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Vor den US-Wahlen

Tiefschlaf und Pyjama-Party: Wie US-Amerikaner in Baden die Wahlnacht verbringen

Deutschland schläft - Amerika wählt. Wie verbringen Amerikaner bei uns die spannendste Wahlnacht seit Jahrzehnten? Die BNN haben sich umgehört.

Der Sitz des US-Präsidentenm, das Weiße Haus in Washington. Das Haushaltsdefizit der US-Regierung ist wegen der Corona-Hilfen sprunghaft angestiegen.
Deutschland schläft, Amerika wählt: Viele der US-Amerikaner bei uns wollen trotz den Zeitverschiebung das Rennen um das Weiße Haus in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch mitverfolgen. Foto: Carolyn Kaster/AP/dpa

Wie er die Wahlnacht verbringen wird? Spencer Mason, US-Amerikaner aus Pforzheim, weiß es noch nicht. Aber er weiß, was er nicht tun wird. „Ich werde nicht Fernschauen und mich stattdessen von den Medien fernhalten“, sagt der Sänger am Stadttheater.

Es ist nicht so, dass ihn der Ausgang der Präsidentschaftswahlen in seiner Heimat nicht interessiert – ganz im Gegenteil. Aber mit Schrecken erinnert er sich noch an die Wahlnacht vor vier Jahren. „Für Hillary Clinton hatte ich mir den Wecker auf 2.30 Uhr gestellt und dann habe ich eine der schrecklichsten Nächte meines Lebens erlebt. Das passiert mir nicht nochmal“, weiß Mason.

Trump oder Biden? Biden oder Trump?

Deutschland schläft – Amerika wählt. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch sind Millionen von US-Bürgern dazu aufgerufen, den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu wählen. Trump oder Biden? Biden oder Trump?

Das ist die Frage, die die ganze Welt am 3. November und wahrscheinlich noch darüber hinaus in in Atem halten wird. In Baden-Württemberg lebten Ende 2019 fast 17.500 Männer und Frauen mit US-amerikanischem Pass.

James Dymond, Amerikaner lebt in Mannheim.
Demokrat im Ausland: James Dymond will die ganze Wahlnacht hindurch wach bleiben. Foto: James Dymond

In Wahrheit sind es noch einige Tausend mehr, aber Mitarbeiter und Familienangehörige der US-Stationierungsstreitkräfte und der diplomatischen und konsularischen Vertretungen sind nicht im Ausländerzentralregister erfasst. Darunter sind Demokraten und Republikaner, Wähler und Nicht-Wähler, Menschen, die sich offen zu ihrer politischen Couleur bekennen und andere, die am Liebsten anonym bleiben möchten.

Aufgeheizte Stimmung

Eine von ihnen ist die Frau, die sich am Telefon Sarah nennt. Sie will nicht, dass ihr richtiger Name in der Zeitung oder im Internet erscheint. Warum?

„Bei dieser Wahl ist die Nation so gespalten wie noch nie zuvor und die Stimmung ist wahnsinnig aufgeheizt.“ Obwohl Sarah schon seit 30 Jahren in Karlsruhe lebt, gehen ihr die Ereignisse in ihrer Heimat sehr nahe. Deshalb will sie am Mittwoch morgen auch sehr, sehr früh aufstehen.

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Sammelt Wählerstimmen: Nancy Schimkat engagiert sich für „Democrats abroad“, die Auslandsabteilung der amerikanischen, demokratischen Partei. Foto: Nancy Schimkat

„Wie beim letzten Mal auch werde ich meinen Wecker auf fünf Uhr morgens stellen. Dann stehe ich auf und schalte den Computer ein.“ Auf der Internetseite der New York Times wird Sarah den Live-Ticker verfolgen und nebenher immer mal wieder den Kanal wechseln.

Die ganze Nacht dabei

James Dymond aus Mannheim dagegen will von der ersten Minute an dabei sein. „Um 1 Uhr deutscher Zeit schließen an der Ostküste die ersten Wahllokale und dann sitze ich vor dem Computer und schaue, was passiert.“ Dass die Wahlnacht diesmal eine ziemlich einsame Veranstaltung sein wird, bedauert Dymond sehr.

„Normalerweise hätten ein paar amerikanische Arbeitskollegen und ich wahrscheinlich eine große Wahlparty veranstaltet. Mit Getränken, literweise Kaffee und Unmengen von diesen unvernünftigen aber unfassbar leckeren amerikanischen Süßigkeiten“, sagt er.

Wegen Corona muss das ausgerechnet in diesem so spannenden Wahljahr ausfallen. Stattdessen will James Dymond sich mit einigen aus der Gruppe zu einem Zoom-Meeting verabreden. Gemeinsam werden sie dann die amerikanischen Fernsehsender streamen und immer mal wieder auch einen Blick auf das Prognose- und Statistik-Portal „fivethirtyeight.com“ werfen.

