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Fast zwei Jahre unterwegs

Stefan Korn: Als Anhalter um den Globus

Wer knapp 110 000 Kilometer zurücklegt, der hat was zu erzählen. Stefan Korn aus Leipzig meisterte diese Strecke in knapp zwei Jahren - nicht etwa mit Zug und Flugzeug, sondern per Anhalter. 1156 Mitfahrten kamen dabei zusammen, ebenso viele Helfer.

Daumen hoch: 22 Monate lang trampte Stefan Korn per Anhalter um die Welt.
Daumen hoch: 22 Monate lang trampte Stefan Korn per Anhalter um die Welt. Immer dabei: sein rot-gelber Superheldenanzug. Fotos: Korn Foto: Korn
Wer  knapp 110 000 Kilometer zurücklegt, der hat was zu erzählen. Stefan Korn aus Leipzig meisterte diese Strecke in knapp zwei Jahren - nicht etwa mit Zug und Flugzeug, sondern per Anhalter. 1156 Mitfahrten  kamen dabei zusammen, ebenso viele Helfer.

Der schönste Moment auf dieser fast zweijährigen Reise? Stefan Korn, Jahrgang 1985, muss nicht lange nachdenken. Dieses atomgrüne Flackern, das am nachtschwarzen Himmel irgendwo in der menschenleeren kanadischen Wildnis erglühte, wird dem Weltenbummler auf ewig in Erinnerung bleiben. Dabei wollte er an diesem Januartag eigentlich ganz woanders sein, womöglich über die zugefrorene Beringstraße von Alaska nach Russland rüberwechseln.

Kein Visum für Russland

Doch irgendwann auf seiner Weltumrundung wurde dem Leipziger klar, dass der Traum seines Lebens nicht nur an den Tiefkühltemperaturen des winterlichen Alaskas scheitern würde, wo über mehrere tausend Kilometer keine Straßen existieren.

Es war schlichtweg zu umständlich, ein Visum für Russland zu bekommen. Stattdessen nahm sich der Reiseenthusiast, der im normalen Leben Arbeitspsychologe ist, jene Route vor, die er selbst als Königsetappe bezeichnet: die 8.000 Kilometer zwischen New York und Prudhoe Bay an der Nordspitze Nordamerikas.

Fast 110.00 Kilometer legte Stefan Korn während seiner zweijährigen Reise zurück.
Fast 110.00 Kilometer legte Stefan Korn während seiner zweijährigen Reise zurück. Foto: None

Aufbruch zur Königsetappe

An einem Silvestertag brach Korn in Big Apple auf. Neun Tage, 18 Stunden und 18 Minuten später war er an seinem Ziel. Stefan Korn hat die gewaltige Distanz von 8.354 Kilometer nicht etwa mit Flugzeugen, Zug oder am Steuer eines SUVs zurückgelegt; der 35-Jährige war als Tramper unterwegs, in versifften Trucks, klapprigen Nissans und polierten Chevis, gelegentlich unterbrochen von Etappen mit dem Fahrrad.

Was den Leipziger bewogen hat, als Anhalter um die Welt zu reisen und dabei unglaubliche 108.895 Kilometer zurückzulegen?

Ich wollte mir in der Trampercommunity einen Namen machen. Und es musste weh tun. Weil sonst kann es ja jeder.

räumt der Leipziger freimütig ein. Was der Globetrotter während seinen Abenteuers erlebt hat, bei dem er 58 Länder durchquerte, hat er im Buch „Warm Roads“ beschrieben, das im Knesebeck-Verlag erschienen ist.

Korns erster Trip: von Leipzig nach Dresden

Trampen war schon immer das, was Stefan Korn liebte. „Am Anfang meines Studiums hatte ein Kommilitone zu mir gesagt: Probier das mal aus, das ist cool!“ Sein erster Trip brachte ihn von Leipzig nach Dresden, später ging es nach Dänemark. 800 Kilometer mit einem Zwischenstopp in Hamburg zum Tramperchat.

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Spanien, die Nordspitze Norwegens, Portugal, Syrien und den Libanon hat der eingefleischte Anhalter auf diese Art bereist; selbst zu Vorstellungsgesprächen kam er per Anhalter. „Das war für mich immer eine planbare Fortbewegungsart, alles eine Frage der Technik“, so der gebürtige Hesse.

Die Straße wurde sein zweites Zuhause, der Autostopp seine große Leidenschaft. Nebenprodukt dieser Passion: Stefan Korn gründete gemeinsam mit Gleichgesinnten die Deutsche Trampsport Gemeinschaft und den ersten westeuropäischen Sporttramper-Club.

