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Stiller Weltstar

Tennis-Legende aus Baden: Steffi Graf wird 50

Steffi Graf wird am 14. Juni 50 Jahre alt. Sie ist eine Legende des Tennissports aus dem badischen Brühl. bnn.de blickt zurück auf ihre Karriere, mit einem Karlsruher Trainingspartner auf ihre Liebe zu Musikkonzerten und auf die Steueraffäre um ihren Vater Peter Graf, die die BNN 1995 öffentlich machten.

Steffi Graf
Steffi Graf beobachtet ein Tennis-Match als Zuschauerin. Foto: Frank Molter/Archivbild

Wenn sie des Sommers mal Zuhause war, damals war’s noch das Reihenhaus der Eltern Heidi und Peter in der Brühler Normannenstraße, wusste das jeder in der Nachbarschaft. Die Tennishemden der Stefanie Maria Graf, genannt Steffi Graf, hingen zum Trocknen über einer Wäscheleine im Garten der Familie.

Und wenn sich der Eismann in der Straße mit einem Bimmeln näherte, so war das dressierte Wunderkind auch da oft fix auf den Beinen und stand für Schokolade und Vanille vor dessen Wagen an. 30 Pfennig die Kugel.

Der Rückzug in die Normalität badischer Provinz: Wichtig war er der Dauerreisenden in der verrückten Tenniswelt schon als Teenager. Man schrieb das Jahr 1985, im Walkman der Musikliebhaberin Graf lief noch Michael Jacksons „Thriller“.

Vater Peter Graf war fast allgegenwärtig

Fast allgegenwärtig: Ihr impulsiver Vater. Von Haus aus Versicherungskaufmann und Gebrauchtwagenhändler, als Trainer ein Autodidakt, der die Kunst der großen Zwei, Martina Navrátilová und Chris Evert, bis ins Detail studierte und sezierte.

Ohne den Patriarchen ging im Kosmos des Tennisprofis nichts, und jener begann nach und nach, das große Rad zu drehen. Peter Graf teilte den unbändigen Ehrgeiz seiner Tochter auf geschäftlicher Ebene und war achtsam, dass die süßen Freuden der Tochter deren Lust aufs Vorankommen im Millionenbusiness nicht gefährdeten.

Weit über Badens Szene hinaus war bekannt, wie es in der neureichen Grafschaft lief: Dort, wo das Mädchen herkam, aus dem mit einem Seil als Netz versehenen Hobbykeller der Familie, waren Schoko und Vanille nicht die Regel. Steffis Spielplatz war ein linierter Mikrokosmos auf Sand. Sie selbst wollte das so, sagte sie stets, ohne dann so auszusehen.

Mutter von Steffi Graf hielt ihr Vater und Tochter den Rücken frei

Heidi Graf hielt dem Duo den Rücken frei. Dass aus Allerwelts-Steffi die größte deutsche Sportlerin werden würde, war seinerzeit so unabsehbar wie der Mauerfall in Berlin vier Jahre später. Die gebürtige Mannheimerin sollte es zusammen mit Boris Becker, nur ein paar Kilometer von Brühl entfernt in Leimen aufgewachsen, fügen, dass die Deutschen Tennis-Versteher wurden.

Zu einem Volk, das tief in der Nacht aufstand und seine Röhrenfernseher heiß laufen ließ, sobald sich die Graf mit der Navrátilová, der Sabatini, der Sanchez oder der Seles an einem der amerikanischen Hotspots Bälle um die Ohren drosch.

Grafs gnadenlos präzise Vorhand-Peitsche war eine Waffe, ihr grundsolider Aufschlag oft die halbe Miete, ihre schnellen Beine die Basis allen Ruhms und ihre ausdauernde Selbstdisziplin für fast alle Gegnerinnen lange Zeit des Guten zu viel. In der Tennis-Moderne, in der die Damen die Rückhand meist doppelhändig spielen, wäre selbst Grafs Schwäche, die nur als Slice gespielte Rückhand, eine giftige Angelegenheit.

Steffi Graf feiert ihren Geburtstag still und leise

Graf war jungen Mädchen das leuchtende Beispiel einer Athletin, die konsequent war in allem, was sie tat – und in dem, was sie nicht tat. So ist es und so ist sie geblieben. Für Angelique Kerber, die erste deutsche Wimbledonsiegerin nach der Brühlerin, ist Graf das Idol wie für alle anderen, die nach ihr kamen.

