Schweden ist ein beliebtes Urlaubsland unter Deutschen. Doch weil die Corona-Infektionszahlen nach wie vor hoch sind, die die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes weiter. Das verunsichert viele Schwedenfans, weil sie zudem nicht wissen, ob sie nach der Rückkehr aus dem skandinavischen Land in Quarantäne müssen.
Die Reisenden, die mit der Fähre aus Malmö in Travemünde eintrafen, erwischte es völlig unvorbereitet. Gleichsam über Nacht hatten etliche Bundesländer ihre bis dahin lockeren Corona-Regelungen verschärft und eine zweiwöchige Quarantäne für alle Rückkehrer aus dem skandinavischen Land angeordnet.
Quarantäne für Rückkehrer
Allerdings hatte sich die Anordnung bei den zuständigen Stellen noch nicht ganz rumgesprochen: „Wir wurden einfach durchgewunken, Kennzeichen wurden nicht geprüft“, erzählt Hartmut Raesch aus der 2.000 Köpfe zählenden Facebook-Gruppe Schwedenforum. Der Thüringer meldete sich wie vorgeschrieben beim Gesundheitsamt. Ein negativer Corona-Test hätte ihn in seinem Bundesland vor der häuslichen Quarantäne bewahren können.
Die Unsicherheit unter Schweden-Fans, die in den schönsten Wochen des Jahres die südlichste Provinz Schonen, die geschichtsträchtige Region Småland oder die menschenleere Wildnis von Lappland ansteuern wollen, ist groß.
Denn spätestens seit Montag ist klar: Eine Reise in das bei Deutschen beliebte skandinavische Land ist in Corona-Zeiten ein Vabanquespiel, weil das Königreich von der Aufhebung der Reisewarnung ausgeschlossen blieb.
Warnung des Auswärtigen Amtes
Dass die beliebten Destinationen Småland und Blekinge zu den am wenigsten betroffenen Regionen Schwedens zählen, dass die Ansteckungsgefahr kaum größer ist als irgendwo sonst in Europa, spielt bei der Einschätzung des Außenamtes keine Rolle.
Dort hat man nur die Zahlen für das gesamte Land im Auge und die sehen nicht gut aus. Weil es zur Zeit mehr als 50 Corona-Infizierte pro 100.000 Einwohner gibt – laut Robert-Koch-Institut das einzige Land in der EU und im Schengen-Raum, das über dieser Grenze liegt –, wird im Hause von Außenminister Heiko Maas weiterhin vor touristischen Reisen nach Schweden gewarnt.
Schwedens umstrittener Sonderweg, mehr auf Freiwilligkeit und Eigenverantwortung statt auf behördlich verordnete Einschränkungen zu setzen, rächt sich nun – auch im Verhältnis zu den ansonsten guten Nachbarn Norwegen, Finnland und Dänemark, die sich abschotten.
Die Strategie ließ die Fallzahlen nach oben schnellen und brachte tausendfachen Tod. Mehr als 53.000 Schweden haben sich bislang mit dem gefährlichen Virus infiziert, fast 5.000 sind gestorben – fast die Hälfte davon in Alten- und Pflegeheimen, weil Schutzmaterial fehlte und es an Hygiene mangelte. In diesem Punkt gab Chef-Epidemiologe Andres Tegnell unumwunden Fehler zu.
Die größten Probleme gibt es in Stockholm
Wahr ist aber auch: Seit Ende April sinkt die Zahl der Todesfälle kontinuierlich. Vergangene Woche wurden an drei aufeinander folgenden Tagen zehn, zwölf und vier Todesfälle registriert. Seit Mai hat sich zudem die Situation auf den Intensivstationen entspannt, weil die Zahl schwer erkrankter Covid-19-Patienten auf unter zehn pro Tag sank.
Die größten Probleme gibt es weiterhin in Stockholm: Fast ein Drittel aller bestätigten Infektionen und die Hälfte aller Todesfälle entfallen auf die schwedische Hauptstadt.
In anderen Provinzen ist die Ansteckungsgefahr nicht größer als im Landkreis Karlsruhe, was auch an der geringen Bevölkerungsdichte liegt. In Småland, jener geschichtsträchtigen Region im Süden Schwedens, wo die Abenteuer von Pippi Langstrumpf und von Michel aus Lönneberga spielen, verlieren sich rund 720.000 Menschen zwischen zauberhaften Wäldern, abertausenden glitzernden Seen, und der Meeresküste mit ihren Schäreninseln. 24 Schweden teilen sich hier einen Quadratkilometer Fläche, in Nordrhein-Westfalen sind es 20 Mal so viele. Im hohen Norden liegt die Bevölkerungsdichte bei einer Person pro Quadratkilometer.
"Ich habe auf meiner Reise durch die schwedische Pampa wahrscheinlich weniger Leute getroffen, als beim Einkauf im heimischen Supermarkt", kritisiert Schwedenfan Boris Littek, der sich eine differenziertere Haltung zum Reiseland Schweden wünscht. Sinnvoller wäre es aus seiner Sicht gewesen, Reisen nach Stockholm zu untersagen.
Ein Wust von Verordnungen
Mehr als drei Millionen Übernachtungen deutscher Touristen zählte Schweden im Jahr 2018. 2020 kann man von solchen Zahlen nur träumen.
Während für die Balearen mit Mallorca eine Ausnahmeregelung geschaffen wurde, mit picke-packe-vollen Flugzeugen, wo an Abstandsregeln nicht zu denken ist, müssen sich Schweden-Reisende durch einen Wust von Verordnungen wühlen, mit Quarantäneregeln, die von Bundesland zu Bundesland höchst unterschiedlich sind.
Die behördlichen Anweisungen ändern sich fast täglich; was gestern noch galt, ist heute schon wieder überholt. Brandenburg sowie etliche andere Bundesländer hatten bis Dienstag keine Quarantäneregelung, Baden-Württemberg verlängert ein ums andere Mal.
Reisewarnung ist kein Verbot
Untersagt ist der Schwedenurlaub nicht, denn eine Reisewarnung ist nun mal kein Verbot. Die Grenzen sind offen, die Fähren nach Trelleborg und Malmö in Betrieb und selbst der Weg über Dänemark steht Reisenden offen.
"Jedes Bundesland kocht sein eigenes Süppchen", kritisiert eine Ferienhaus-Besitzerin, die wegen widersprüchlicher Informationen vorsorglich die Fährpassage stornierte und nun auf eine Rücknahme der Reisewarnung hofft.
Das Hü und Hott der Bundesländer bringt Fährreedereien wie Finnlines oder TTLine an die Grenze des Machbaren. Denn die schwimmenden Lastenträger stellen nicht nur die Versorgung mit Waren in Europa sicher, sie sind auch ein beliebtes Transportmittel für Urlauber, die sich den Weg durch Dänemark sparen wollen.
"Wir hatten kürzlich die Situation, dass wir Fährreisende noch mitten in der Nacht informieren mussten, dass sie sich nach der Ankunft in häusliche Quarantäne begeben müssen", bestätigt Benoît Surin, Pressesprecher von Finnlines. Genau genommen musste sogar noch unterschieden werden, aus welchem Bundesland die Reisenden kamen.
Gelegentlich bringt die Quarantäneverordnung sogar einen Schultes in Erklärungsnot: Der Berliner Bezirksbürgermeister Rainhard Naumann war während seines Schwedenurlaubes von der Verordnung überrascht worden und ließ sich lieber testen, statt in Isolation zu gehen.