Als vor einem Jahr der erste Lockdown ausgerufen wurde, war auch die Mobile Spielaktion zum Umdenken gezwungen. Einfach abzuwarten und die Hände in den Schoß zu legen, war für die Spielepädagogen des Stadtjugendausschusses allerdings keine Option.
In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurden innerhalb von wenigen Tagen als Ersatz für die Besuche mit dem knallroten Mobi-Bus an Schulen und auf Spielplätzen die ersten von mittlerweile 19 sogenannten rätselhaften Spaziergängen aus der Taufe gehoben. Anfangs konnten sich die Teilnehmer noch anhand der Hinweise auf den liebevoll gestalteten Schildern durch die jeweiligen Stadtteile hangeln, mittlerweile gibt es auch Tipps und Hilfen im Internet. Von der Resonanz auf die Rätsel-Rallyes entlang festgelegter Routen ist Mobi-Organisator Ralf Birkner bis heute positiv überrascht.
Sehr viele Dankesbriefe
„Eltern und Kinder habe das Angebot begeistert angenommen. Wir haben sehr viele Dankesbriefe und etliche selbst gemalte Bilder erhalten“, sagt Birkner. Über 1.100 Familien haben mindestens eine der Knobeleien gelöst und nach Einsendung der Lösungswörter ein kleines Dankeschön-Geschenk erhalten.
Und 26 Familien haben sogar alle Stadtteilspaziergänge absolviert und den Master-Satz eingeschickt. Dafür wurde ihnen von den Mobi-Pädagogen eine kleine Spiele-Schatzkiste persönlich vorbeigebracht.
Kinder brauchen Gleichgesinnte. Den ganzen Tag nur mit den Eltern verbringen, ist für Kinder auf Dauer grauenhaft.Ralf Birkner, Mobi-Organisator
Für Birkner ist die rege Teilnahme vor allem ein Beleg, wie wichtig die spielerische Bewegung an der frischen Luft auch in Krisenzeiten ist. „Wenn Kinder im Distanzunterricht sechs Stunden am Stück vor der Kiste sitzen, darf man sich nicht wundern, wenn ihnen etwas fehlt“, sagt der gelernte Jugend- und Heimerzieher. Wenn man den Nachwuchs in einem „heiklen Alter“ an die Computerwelt binde, fehlten schließlich wichtige Kontakte zu Gleichaltrigen.
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Befreit von Leistungsdruck und Terminstress
Vor allem während des ersten Lockdowns ist für Birkner allerdings eine ganz eigene Dynamik entstanden. Viele Familien hätten den Wegfall von Leistungsdruck in der Schule sowie Terminstress in der Freizeit sogar als befreiend empfunden und bewusst viel Zeit an der frischen Luft verbracht. Nach dem zweiten Lockdown im November sei dann mit den kürzer werdenden Tagen und den niedrigeren Temperaturen in vielen Kinderzimmern die Tristesse eingezogen. Pausenhofgespräche hätten den Kindern ebenso gefehlt wie das Training und Musizieren in den Vereinen, so Birkner. „Kinder brauchen Gleichgesinnte. Den ganzen Tag nur mit den Eltern verbringen, ist für Kinder auf Dauer grauenhaft.“
Nach Einschätzung des Spielepädagogen hat spätesten in dieser Phase die Erwachsenenwelt und damit auch die Politik versagt. Vorgaben, wie nur eine Person zu treffen, sind nach Birkners Erfahrung „Regeln für die Erwachsenenkommunikation“ und gehen an der Realität des Kindseins vorbei. Deshalb hätte man Kindern viel früher wieder gemeinsames Spielen an der frischen Luft ermöglichen sollen.
Raus an die frische Luft
„Kinder müssen raus und sich mit anderen Kindern treffen“, appelliert Birkner. Bewegung im Freien sei schließlich auch aus Sicht der Virologen mit einem deutlich geringeren Infektionsrisiko verbunden als das gemeinsame Abhängen in einem stickigen Jugendzimmer. Dazu hätten die meisten Kinder die sogenannten AHA-Regeln zum Schutz vor einer Infektion ohnehin schon lange verinnerlicht und mehr Vertrauen in ihre Fähigkeit zur Bewältigung der Pandemie verdient.
Eltern sollten die Bedürfnisse ihrer Kinder deshalb sehr ernst nehmen und bei Fragen der Freizeitgestaltung ganz genau hinhören. „Und wenn es die Kinder alleine nicht schaffen, müssen eben die Eltern Verabredungen ausmachen“, so Birkner. Selbst beim sonst wenig angesagten Sonntagsspaziergang würden Kinder, sofern zumindest noch ein Spielkamerad mit von der Partie ist, einigermaßen bereitwillig hinterhertrotten.
Kein Patentrezept
Ein Patentrezept für das freie Spiel im Freien gibt es laut Birkner allerdings nicht. Fußballbegeisterte Kinder haben es seiner Erfahrung nach oft am leichtesten, da reichen ein Ball und ein Stück Straße für mehrere Stunden Spaß. Doch auch die Freizeiteinrichtungen in der Stadt wie der Skatepark im Otto-Dullenkopf-Park sind für Kinder eine gute Möglichkeit zum Dampf ablassen. Und Mädchen und Jungen mit einem Hang zu handwerklichen oder kreativen Tätigkeiten könnten sich beim Schnitzen mit dem Taschenmesser oder beim Bau von Holzhütten im Wald oder im Garten stundenlang verausgaben.
Eine Hütte haben auch die Mitarbeiter des Stadtjugendausschusses gebaut, oder besser gesagt: einen sechs Meter hohen und zehn Meter breiten geflochtenen Weidendom neben dem Zirkuszelt am westlichen Ende des Otto-Dullenkopf-Parks. Spätestens ab den Osterferien soll es dort – sofern es die Corona-Verordnung erlaubt – wieder naturnahe Angebote für Kinder und Jugendliche geben.