Dass die Gräfin an diesem Freitag in ihrer Wahlheimat Las Vegas als stille Größe ihren 50. Geburtstag feiern wird, zusammen mit ihrem Mann Andre Agassi, den Kindern Jaden Gil (17) und Jaz Elle (15) und drei Haushunden, entspricht ihrem Naturell. Agassi sagt über seine Frau, mit der er seit 18 Jahren verheiratet ist und sich angeblich nur über die Handhabung von Zahnpastatuben und über verknotete Ladekabel zoffe: „Sie lebt nach ihren Werten, ist ihnen treu. Sie redet nicht, sie lebt einfach. Sie hat einen überragenden Spirit.“

22 Grand-Slam-Titel im Einzel – Gold bei Olympischen Spielen

Diesen Spirit belegen die nackten Zahlen ihrer einzigartigen Tenniskarriere: Bald nach ihrem ersten Finalsieg über Navrátilová 1986 bei den German Open in Berlin (das Stadion trägt heute ihren Namen) stand Brühl zum Empfang Spalier.

Ein Vorgeschmack nur: Graf sollte zwischen 1988 und 1999 insgesamt 22 Grand-Slam-Titel im Einzel gewinnen – siebenmal in Wimbledon, sechsmal in Paris, fünfmal in New York und viermal in Melbourne –, sie holte 1988, als bislang einzige Spielerin, den Golden Slam, also alle vier Grand-Slam-Titel und zudem Gold bei den Olympischen Spielen in Seoul.

Graf spielte bis zu ihrem Rücktritt in der Folge eines denkwürdigen finalen Grand-Slam-Triumphs über die elf Jahre jüngere Martina Hingis in Roland Garros 23 Millionen Dollar an Preisgeldern ein, stand 377 Wochen an der Spitze der Weltrangliste. Graf war abseits der Tennisplätze in vertrauter Gesellschaft längst nicht so scheu und introvertiert, ja spröde, wie sich die Öffentlichkeit das ausmalte – nur weil sie keine Interviews wie „Bumm Bumm Boris“ gab.

Karlsruher Trainingspartner erinnert sich

Auch war sie in einer Schwäche zuverlässig, wie sich ihr früherer Karlsruher Trainingspartner Markus Schur erinnert. „Sie ging wahnsinnig gerne zu Musikkonzerten. Nach Ankunft in einer Stadt informierte sie sich immer sofort darüber, wer dort gerade so auftrat. Dann ließ sie sich von ihrer Agentur die Tickets dafür kommen“, erzählt der frühere Bundesligaspieler, der im Graf-Universum der 1990er als Linkshänder den Spielstil der Navrátilová zu kopieren hatte.

Für Schur, selbst großer Musikfreund, hatte das Faible der eisern Disziplinierten auf Reisen Gutes wie Schlechtes. Denn an der Seite der Dickköpfin eilte man immer davon. Nicht nur auf Verfolgungsjagden mit Paparazzi in Rom, sondern eben auch, wenn es am schönsten war.

Training beim TC Rüppurr im Jahr 1990: Markus Schur mit Steffi Graf.
Training beim TC Rüppurr im Jahr 1990: Markus Schur mit Steffi Graf. Foto: pr

1994 beim Reunion-Konzert der Eagles in New York tat es Schur weh: „Dritte Reihe Mitte, ein angenehmer Sommerabend, 30 Grad, um dich rum nur Prominente, gigantisches Konzert. Wer steht fünf Minuten vor der Zugabe auf und geht, weil am nächsten Morgen trainiert wurde? Steffi. Ihre Professionalität war ungeheuer“, erzählt Schur.

Und auf dem Trainingsplatz könne er sich „an keinen einzigen Schlag von ihr erinnern, den sie nicht mit Sinn und Verstand gespielt hätte“. Da ließ eine niemals locker. Fräulein Forehand, die Jahrhundertsportlerin.

Steffi Graf nur noch selten in der Heimat

Und heute? Ist Graf ganz der stille Weltstar, der sich in Nevada ums Wohl der Familie sorgt und nur selten nach Deutschland zurückkehrt. Wenn sie es doch mal tut, dann um Geld zu sammeln für die von ihr gegründete Stiftung „Children for tomorrow“. Diese kümmert sich um die therapeutische Behandlung von Kindern und Jugendlichen, die Opfer von Krieg, Flucht und organisierter Gewalt wurden.

