Skrei - der Winterkabeljau von den Lofoten - wird auch bei uns immer beliebter. Bis in den April hinein kann man den Leckerbissen beim Fischhändler kaufen oder im Restaurant genießen.
Er kommt von den Lofoten - auf ganz leisen Pfoten. Schön wär der Reim, würde es denn stimmen, dass der Skrei über Gehwerkzeuge verfügt. Doch er besitzt keine Pfoten, sondern Flossen, und statt sich anzuschleichen, ist ihm nur ein lautloses Heranschwimmen gestattet. Der Skrei, mehr oder weniger (eher Meer, haha!) der jüngste Schrei auf deutschen Speisekarten, ist nämlich ein Fisch. Ein Kabeljau, um genau zu sein.
Die Wanderung des Skrei von der Barentssee zu den Lofoten
Der macht sich als Millionenschwarm jedes Jahr im Dezember auf den Weg von der eiskalten Barentssee in „wärmere“ Gewässer bei Nordnorwegen, wo unsereins sich natürlich immer noch den Allerwertesten abfrieren würde, aber der Skrei sich um der Vermehrung (das passende Wortspiel lass ich jetzt lieber weg…) willen, gerne herumtreibt. Die See um die besagten Lofoten eben. Die Fischer dort nutzen seit Menschgedenken den Laichzug des Skrei, um den begehrten „Schleimi“ an Land zu ziehen für eine besondere Mahlzeit - und natürlich längst auch für den Export.
Die Winteredition des beliebten Weißfischs aus dem hohen Norden hat sich zu einem echten Hype entwickelt. Noch sind wir hier in der Mitte Europas nicht so weit, dass wir seine Ankunft lauthals mit „Skrei kommer, Skrei kommer!“ begrüßen, wie es die norwegischen Fischer Anfang Januar tun, aber immerhin künden vom Beginn seiner Saison hierzulande plakative Werbebanner und -tafeln. Auf Wochenmärkten, in Fischabteilungen und vor Restaurants: Skrei, Skrei, Skrei.
Skrei - gelegentlich zum Skreien
Ein pfiffiges wie für deutsche Ohren seltsames Wort, so seltsam, dass man entweder zunächst gar nichts Vernünftiges damit anzufangen weiß, es schon mal falsch skreibt, pardon: schreibt (ohne r zum Beispiel) oder unter Zuhilfenahme gängiger Bezeichnungen dann Worte erfindet wie „Skreikabelfilet“ (beides echt so gesehen bei einem lokalen Fischhändler, ich schwör!). Es ist zum Skreien. Also, skrei doch!
In 24 Stunden ist der Skrei bei uns
Heute wird der Skrei von Januar bis April dank moderner Logistik und prima Kühlkette binnen 24 Stunden nach Deutschland gebracht, wo nicht nur Sterneköche dem edlen und schmackhaften Schwimmflosser mit seinem festen und fettarmen dafür aber extrem jodhaltigen Fleisch entgegenfiebern, sondern auch Leute wie du und ich. Genießer, die sich den Leckerbissen aus dem Nordmeer übrigens mit gutem Gewissen einverleiben dürfen.
Streng reglementierter Fang
Denn die Norweger wachen mit Argusaugen über die Fangmengen und -methoden, sodass dass die Bestände heute zu den größten und stabilsten der Weltmeere gehören. Soll heißen: Sie können bedenkenlos zugreifen, wenn echte Kaventsmänner von Skrei-Filets sich vor Ihren Augen auf zerstoßenem Eis (neudeutsch: Crushed Ice) lümmeln. Das ist Kabeljau in Dimensionen, wie man ihn in überfischten Gewässern gar nicht mehr an die Angel oder ins Netz bekommt, weil diese armen Schweine (?) gar keine Chance zum Erwachsenwerden erhalten.
Apropos Export: der Skrei wird während der wenigen Anlandungswochen nicht nur als Frischfisch vertickt und verschickt, sondern auch getrocknet. Eine gar nicht so kopflose Sache, wie es zunächst beim Betrachten der an Holzgestellen dehydrierenden Fischtorsos den Anschein hat.
Der Trick mit dem Trocknen von Skrei
Denn seit langem schon machen die cleveren Nordlichter mit dem solchermaßen haltbar gemachten Skrei-Fleisch ordentlich Kohle, vermutlich mehr als fürs Beheizen ihrer Hütten und Häuser nötig wäre. Selber essen die Norweger den Stockfisch nicht so gerne, dafür sind die Menschen rund ums Mittelmeer seltsamerweise ganz versessen darauf, wo er häufig als baccalà oder bacalhau den Speiseplan bereichert. Sagen wir so: Ohne die Liebe von Portugiesen, Italienern, Franzosen und Spaniern zum Stockfisch hätten die Nordnorweger finanziell womöglich längst kalte Füße bekommen.
„Tørrfisk fra Lofoten“ - seit 2014 mit Siegel
Beharrlichkeit, Schläue und Stolz auf’s Produkt zahlten sich zudem anderweitig aus: 2014 sprach man dem Lofoten-Stockfisch das blaugelbe EU-Siegel zu. Was bedeutet, dass das bockelharte Fischgut jetzt von Brüssel bescheinigten Schutz genießt. Als „Tørrfisk fra Lofoten“ taucht er in der EU-Liste auf. Sie als Nicht-Norweger mit lingualer Fantasie enttarnen dies als „Dörrfisch von den Lofoten“? Bravo! Die Welt ist klein.