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Eine Frau sitzt vor einem Fenster in ihrem Tiny House und schaut raus. Ihre Beine baumeln sichtbar im Fenster darunter.

Antwort auf Wohnungsnot?

In Karlsruhe und Waldbronn voll im Trend – Tiny Houses sind derzeit dennoch eine Nische

Sieht schon niedlich aus: So ein kleines Haus, kaum größer als ein Zimmer und recht erschwinglich im Vergleich zu klassischen Immobilen. Die sogenannten Tiny Houses sind im Trend, aber nicht unbedingt eine Antwort auf Wohnungsnot.
von Anika von Greve-Dierfeld (dpa)
4 Minuten
von Anika von Greve-Dierfeld (dpa)
4 Minuten

Früher wohnte sie in einem Haus mit 220 Quadratmetern. Heute spielt sich ihr Leben auf 22 Quadratmetern ab. Vermissen tut sie nichts. Nein, bekräftigt Carola Dreiszas, man braucht nicht viel.

Die 53-Jährige steht in ihrem supergemütlich eingerichteten Tiny House (übersetzt etwa: winziges Haus) auf einem Campingplatz in Waldbronn. Dort hat der Platzbetreiber Parzellen zur Pacht für Menschen zur Verfügung gestellt, die hier ein Tiny House hinstellen wollen.

Rund 15 stehen inzwischen dort, seit im Jahr 2018 der erste hier sein Minihaus aufbaute. Für 18 bis 20 sei Platz, erläutert die dortige Tiny-House-Besitzerin Larissa Pferdmenges vom Vorstand des Vereins Tiny Houses für Karlsruhe.

In Karlsruhe gibt es sogar einen Tiny House Verband

Tiny Houses gibt es inzwischen überall in Deutschland. Noch sind es nicht viele, denn passende Grundstücke in Wohngebieten und außerhalb von Campingplätzen sind rar.

Zahlen zur bisherigen Verbreitung von Tiny Houses und zur Einschätzung des Marktpotenzials zu finden, ist nicht einfach, erzählt Regina Schleyer, die im Vorstand des Tiny House Verbandes in Karlsruhe ist.

Ein Tiny House steht auf einer Wiese
Das Tiny House von Carola Dreiszas hat auf dem Campingplatz Albtal in Waldbronn ein Zuhause gefunden. Foto: Uli Deck/dpa

Der Tiny-House-Experte Christian Brecht hat 2021 die nach eigenen Angaben bisher erste Marktstudie dazu vorgelegt, in Zusammenarbeit mit dem Verband. Demnach gibt es inzwischen bundesweit immerhin rund 2.000 aktive Mitglieder in Vereinen und ein stark steigendes Interesse an den kleinen Häusern.

Ein Mann sitzt vor seinem Tiny House
Michele Paldino ist stolz auf sein Tiny House auf dem Campingplatz Albtal in Waldbronn. Foto: Uli Deck/dpa

Das Marktpotenzial wird in der Studie auf rund 3,9 Milliarden Euro geschätzt: Den Betrag rechneten die Verfasser aus verschiedenen statistischen Angaben hoch wie etwa der Zahl der Single-Haushalte, die ein Bauvorhaben planen und sich alternative Wohnformen vorstellen können. Knapp 60.000 potenzielle Bauherren könnten sich diesen Zahlen zufolge ein Tiny House für sich vorstellen. Laut Verband werden derzeit mehr als 500 Häuser von mehr als 75 Herstellern bundesweit gebaut.

Eine Frau steht mit einem Baby auf dem Arm vor einem Tiny House
Tiny Houses gibt es inzwischen überall in Deutschland. Noch sind es nicht viele, denn passende Grundstücke sind rar. Larissa Pferdmenges hat sich eines in Waldbronn gesichert. Foto: Uli Deck/dpa

Der Markt entwickelt sich sehr positiv, sagen Schleyer und Brecht unisono. Es gebe beispielsweise mehr und mehr Singles beziehungsweise Haushalte mit nur einer Person. Das erhöhe den Bedarf an kleinen Wohnformen, erläutert Brecht.