Tennis? Immer seltener. Graf zahlt den Preis der eineinhalb Jahrzehnte auf Tour. Wenn sie mit ihrem Gatten Andre, der zwischen 1994 und 2003 selbst acht Grand-Slam-Titel gewann, doch mal wieder Bälle schlägt, dann ohne jeden Wettbewerbsgedanken, gesteht Graf. „Dann geht es darum, dass wir uns nicht weh tun.“

Apropos: Der eineinhalb Jahre ältere Boris Becker gratulierte der Jubilarin und Wegbegleiterin seit Kindheitstagen im badischen Leistungszentrum Leimen via Instagram nun zwei Tage zu früh; auch übermittelte er: „Es tut ein bisschen weh, 50 zu werden, aber man kommt drüber.“ Trost für alle Tennis-Romantiker: Der Boom war zwar einmal, aber die Legende der graziösen Gräfin, sie altert in wahrer Würde.

BNN und die Steueraffäre Peter Graf

Es gibt Nachrichten, die zunächst einmal ungläubiges Erstaunen auslösen. So wie jene, die sich ganz langsam auf den Fluren der BNN im Juli 1995 breitmachte. „Was, Steffi Graf? Das kann doch nicht sein …“ Aus gut unterrichteten Kreisen, wie es stets so schön heißt, hatte ein Kollege einen brandheißen Tipp bekommen: Die Steuerfahndung sei im Hause des Tennis-Weltstars aus Brühl unterwegs gewesen. Es habe Beschlagnahmungen geben. Der Verdacht von Steuerbetrug in großem Umfang stehe im Raum.

Was die Nachricht besonders heiß machte: Die Aktion der in Mannheim angesiedelten Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität lag schon Wochen zurück.

Und noch immer wusste die Öffentlichkeit nichts von den Ermittlungen. Der Zufall, oder auch: gute Kontakte, hatten den BNN diese Nachricht mit Sprengkraft ins Haus gespült. Natürlich verlässt sich kein seriöser Journalist auf nur einen einzigen Hinweis. Es wurde diskutiert, gegengecheckt. Und das alles bei größter Verschwiegenheit, um bloß die Konkurrenz nicht auf den spektakulären Fall aufmerksam zu machen. Was wusste man genau? Was konnte daraus geschlossen werden?

Und dann war es soweit: Am 11. Juli, einem Dienstag, entschied sich die Chefredaktion zur Veröffentlichung. Am Mittwoch, 12. Juli, meldeten die BNN exklusiv: „Steuerfahndung im Haus von Steffi Graf / Großangelegte Durchsuchungen / Ermittlungen auch gegen Vater Peter Graf“.

Ein weltweites Medienecho war die Folge. Beim damaligen Oberstaatsanwalt in Mannheim stand das Telefon nicht mehr still. Journalisten aus England und Spanien, Fernsehanstalten und Nachrichtenagenturen, alle wollten wissen, warum gegen die Wimbledonsiegerin ermittelt wurde, eine junge Frau, die in der ganzen Welt ihre treuen Fans hatte. Es dauerte Tage und Wochen bis die Details des Steuerbetrugs ans Licht kamen.

Am 2. August 1995 wurde Peter Graf (Foto: dpa) wegen des dringenden Tatverdachts der Steuerhinterziehung verhaftet. Im April 1996 wurde Anklage erhoben gegen Graf und seinen steuerlichen Berater wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 19,6 Millionen Mark. Im Januar 1997 wurde Peter Graf zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.

Steffi Graf ordnete in der Folge ihre finanziellen Geschäfte neu. Ihr Vater wurde 1998 vorzeitig aus der Haft entlassen. „Ich muss in Urlaub, irgendwo ans Wasser, und Abstand von der Zeit im Gefängnis bekommen“, sagte er, als er im Frühjahr 1998 einem Tenniszentrum in Sinzheim einen Besuch abstattete, den BNN – also jener Zeitung, mit der die Steueraffäre ihre breite Aufmerksamkeit erhalten hatte.

Peter Graf verstarb am 30. November 2013 in Mannheim.

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