Es sind nicht gerade die friedlichsten Zeiten, in denen der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) zu seiner internationalen Vollversammlung ruft. Ganz im Gegenteil: Kriege, Hunger und der Klimawandel bedrohen Menschen auf der ganzen Welt und aller Religionen.
Auch an den Grenzen Europas und innerhalb von Ländern, die sich mehrheitlich zum Christentum bekennen, wird gekämpft: Russland und die Ukraine sind von Frieden und Versöhnung weit entfernt.
Es ist also einiges an Konfliktpotenzial und Diskussionsbedarf vorhanden, wenn sich vom 31. August bis 8. September mehr als 4.000 Menschen aus 352 unterschiedlichen christlichen Kirchen und 120 Staaten der Welt in Karlsruhe treffen. Neben anderen hohen kirchlichen Würdenträgern werden dann auch Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche und der orthodoxen Kirche in der Ukraine erwartet.
Versöhnung und Einigkeit ist das Motto des Treffens in Karlsruhe
Angesichts der Gästeliste scheint das Motto, das die Organisatoren für die diesjährige Zusammenkunft gewählt haben, besonders passend. Es lautet „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“.
Man werde in Karlsruhe im „Geist der Versöhnung, klar und konfrontativ diskutieren“, sagte die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Baden, Heike Springhart, am Montag bei einer ersten Vorstellung des voll gepackten einwöchigen Programms.
In dessen Mittelpunkt stehen die täglichen Treffen der 800 Delegierten zu ganz unterschiedlichen Themen. Der Klimawandel und dessen Herausforderungen ist nur eines davon.
Auch um das Verhältnis zum Judentum oder den gescheiterten Vermittlungsversuch des ÖRK im Ukraine-Konflikt gleich zu Beginn des Kriegs wird es gehen. Am Ende sollen Botschaften formuliert werden, die für die Mitglieder des Rates zwar nicht zwingend bindend, aber doch wegweisend sein sollen. „Ähnlich wie bei einer Synode, wird bei der Vollversammlung die Programmarbeit gemacht“, so Oberkirchenrat Markus Witzenbacher.
Kirchen und Stadt Karlsruhe sind Gastgeberinnen des Treffens
Witzenbacher leitet das Koordinierungsbüro in der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD), die Gastgeberin des Treffens ist. Auch die Evangelische Landeskirche Baden, die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen und zahlreiche andere sind an der Organisation beteiligt.
Obwohl die römisch-katholische Kirche nicht Mitglied im ÖRK ist, gehört dem Gastausschuss auch die Deutsche Bischofskonferenz an. Der Freiburger Weihbischof Peter Birkhofer betonte, was für eine große Freude diese Rolle sei. Von dem Treffen erhofft er sich „zahlreiche Impulse für den Glauben“.
Der ÖRK versteht sich als Gemeinschaft von christlichen Kirchen und Gemeinschaften, die weltweit 600 Millionen Menschen vertreten. Darunter sind orthodoxe, anglikanische, baptistische, lutherische, methodistische und reformierte sowie unabhängige Kirchen. Während die meisten Gründungsmitglieder europäische und nordamerikanische Kirchen waren, setzt sich die heutige Mitgliedschaft vorwiegend aus Kirchen in Afrika, Asien, der Karibik, Lateinamerika, dem Nahem und Mittleren Osten, wie dem pazifischen Raum zusammen. Als Gäste werden in Karlsruhe der Erzbischof von Canterbury und der Patriarch von Konstantinopel erwartet.
Auch Antsemitismus-Vorwürfe gegen den ÖRK sollen diskutiert werden
In der Vergangenheit sah sich der ÖRK auch immer wieder Kritik ausgesetzt. Zuletzt hatte ihm eine Initiative Antisemitismus und Judenfeindlichkeit vorgeworfen. Bernd Morlok vom Deutsch-Israelischen Freundeskreis im Stadt- und Landkreis Karlsruhe kritisierte in den BNN, im ÖRK werde „einseitig Stimmung gegen Israel gemacht“. So habe sich der Rat regelmäßig wirtschaftlichen Boykottaufrufen gegen Israel angeschlossen.
Der Generalsekretär des ÖRK, Ioan Sauca, konterte: „Seit der Gründung 1948 hat der ÖRK immer wieder den Staat Israel unterstützt, ein Ende der Gewalt, die Ablehnung aller Formen des Antisemitismus, ein Ende der illegalen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten und eine verhandelte Zweistaatenlösung für den dortigen Konflikt gefordert.“
Themen wie das Wiederaufleben von Antisemitismus und anderem Hass gegen bestimmte Menschengruppen und die Ungerechtigkeiten und Verletzungen, die das palästinensische Volk erfahre, werden Sauca zufolge in den Diskussionen der Vollversammlung in Karlsruhe „zweifellos sehr präsent sein“. „Ebenso wie viele andere Krisen und noch nie dagewesene Herausforderungen, denen sich die Kirchen und Völker der Welt in dieser Zeit unserer Geschichte gegenübersehen.“
Das Kirchentreffen in der ersten Septemberwoche wird von einem Rahmenprogramm aus Gottesdiensten, Konzerten und anderen Begegnungsmöglichkeiten begleitet. Zum Eröffnungswochenende hat die Evangelische Landeskirche eine Bühne auf dem Marktplatz aufgestellt, auf der Gruppen aus der Region und international bekannte Künstler auftreten.
Service
Alle Infos zur Vollversammlung und zum Programm gibt es auch immer aktuell unter www.karlsruhe2022.de