Minimalismus und Nachhaltigkeit sind oft Gründe für ein Tiny House

Immer mehr Menschen machten sich zudem Gedanken über ein einfaches Leben und mehr Nachhaltigkeit. 83 Prozent von 24 befragten Tiny-House-Herstellern hätten angegeben, dass „Minimalismus“ ein wichtiger Beweggrund für die Kunden sei. Die oft horrenden Preise für klassische Immobilien täten ihr übriges, um das Interesse an der Wohnform weiter anzufachen.

Eine Frau sitzt mit ihrem Baby auf dem Arm auf einem Sofa
Larissa Pferdmenges wohnt mit ihrem Mann und ihrem sieben Monate alten Sohn auf 50 Quadratmetern in Waldbronn. Foto: Uli Deck/dpa

Das bestätigt Pferdmenges, die mit Mann und sieben Monate altem Sohn seit vergangenem September auf vergleichsweise großzügigen 50 Quadratmetern lebt und keinesfalls zurück in eine Mietwohnung möchte. Mit rund 110.000 Euro war die Kleinfamilie dabei – unmöglich, zu diesem Preis ein ähnlich attraktives Eigentum im Raum Karlsruhe zu erwerben.

Ein Mann sitzt an einem Tisch in einem kleinen Haus
Auf kleinstem Raum: Jacek Hage und seine Freundin wohnen in einem 20-Quadratmeter-Häuschen auf dem Waldbronner Campingplatz Albtal. Foto: Uli Deck/dpa

Jacek Hage hat mit Freundin gerade mal 25.000 Euro für sein 20-Quadratmeter-Häuschen bezahlt und Michele Paldino für sein ähnlich kleines Haus etwa 36.000 mit allem Drum und Dran. Jetzt leben sie hier, Idylle pur auf dem Campingplatz in Waldbronn.

Ein Mann sitzt in einem Tiny House und schaut in die Kamera
Mit allem Drum und Dran hat Jacek Hage mit seiner Freundin gerade mal 25.000 Euro für sein Eigenheim bezahlt. Foto: Uli Deck/dpa

Doch nicht immer läuft es so rund für die, die sich für ein Tiny House interessieren. Baurechtlich gesehen werden die Mini-Häuser wie ganz normale Häuser behandelt. Sie sind nach Worten eines Sprechers des Bauministeriums genehmigungspflichtig, müssen – auch wenn es in manchen Bereichen Erleichterungen bei der Genehmigung gibt – Brandschutzvorgaben erfüllen und dürfen in einem Wohngebiet nur dann errichtet werden, wenn eine solche Wohnform dort erlaubt ist.

Dass die Mini-Häuser trotz niedrigerer Gesamtbaukosten zu einer ernstzunehmenden Alternative für herkömmliche Häuser werden, glaubt das Ministerium nicht. Eine Chance für diese kleine Wohnform dürfte sich insbesondere auf bestimmten, nicht vollständig genutzten Bestandsflächen ergeben oder etwa auch als „Wohn-Zwischennutzung“, heißt es von dort.

Minihäuser auf einem Wiesengrundstück
Auf dem Campingplatz Albtal in Waldbronn stehen schon 15 Tiny Houses. Foto: Uli Deck/dpa

Im Südwesten interessieren sich jedoch durchaus mehr und mehr Kommunen für die Mini-Häuser. Tiny Houses seien ein Beleg dafür, welch vielfältige Wohnformen denkbar sind, sagt der Gemeindetag. Der Blick auf schon realisierte Projekte im Land zeige, dass die Nachfrage offensichtlich vorhanden sei. Allerdings werde sich das Problem der Wohnungsnot damit nicht lösen lassen.

Die Stadt Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) hat nach eigenen Angaben erstmalig in Baden-Württemberg auf städtischen Grundstücken fünf Parzellen für Tiny Houses ausgewiesen. Alle sind inzwischen bebaut und die Mini-Häuser bezogen, die ersten im Dezember vergangenen Jahres. „Die Nachfrage war riesig“, sagt eine Stadtsprecherin. Für die Grundstücke habe es zunächst rund 150 Bewerber gegeben. Inzwischen schwoll die Warteliste auf mehr als 900 Interessenten an – die Stadt nahm das Formular dafür von ihrer Webseite.

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