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Hoher Ekelfaktor

Stinkwanzen in Karlsruhe beginnen mit Suche nach Winterquartier

Der Oktober ist nicht bekannt für tierische Besucher in der Wohnung. Doch 2018 haben die Karlsruher plötzlich ganz andere Erfahrungen gemacht. In Schwärmen fielen Wanzen auf der Suche nach einem warmen Winterquartier in die Stadt ein. In diesem Jahr könnte sich das in geringerem Ausmaß wiederholen.

Die Marmorierte Baumwanze ist in Ostasien zuhause. 2018 tauchte sie erstmals in großer Zahl in Karlsruhe auf.
Die Marmorierte Baumwanze ist in Ostasien zuhause. 2018 tauchte sie erstmals in großer Zahl in Karlsruhe auf. Foto: KIT

Das offene Fenster einer Wohnung – so manches Insekt nimmt diese Einladung gerne an. Der Oktober ist eher nicht bekannt für solche tierischen Besucher. Die Zeit der Stechmücken und Wespen ist vorbei. Doch im Oktober 2018 haben die Karlsruher plötzlich ganz andere Erfahrungen gemacht.

In Schwärmen fielen Wanzen auf der Suche nach einem warmen Winterquartier in die Stadt ein, saßen an sonnigen Hauswänden und flogen als ungebetene Gäste in viele Wohnungen. In diesem Jahr könnte sich das in geringerem Ausmaß wiederholen.

„Es hängt natürlich von vielen Faktoren ab. Einen Wanzenwetterbericht gibt es nicht. Aber unter den aktuellen Rahmenbedingungen wäre es möglich“, sagt Alexander Riedel, der Kurator für die Käfer- und Insektensammlung des Naturkundemuseums.

Neue Wanzenarten aus Fernost und den USA

Das Auftauchen der Tiere seit dem vergangenen Jahr kommt nicht von ungefähr. Es handelt sich bei den meisten unerwünschten Mitbewohnern nicht um heimische Wanzenarten, sondern um Neuankömmlinge aus Asien beziehungsweise Amerika: die Marmorierte Baumwanze (siehe Stichwort) und die Amerikanische Kiefernwanze.

„Die haben sich besonders stark im städtischen Bereich ausgebreitet“, sagt Riedel, daher würden sie den meisten auch eher auffallen. Heimische Wanzenarten findet man bevorzugt im ländlichen Raum.

Lästig, aber harmlos

Ekelfaktor beiseite sind die Wanzen für Menschen genauso harmlos wie ihre europäischen Verwandten. Wer eine empfindliche Nase hat, sollte trotzdem nicht beherzt zugreifen. „Die Wanzen reagieren mit einer Absonderung aus ihren Stinkdrüsen, wenn sie sich in Gefahr wähnen“, sagt Riedel. „Man sollte sie also lieber in einem Glas nach draußen befördern als sie plattzudrücken.“

Wer die Plagegeister erst gar nicht in der Wohnung haben will, lässt am besten am Abend das Licht aus, wenn ein Fenster offen ist. Wie alle Insekten suchen sie die Helligkeit.

Dass sich die zugereisten Wanzen seit ihrer Ankunft in Karlsruhe und anderen badischen Städte so massiv vermehren, hat verschiedene Gründe. „Das Wetter und ökologische Ursachen spielen hier eine Rolle“, sagt Insektenfachmann Riedel. Normalerweise sind die Tiere schon im Spätsommer auf der Suche nach einem Platz für den Winter. Bleibt es wie 2018 und in diesem Jahr lange warm, sind auch die Wanzen länger aktiv.

Wanzen haben noch keinen natürlichen Feind

Das heißt aber nicht, dass Wanzen-Plagen wie 2018 in den nächsten Jahren zur Gewohnheit werden. Einerseits muss das Wetter passen, auch die Temperaturen im Frühjahr spielen für den „Wanzenzyklus“ eine Rolle. Andererseits hat sich bisher noch kein Gegenspieler etabliert – das macht es den Wanzen zur Zeit noch besonders einfach.

„Das kann sich aber ändern, wie die Erfahrung uns lehrt“, so Riedel. „Beispielsweise sind vor rund zehn Jahren die Asiatischen Marienkäfer neu aufgetaucht. Die Tiere saßen an vielen Orten in ganzen Schichten. Mittlerweile hat sich das ein wenig eingependelt.“

Wanzen legen bis zu 450 Eier

Die ersten Wanzen dieses Spätjahres waren in den vergangenen Tagen auf Quartiersuche zu beobachten. Wie viele es werden, lässt sich nicht seriös abschätzen, sagt Alexander Riedel. Experten gehen davon aus, dass das kühlere Frühjahr eine Plage wie im Vorjahr verhindert hat.

Durch die Kälte sind viele Wanzen teilweise vier Wochen später aus dem Winterschlaf gekommen. Erst dann haben sie bis zu 450 Eier gelegt. So sind in diesem Jahr anders als 2018 keine zwei Generationen geschlüpft, die Zahl der Wanzen auf der Suche nach Wärme ist geringer.

Die Marmorierte Baumwanze (Halyomorpha halys) ist ursprünglich in Ostasien zu Hause. Sie wird zwölf bis 17 Millimeter groß, ist ockerfarben mit vielen schwarzen Punkten und hat einen lang gestreckten, rechteckigen Kopf. Umgangssprachlich werden die Wanzen auch „Stinkkäfer“ genannt.

Außerhalb Asiens wurden Marmorierte Baumwanzen erstmals im US-Bundesstaat Pennyslvania im Jahr 2001 nachgewiesen. Seitdem haben sich die Tiere schnell ausgebreitet und sind mittlerweile in großen Teilen Nordamerikas zu finden. Dort haben sie sich zu einem der bedeutendsten Schädlinge für Früchte, teilweise auch für Gemüse und Ackerpflanzen entwickelt. Auf dem Speiseplan der Baumwanzen stehen laut Experten mehr als 300 Pflanzensorten, darunter Äpfel, Trauben, Spargel, Mais, Tomaten und verschiedene Wald- und Zierpflanzen.

Der erste Nachweis in Deutschland geht auf das Jahr 2007 zurück. Damals waren die Marmorierten Baumwanzen als blinde Passagiere in Transportkisten über den Atlantik gereist und in Bremerhaven entdeckt worden. Vor einer Ausbreitung wurden sie entfernt. Die aktuelle Population geht laut Forschungen vermutlich auf einige nach Zürich eingeschleppte Wanzen zurück. Ebenfalls 2007 wurden die Tiere dort nachgewiesen. Aus der Schweiz haben sie sich seitdem im gesamten Alpenraum breitgemacht.

2011 tauchten die ersten Tiere in Konstanz auf, 2017 in Stuttgart. Im vergangenen Jahr folgte die für jeden sichtbare Wanzen-Plage unter anderem in Freiburg und in Karlsruhe.

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