Die Entscheidung, als Anhalter um den Planeten Erde zu reisen, war ebenfalls an einem Januartag gefallen. Die Beziehung war in die Brüche gegangen; den Job konnte man guten Gewissens kündigen; ein bisschen gespartes Geld war vorhanden.

Aus einem jämmerlichen Leben wurde auf einmal die beste Voraussetzung, um alles hinter mir zu lassen und mit dem Rucksack in die weite Welt zu ziehen

erzählt der Buchautor, dem es nicht um schöne Orte, nicht um Selbstfindung ging, sondern einzig um die Grenzen des Reisens. Der ausgestreckte Daumen bringt ihn zunächst in den Süden Spaniens, wo er eine Mitfahrgelegenheit auf einem Segler Richtung Südamerika ergattert. Am Ende seiner Reise werden es 1.156 solcher Lifts sein und ebenso viele Helfer. Immer mit dabei: der auffallende rot-gelbe Superheldenanzug, der ihm die nötige Aufmerksamkeit beschert.

Stundenlanges Warten auf den nächsten Lift

Herausgekommen ist eine Expedition, die Stefan Korn „so nie wieder machen, aber auch nicht missen möchte.“ Der passionierte Tramper kämpft sich von Buenos Aires nach Ushuaia im Süden Argentiniens, irrt durch den Norden Perus, tigert durch die einsamen Ausläufer des Himalaya. Der Mann aus Alemaña mischt sich unter die Backpackerhorden in Bolivien, macht Bekanntschaften mit ölverschmierten Ladeflächen und klapprigen Mototaxis mit drei Rädern und kleiner Kabine. In Kolumbien kauft er sich ein Schrottrad, motzt es auf und baut sich aus zwei Mülleimern Do-it-yourself-Fahrradtaschen.

Im hohen Norden bibberte der Leipziger vor Kälte.
Im hohen Norden bibberte der Leipziger vor Kälte. Foto: Korn

Auf der Weiterreise nach Panama passiert er das Darién Gap, die letzte Lücke der Panamericana, einen der dichtesten Dschungel der Welt, vollgestopft mit Pumas, Schlangen und allerlei anderen giftigen Freunden. Er hadert mit Grenzbeamten, die das Visum nur gegen ein paar Extragebühren herausrücken, und freundet sich mit der Trainhopping Community in den USA an. Mehr als einmal gerät er in gefährliche Situationen, weil seine Mitfahrgelegenheiten in Unfälle verwickelt werden oder gefährliche Zeitgenossen kräftig gebaute Pit-Bull-Mischlinge auf ihn hetzten. Und er verbringt unzählige Stunden damit, auf den nächsten Lkw, das nächste Auto zu warten.

16.000 Kilometer durch China

In China angekommen funktioniert nicht einmal Google Maps, der wichtigste Helfer bei der Orientierung. Doch Stefan Korn beschließt, das riesige Land dennoch mit dem Daumen zu erobern – getreu der Devise in Jack Kerouacs Roman „Nothing behind me, everything ahead of me!“. Trotz diverser erzwungener Pausen vor Mautstationen, etlicher Einladungen bei freundlichen Familien und einer Nahtoderfahrung an einem höllisch steilen Pfad legt Stefan Korn fast 16.000 Kilometer im Land der Mitte zurück.

Nach 22 Monaten wieder daheim

22 Monate nach seinem Aufbruch ist der Abenteurer wieder dort, wo er in sein erstes Fahrzeug eingestiegen ist: in Leipzig. Nur, dass es dieses Mal von Osten kommt. Die Rückkehr in die Normalität fällt dem Sporttramper schwer. Es kostet ihn viel Energie, an zurückgelassene Beziehungen anzuknüpfen.

Auf der langen Reise ist der Weltbürger zum Asketen geworden, der auf Alkohol, Tabak, selbst auf Kaffee und Schwarztee verzichtet, stattdessen Meditationen in seinen Alltag einbaut. Die Erkundung der Welt hat den Leipziger auch desillusioniert: „Ich hatte nach Orten gesucht, an denen ich der Zivilisation entfliehen konnte, und musste feststellen, dass der Mensch überall war. Überall wo Straßen waren“, so der Autor. Er sei für seinen Traum, die härteste Trampersau auf dem Planeten zu sein, weit über seine Grenzen gegangen, habe viel gelitten.

Heute will ich lieber ein normaler Tramper sein. Einer, der sich Zeit nimmt. Für sich. Für andere.

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