Wer fällt darauf rein? Diese Frage mag banal klingen und dennoch: Betrugsfälle mit dem Enkeltrick oder falschen Polizeibeamten tauchen in regelmäßigen Abständen auf. Betroffen sind fast immer ältere Menschen. Ihr Verlust: oft mehrere Tausend Euro bis hin zur gesamten Altersvorsorge.
Im Gespräch mit Redaktionsmitglied Janina Keller sprechen Remigius Kraus und Michael Kuhn vom Polizeipräsidium Karlsruhe über Unwissenheit bei den Betroffenen und die professionelle Masche der Täter.
Erinnern Sie sich an einen besonders schweren Fall?
Michael KuhnEine etwa 80-jährige Frau wurde im vergangenen Jahr von einem falschen Polizeibeamten angerufen. Er hat sie die ganze Nacht über wachgehalten, ein Dauergespräch über fünf Stunden. Irgendwann durfte sie sich ein paar Minuten ausruhen, ohne das Telefon aufzulegen. Letztlich war sie komplett übermüdet, hat am nächsten Morgen sämtliche Ersparnisse bei der Bank abgehoben, das Geld in eine Plastiktüte gesteckt und im Flur deponiert. Eine Stunde später war das Geld weg.
Konnten Sie die Betrüger fassen?
Michael KuhnDie falschen Polizeibeamten sitzen meistens in einem Callcenter in der Türkei. Kundendaten potenzieller Opfer werden auf Facebook gehandelt. In Deutschland sind viele der Betrüger sogar namentlich bekannt. Sie sind aber türkische Staatsbürger und werden entsprechend der Gesetze nicht ausgeliefert. Wir können zwar um ein Verfahren bitten, haben es aber nicht in der Hand. Das beste Mittel, ihnen in die Quere zu kommen, ist Prävention.
Eine Tat also verhindern, bevor sie geschieht.
Michael KuhnDie Opfer dürfen die ganze Zeit über nie auflegen, selbst auf dem Weg zur Bank nicht. Ein Telefonat beim Enkeltrick dauert bis zu zwei Stunden, bei den falschen Polizeibeamten zieht sich das Gespräch noch länger. Wenn die Täter erfolgreich waren, rufen sie oft auch ein zweites Mal an. Für den Weg zur Bank wird notfalls sogar ein Taxi organisiert.
Remigius KrausEs ist nicht so, dass sich ein Enkeltrick-Betrüger direkt mit „Hallo Oma“ meldet. Der Anruf beginnt immer mit Fragen wie „Weißt du, wer ich bin?“. Angepasst an die Antworten übernimmt der Täter seine Rolle.
Bleiben wir beim Enkeltrick. Es gibt sicher noch weitere Indizien, bei denen die Alarmglocken angehen sollten.
Remigius KrausDie Täter schauen gezielt im Telefonbuch, welche Vornamen klingen, als würden sich ältere Menschen dahinter verbergen. Das Gespräch verläuft immer per Du. Der Anrufer stellt Fragen, die ins Persönliche gehen. Dadurch baut sich Vertrauen auf, so dass er bei der siebten oder achten Frage zum eigentlichen Ziel kommt: Das Opfer soll ihm Geld leihen. Die Täter warnen sogar vor dem Enkeltrick und wollen so Sicherheit vortäuschen. Sie geben Tipps, wie diese sich bei der Bank verhalten sollen. Das ist alles sehr professionell.Wer in dieser Maschinerie feststeckt, macht Dinge, über die er später den Kopf schüttelt.
Das klingt nach psychologischen Tricks.
Remigius KrausRichtig. Mein Tipp ist daher: Wenn jemand anruft, der sich nicht mit dem Namen meldet oder direkt mit einer Frage beginnt, auflegen. Das empfinden viele als unverschämt und genau hierin liegt das Problem. Wir lernen von Kind an, Rede und Antwort zu stehen.
Kann man die Tat stoppen?
Remigius KrausDas Vorgehen der Betrüger ist zeitlich eng getaktet. Die Möglichkeit, während des Gesprächs nachzudenken oder den realen Verwandten anzurufen, ist nicht mehr gegeben.Wir versuchen daher, Mitarbeiter von Taxiunternehmen und Banken zu sensibilisieren.
Michael KuhnDas greift aber nur, wenn das Vermögen nicht unter dem Kopfkissen liegt. Wir bitten daher darum, Geld auf die Bank zu bringen und dort zu lassen.
Worauf sollte man noch achten, um nicht selbst Opfer zu werden?
Remigius KrausDu kannst dein Geld geben, wem du willst. Aber derjenige muss persönlich vorbeikommen. Die Betrüger schicken immer einen Boten.
Und mit Blick auf die falschen Polizeibeamten?
Remigius KrausEin Polizist holt niemals Geld bei Bürgern ab. Die Betrüger rufen oft mit einer Nummer an, die aus der Ortsvorwahl und der 110 besteht. Die Polizei kann aber mit der 110 gar nicht telefonieren.
Das Ziel der beiden Maschen ist dasselbe, der Weg dahin aber unterschiedlich.
Remigius KrausBeim Enkeltrick wird mit der Freude des Opfers gearbeitet. Die Täter spielen vor, zum Beispiel eine Immobilie kaufen zu wollen, um in die Nähe des Angerufenen zu ziehen. Alternativ bitten sie um Geld für ein neues Auto.
Michael KuhnDie falschen Polizeibeamten nutzen wiederum die Angst vor einem potenziellen Einbruch oder einer drohenden Haftstrafe. Es seien Informationen über das Bankkonto bei Verbrechern gefunden worden, vor deren Missbrauch die Polizei jetzt schützen wolle. Die Täter sind skrupellos - bis hin zu Todesdrohungen.
Das könnte das Vertrauen in die Polizei erschüttern.
Remigius KrausDiese Sorge treibt uns um. Dass die Bevölkerung noch skeptischer wird, als sie es zum Teil schon ist. Bei erfolgreichen Taten kann die komplette Altersvorsorge weg sein, alles, was sich die Menschen jahrelang am Mund abgespart haben. Es gibt Leute, die zerbrechen daran. Geld bekommen sie selten zurück. Den seelischen Teil kann man versuchen, aufzuarbeiten.
Kontakt zur Polizei
Remigius Kraus und Michael Kuhn vom Polizeipräsidium Karlsruhe stehen am Freitag, 24. Juli, von 13 bis 17 Uhr für Fragen bereit unter (07 21) 6 66 12 04 sowie (07 21) 6 66 12 05.