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Simple Minds beim "Fest" 1997

Türöffner für Top-Acts

Ihr Auftritt beim "Fest" 2018 ist seit Monaten bekannt. Doch als die "Simple Minds" 1997 zum ersten Mal bei dem Karlsruher Open-Air-Ereignis gastierten, galt bis einen Tag vor dem Konzert strengste Geheimhaltung: Ein so populärer Top-Act hatte bis dahin noch nicht vor dem Hügel gespielt. Und da es keine Zugangsbeschränkung gab, fürchteten die Veranstalter einen kaum zu bewältigenden Besucherandrang. Tatsächlich spielte das Festival nach diesem Konzert in einer anderen Liga.

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Mit diesem Auftritt begann beim "Fest" eine neue Ära: Jim Kerr und die Simple Minds waren 1997 die bis dahin populärste Band des Festivals. Foto: Bastian

Der Auftritt der "Simple Minds" am kommenden "Fest"-Sonntag wurde bereits vor einem halben Jahr angekündigt. Ganz anders sah das im Jahr 1997 aus. Damals war absolutes Stillschweigen das Gebot. Kein Mucks sollte nach außen dringen – erst einen Tag, bevor die „Simple Minds“ in Karlsruhe aufschlugen, lüfteten die „Fest“-Macher den Schleier, hinter dem sie ihren Top-Act zurückgehalten hatten – in der zutreffenden Annahme, „dass uns die Leute die Bude einrennen“, wie es der damalige „Fest“-Chef Rolf Fluhrer ausdrückte. Schließlich gab es damals noch keinen Zaun um das "Fest"-Gelände, geschweige denn Einlasstickets.

Die schottische Band um Sänger Jim Kerr surfte damals noch auf der Welle ihres Weltruhms, die 1985 mit dem Hit „Don’t You (Forget About Me)“ begonnen und mit „Belfast Child“ 1989 ihren Höhepunkt erreicht hatte. Zwar waren mit Jim Kerr und Gitarrist Charlie Burchill ab den 1990er-Jahren nur noch zwei Mitglieder aus dem Gründungsjahr 1978 mit dabei, Singles wie „She’s a River“ und „Hypnotised“ landeten aber immer noch ganz oben in den Charts.

Eine andere Liga

Aus damaliger Sicht war die Verpflichtung der „Simple Minds“ eine Sensation, weil die Band mindestens eine Nummer zu groß für „Das Fest“ wirkte. Sicher: Die dreitägige Sommersause hatte sich bestens etabliert und die Besucher regelmäßig mit internationalen Top-Acts verwöhnt. Im Vorjahr beispielsweise hatte man am Hügel Willy de Ville und Angélique Kidjo erleben dürfen, 1994 hatte Marla Glen per Reibeisenstimme ihre Visitenkarte abgegeben und der legendäre Auftritt von Fischer-Z trotz Regen und Hagel datiert gar auf 1993. Trotzdem hatte das bunte Treiben in der Günther-Klotz-Anlage, das damals noch ohne Zaun zugänglich war, eher den großen Reiz eines regionalen Events, das von einigen besonderen Acts garniert wurde.

Bap? Madonna? Nein!

Das wurde 1997 anders: Zum Programm gehörten damals auch Suzanne Vega, Neneh Cherry und das Duo Ezio. Und dann sollte auch die australische Band „Midnight Oil“ spielen, deren Hit „Beds Are Burning“ bis heute in 80er-Jahre Playlists ebensowenig fehlen darf wie die Songs der „Simple Minds“. Die Band sollte Headliner für den „Fest“-Freitag sein – doch dann sagte sie alle ihre Festivaltermine kurzfristig ab. Schnell kursierten Vermutungen über möglichen Ersatz. Die Kölschrocker Bap (durchaus denkbar) wurden ebenso genannt wie Madonna (eher unwahrscheinlich). Nicht auf dem Gerüchte-Radar war aber die Band, um die Rolf Fluhrer heftig warb: eben die „Simple Minds“.

Mit Essen gelockt

Das Problem: Mit dem Budget eines eintrittsfreien Festivals konnte er nur als Gage nur ein Fünftel des damaligen Marktwertes bieten. Die Verhandlungen liefen per Fax (ja, so war das in den Zeiten vor dem Internet…) und zogen sich hin. „Drei Mal sagte mir der englische Agent ab, und das durchaus deutlich“, erinnert sich Fluhrer. Das Signal aus London sei gewesen: „Vergiss es.“ Aber weil ungewöhnliche Situationen ungewöhnliche Aktionen erfordern, schickte Fluhrer ein letztes Fax und erklärte, er könne keine höhere Summe bieten – aber er würde die Band für zwei Tage nach Karlsruhe einladen, mit ihr ins beste Restaurant der Gegend essen gehen und sie im Reisebus durch den Schwarzwald kutschieren lassen.

