters mit der Frage, was der Pilot vorhabe, ins Leere. Auch die Notfrequenz hatte dieser offenbar nicht genutzt.

Wer ist am Ende wirklich geflogen?

Die Zeugen sahen, wie die Maschine kurz vor der Notlandung durchstartete, zur Seite kippte und schließlich an Zaun und Fassade zerschellte . Volker Fierhauser, Vorsitzender des Luftsportvereins, nennt die Meinung einiger Zeugen: „Die erste Landung wäre sehr hart gewesen, aber überlebbar.“ Doch das Flugzeug habe nicht aufgesetzt. Technische Gründe habe das eher nicht gehabt: „Der Motor ist gelaufen, auch das Durchstarten war technisch vollkommen im Takt. Das hört man auch.“

Wer wirklich geflogen ist, sei hingegen nicht zu erkennen gewesen. Denkbar ist, dass nach einem möglichen Ausfall des 80-jährigen Piloten seine Lebensgefährtin oder der Sohn übernommen haben könnte: „Man könnte so ein Flugzeug auch ohne Flugschein in der Luft halten, vielleicht auch landen.“ Es handle sich um ein klassisches Sportflugzeug mit eher geringen Ansprüchen.

Bruchsal liegt weit abseits der Route

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An dieser Stelle krachte das Flugzeug in niedriger Höhe durch den Zaun des Baumarktes in die Außenwand. Foto: Screenshot

Diese Frage muss ebenso geklärt werden wie das Rätsel um die Flugroute. Vom Start der Jodel DR 1050 im nordrhein-westfälischen Olpe bis zum geplanten Zielort im bayerischen Dachau sind es etwa 400 Kilometer Luftlinie.

Laut Experten könnte dieses Kleinflugzeug auch die doppelte Strecke hinter sich bringen.

Warum es aber nicht geradewegs über Frankfurt, sondern einen weiten Bogen Richtung Karlsruhe und Bruchsal flog, ist unklar. Spekuliert wird über einen geplanten Zwischenstopp in diesem Bereich oder eine anvisierte Notlandung in Karlsruhe. Denkbar ist auch, dass in diesem Bereich bestimmte Sehenswürdigkeiten überflogen werden sollten. Manche Hobbypiloten meiden auch den Frankfurter Flugraum, da dort wegen des vielen Verkehrs besondere Aufmerksamkeit herrscht und viel gefunkt werden muss.

Flugstunden sind beim Fliegen relevanter als das Alter

Mit gültigem Flugschein durfte der Mann auch mit 80 Jahren noch fliegen. Für den Erwerb eines Flugscheins für ein Kleinflugzeug muss man 45 Flugstunden nachweisen. Innerhalb von zwei Jahren müssen mindestens zwölf Flugstunden, zwölf Starts und Landungen sowie ein einstündiger Flug mit einem Fluglehrer erfolgen, um den Flugschein aufrecht zu erhalten. E

s gibt fortlaufende medizinische Untersuchungen, ab einem Lebensalter von 50 Jahren in der Regel jährlich. Die Unfallrate bei Klein-, Segel- oder Ultraleichtflugzeugen schwanke von Jahr zu Jahr, heißt es vom Verkehrsministerium: „Im langjährigen Mittel ist die Unfallrate jedoch leicht rückläufig.“

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