Vorschlafen, Kaffee und Adrenalin

Sechs Stunden dauert es, bis um 7 Uhr morgens unserer Zeit in Alaska das letzte Wahllokal schließen wird. Ob James nicht fürchtet, vor dem Rechner wieder einzunicken? „Ich werde am Dienstag noch ein wenig vorschlafen. In der Nacht werde ich viel Kaffee trinken und höchstwahrscheinlich wird angesichts der Ergebnisse in manchen Staaten auch Adrenalin fließen“, prophezeit er. Vorsorglich hat er sich für den Tag nach der Wahlnacht aber frei genommen.

Marc Hebert aus Linkenheim-Hochstetten sieht der Wahl völlig gelassen entgegen. Der bekennende Trump-Wähler rechnet ohnehin nicht damit, dass es am Morgen des 4. November ein Ergebnis geben wird. „Das kann Tage dauern, Wochen“, meint er. Die Nacht will er sich deshalb jedenfalls nicht um die Ohren schlagen. „Das tun nur Politik-Junkies“, sagt er.

Eine ganz besondere Wahlnacht

Ein solcher Politik-Junkie ist zum Beispiel Nancy Schimkat aus Weinheim. Als Mitglied der Auslandsorganisation der Demokraten, den „Democrats abroad“, setzt sie sich alle vier Jahre dafür ein, dass ihre Landsleute von Deutschland aus von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Die Wahlnacht 2020 wird in jeder Hinsicht besonders sein, prophezeit sie.

Allein mit Popcorn, ein bisschen Wein und viel Kaffee wird sie die ganze Nacht am Rechner in ihrer Küche sitzen und ständig zwischen privaten Videochats, der Zoom-Pyjama-Party ihrer Auslandsdemokraten und Nachrichtensendungen auf CNN und anderen Kanälen hin- und herschalten. Ihre Stimmung? „Hoffnungsvoll“, sagt Nancy, die sich ganz sicher ist: „Wir werden Rekord-Wahlzahlen sehen. Gut für die Demokraten und gut für die Demokratie.“

Spencer Mason aus Pforzheim ist ebenfalls Demokrat. Aber weil er findet, dass das Leben kurz ist, mag er den „nonsens“ rund um die Wahl nicht mitmachen. Gewählt hat er schon lange und jetzt, wie in der Wahlnacht auch, hofft er inständig auf Biden. „Einfach, damit ich wieder ruhig schlafen kann“, sagt er.

Prognosen, Infos und Wahl-Yoga

Um 1 Uhr deutscher Zeit schließen in den Staaten Georgia, South Carolina, Virginia, Vermont, Indiana und Kentucky die ersten Wahllokale. Sechs Stunden später, um 7 Uhr deutscher Zeit, beginnt dann der letzte Bundesstaat Alaska mit der Auszählung der Stimmen. Wer die Geschehnisse der Wahl von Europa aus verfolgen will, der wird also eine sehr große Kanne, sehr starken Kaffees brauchen. Auch ein stabiles WLAN ist hilfreich, denn viele Angebote werden nur im Internet zu sehen sein.

Folgende US-Fernsehsender bieten ein umfangreiche Live-Berichterstattung an: abcnews.com, cbsnews.com, nbcnews.com, cnn.com, msnbc.com. Für Neuigkeiten aus dem Trump-Lager bietet sich foxnews.com an.

Aber auch verschiedene Zeitungen wie die Washington Post und die New York Times bieten einen Live-Ticker. Ein interessantes Audio-Angebot macht der Radiosender npr.com.

Wahlprognosen, Quizzes und andere interaktive Spielereien zum Zeitvertreib bieten die Internetseiten 270towin.com, auf der man die Wahlmänner selbst verteilen kann. Wahlergebnisse durch Analysen der Umfragen gibt es auf: fivethirtyeight.com.

Wer nochmal ein kurzes Update zum komplizierten amerikanischen Wahlsystem braucht, wird bei usa.gov fündig. Hier werden die wichtigsten Begriffe rund um die Wahl erklärt. Unter der Rubrik „Voting and election“ findet sich auch ein kompaktes Video, das unterhaltsam erklärt, wie ein Präsident gewählt wird.

Mit den ersten Hochrechnungen ist also erst in den frühen Morgenstunden zu rechen. Viele Beobachter glauben, dass es ohnehin Tage wenn nicht gar Wochen dauern kann, bis überhaupt ein Sieger feststeht.

Ab Dienstag, 3. November, um 21 Uhr lädt auch das Deutsch-Amerikanische Zentrum in Stuttgart zu einem digitalen Wahlevent. Zusätzlich zum Live-Stream mit Experten gibt es Informationen und Unterhaltung: von Hintergrundinformationen zum amerikanischen Wahlsystem und den Kandidaten über Quizzes und Comedy bis zu Wahl-Yoga.

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