„It’s done, man!“

Dieser im Verhandlungsgeschäft ungewöhnlich persönliche Ansatz brachte die Zusage – auf dem nächsten Antwortfax stand: „It’s done, man!“ Alles in Butter also? Nicht ganz: „Ich habe da auch mit mir gehadert, ob ich nicht zu mutig war – etwas in dieser Größenordnung hatten wir ja noch nie gestemmt“, erzählt Fluhrer, der auch einräumt, dass die Dimension dieser Verpflichtung manchem im Team Bauchweh bereitete. Zum einen musste die Bühnenanlage aufgerüstet werden, um den Anforderungen gerecht zu werden, zum anderen war ein weitaus größerer Besuchenansturm als bisher zu erwarten.

"Aus heutiger Sicht undenkbar"

„Wir haben uns natürlich mit der Polizei abgestimmt, und die war dann auch mit größerer Präsenz vor Ort, und auch Sicherheitskräfte hatten wir natürlich damals schon im Einsatz“, sagt Fluhrer. „Das ist aber damals nicht so aufgefallen, weil dieses Thema noch nicht so in der Öffentlichkeit stand wie heute.“ Vergleichbar seien die Situationen damals und heute ohnehin nicht: „Die Leute standen ohne jede Barriere direkt an der Bühne und Jim Kerr hat den Fans einfach die Hand gegeben – aus heutiger Sicht ist das undenkbar, aber so war das damals bei Festivals noch üblich.“

Rock 'n' Roll im Restaurant

Bei all dem logistischen Aufwand geriet das Versprechen, das die Band überhaupt erst nach Karlsruhe gebracht hatte, aus dem Blick. „Am Tag vor dem ’Fest’ stand dann plötzlich der Tourmanager auf dem Gelände und fragte, wann denn das Abendessen sei – das hatten wir völlig übersehen“, lacht Fluhrer. Kurzfristig gelang es, die Entourage im Restaurant „Künstlerkneipe“ unterzubringen. Das hatte Fluhrer bei seinem Vorschlag ohnehin vorgehabt, und es erwies sich als Volltreffer: „Die Küche hat sich sehr ins Zeug gelegt und die Atmosphäre war superschön. Es ist ja eine der ältesten Kneipen in Karlsruhe, das hat großen Eindruck gemacht“, sagt Fluhrer, der sich an angenehme Gespräche mit Gitarrist Charlie Burchill erinnert – und daran, dass der Abend bei fortschreitender Uhrzeit durchaus leichte Rock ’n’ Roll-Züge annahm: „Da sind schon auch Gläser kaputtgegangen.“

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Beeindruckt vom Hügel: Jim Kerr beim Auftritt 1997. Foto: Bastian

Der Konzerttag brachte die nächste Herausforderung: „In Europa ist es üblich, dass der Monitormix auf der Bühne von der linken Seite aus erfolgt. Englische Bands sind es andersherum gewohnt, da musste in Windeseile alles umgebaut werden“, so Fluhrer. Ein Aufwand, der sich im Nachhinein lohnte: „Das Fest“ bewies, dass es einen Act dieser Größe auch logistisch stemmen kann, und das Konzert bewies, dass der Hügel auch für weitgereiste Stars ein echter Hingucker ist. „Danach habe ich noch mit Jim Kerr gesprochen, der davon unglaublich beeindruckt war.“

Ruhm gut verwaltet

Der damalige Erfolg mag auch ein Türöffner gewesen sein in den Verhandlungen mit den Agenturen von Top-Acts, die danach beim „Fest“ gastierten: 1998 etwa waren „Faithless“, damals weltweit gefragte Senkrechtstarter, in der „Klotze“ zu Gast und notierten danach ins Gästebuch: „Best concert ever played“. Ein solcher Meilenstein ist von den Simple Minds anno 2018 nicht zwingend zu erwarten: In der Region gastierten sie zuletzt in Locations für weniger als 2 000 Besucher, etwa im April 2017 im Kurhaus Baden-Baden oder im März 2015 im Tollhaus Karlsruhe. Auch neue Welthits haben sich in den vergangenen 21 Jahren kaum in ihrem Repertoire angesammelt. Doch Jim Kerr & Co haben es verstanden, den Ruhm der frühen Tage gut zu verwalten. Und weil ihre größten Erfolge nach wie vor auf vielen Radioplaylists stehen, dürften sie ein „Fest“-Act sein, bei dem der Hügel generationsübergreifend mitsingen kann.

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