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Neues aus dem Elternalltag

Theorien zu schmutzigem Geschirr

Kleine Scherzfrage: Was bewegt sich noch langsamer als schmutziges Geschirr auf dem Weg von einem Teenie-Zimmer in die Spülmaschine? Antwort: Eine tote Schnecke. Von den großen und kleinen Herausforderungen beim Zusammenleben mit einem Heranwachsenden in residence, erzählt unsere Kinderkram-Kolumne.

Die Welt ist bunt: Vor allem mit Kindern.
Die Welt ist bunt: Vor allem mit Kindern. Foto: Dolgachov/Fotolia

Es gibt etliche Theorien darüber, warum gebrauchtes Geschirr für seinen Weg vom Teenager-Zimmer in die Spülmaschine länger braucht, als eine Reise zum am weitesten von der Erde entfernten Planeten unseres Sonnensystems dauern würde. (Nebenbei bemerkt: Er heißt OGLE-2005-BLG-390Lb und bis dahin sind es 21 000 Lichtjahre.) Der von wenig fantasiebegabten Eltern angenommene Grund für die exorbitante Zeitverzögerung heißt chronische Faulheit. Aus Sicht eines Teenagers jedoch beschreibt dieser das Phänomen nur unzureichend. Dessen Erklärungsversuche in der Reihenfolge ihrer Vorbringung:

1. „Schmutziges Geschirr gibt es nicht.“ – Dumm nur, dass der Erwachsene dieses Theorem mühelos und empirisch mit einem vorwurfvoll vorgetragenen „Und was bitte ist das dann?“ widerlegen kann. Angesichts dreier tiefer Teller mit angetrockneten Resten von Tomatensoße, zweier leerer Joghurtbecher, in denen eine grünlich-pelzige Substanz den Kaffeelöffel überzieht und nochmal dreier Trinkgläser, deren gelblicher Bodensatz aus Saft (hoffentlich!) eindeutig auf eine Benutzung irgendwann zwischen dem Ende des Krieges und dem Beginn des digitalen Zeitalters hinweist, schwenkt der Teenager auf eine andere Argumentationslinie um.

2. Erklärungsversuch: „Ich habe das nicht gesehen.“ Dieser Ansatz scheint dem Erziehungsberechtigten immerhin nachvollziehbar. Tatsächlich waren Teller, Löffel und Gläser unter dem sich darüber türmenden Berg aus alten T-Shirts, verknitterten Kopien vom Bio-Unterricht und einem Vogelnest ähnlichen Knäuel aus Kabeln für Kopfhörer, Netzteile und Adapter auf den ersten Blick nicht zu sehen.

Der Teenager schiebt sogleich Erklärungsversuch Nummer 3 hinterher: „Das steht noch nicht lange hier.“ Man muss weder Kriminalist noch Archäologe sein, um auch diese Ausrede zu entlarven. Der Biolehrer nämlich hat die unangenehme Angewohnheit, das Ausgabedatum seiner Unterrichtsmaterialien oben rechts in der Ecke handschriftlich zu vermerken.

Der eiligst nachgeschobene Erklärungsversuch Nummer 4 wird schon kleinlauter vorgetragen: „Das ist gar nicht von mir?“

Liebe Teenager, warum macht ihr es euch eigentlich immer wieder so schwer? Jeder Erwachsene, der nach einem langen Arbeitstag euer Zimmer betritt und dem der Geruch verwesender Speisereste auf Teilen des wertvollen Erbgeschirrs von Tante Carla den Atem raubt und die Sinne benebelt, weiß doch, wie es ist. Und natürlich hat euch der im Treppenhaus des Einfamilienhauses wütende Photonensturm den Zugang zur Küche im Erdgeschoss unmöglich gemacht. Und selbst wenn ihr den – das gute Geschirr höchst prekär im Arm balancierend – überwunden hättet, wären da ja immer noch die gefräßigen Sandwürmer gewesen, die unter dem Küchenboden versteckt, auf frisches Teenagerfleisch und ihr angetrocknetes Geschirr lauern, um diese mit Haut und Haaren zu verschlingen.

Ein guter Rat, liebe Teenies: Immer hübsch bei der Wahrheit bleiben. Die ist immer am plausibelsten.

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