Fatemehs Zukunft ist ungewiss. Wird sie in Deutschland bleiben dürfen? Wird man sie in den Iran schicken? Muss sie zurück zu ihrer Familie, die sie verstoßen hat. Erst recht jetzt, da sie ein Kind von einem Afghanen hat? „Ich kann nie mehr zurück“, sagt die junge Frau in beinahe makellosem Englisch und ihre Augen füllen sich mit Tränen. Im Iran – da wartet der Tod. In Deutschland dagegen ist Leben. Ihres und das ihres Sohnes, der vor drei Wochen in Karlsruhe zur Welt kam.
Von Samos nach Karlsruhe
Aus einem Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Samos war Fatemeh rund vier Wochen vor der bevorstehenden Geburt die Flucht nach Deutschland geglückt. Das Ankunftszentrum in Heidelberg nahm sie auf und schickte die Hochschwangere dann direkt ins Christian-Griesbach-Haus im Karlsruher Stadtteil Mühlburg. „Sie stand kurz vor der Geburt, war psychisch labil und hatte während der Schwangerschaft zehn Kilo abgenommen“, erinnert sich Hebamme Elisabeth Dreyfus-Braasch. Sie nahm Fatemeh sofort bei deren Ankunft in dem Schutzraum für Flüchtlinge auf und betreut sie seitdem.
Ungewisse Zukunft
Mutter und Kind geht es gut. Langsam kommen die beiden wieder zu Kräften und auch wenn keiner sagen kann, wie es mit Fatemehs kleiner Familie einmal weiter gehen wird (ihr Mann ist noch immer auf Samos) – hier im Griesbach-Haus sind die 24-jährige Mutter und ihr Baby vorerst sicher.
„Haben Sie vielen Dank für Ihre Arbeit.“ Mehr blieb Innenminister Thomas Strobl (CDU) bei seinem Besuch in dem Karlsruher Schutzhaus häufig nicht zu sagen. Fatemehs Schicksal gehört zu jenen mit Happy End. Doch im Griesbach-Haus gibt auch andere Geschichten zu erzählen. Manchmal enden sie mit dem Tod, zum Beispiel durch Krebs, der auch Menschen, die schon alles aufgegeben haben, nicht verschont.
Nüchtern, aber empathisch
Sentimentalität ist Emily Haeusers und Katrin Hubers Sache nicht. Nüchtern, aber empathisch berichteten die beiden Heimleiterinnen dem Minister von ihrer Arbeit. Strobl lauschte aufmerksam, fragte nach und immer wieder dankte er während seines Rundgangs den insgesamt rund 40 Mitarbeitern des Hauses, das vom Kreisverband Karlsruhe des Deutschen Roten Kreuzes betrieben wird.
Einmalige Einrichtung
Für das Land Baden-Württemberg ist die Karlsruher Einrichtung ziemlich einmalig. Anders als der Schutzraum in Tübingen, der sich überwiegend um Schwangere und Familien kümmert, steht das Karlsruher Haus allen Flüchtlingen offen, die auf medizinische Hilfe und Pflege angewiesen sind. Behinderte und Kranke zum Beispiel. „Querschnittgelähmte, Blinde, Dialysepatienten oder auch Krebskranke, die für die Dauer ihrer Chemotherapie bei uns sind – wir haben fast alles“, erklärte Emily Haeuser dem stellvertretenden Landesvater. Der zeigte sich sichtlich beeindruckt „vom hohen Maß an Professionalität und Leidenschaft“.
Viele helfende Hände
Helfende Hände braucht es für die Betreuung der derzeit 90 Patienten viele und von jedem Händepaar wird eine andere Qualifikation verlangt. Von der Verwaltungsfachkraft bis zum Erzieher, vom Hausmeister, der einen Rollstuhl reparieren kann, über die Krankenschwester, die sich mit der richtigen Medikation auskennt bis hin zur Küchenfachkraft.
Dabei ist der Umgang mit kranken Menschen unterschiedlichster Herkunft mit verschiedenen Sprachen und zum Teil schlimmen Traumata komplex. Er erfordert Geduld und psychologisches Geschick. Erschwerend kommt hinzu, dass über allen Bewohnern des Hauses ständig auch das Damoklesschwert des drohenden Transfers in eine normale Flüchtlingsunterkunft schwebt. Denn eigentlich dürfen Geflüchtete nicht mehr als drei Monate in einer Landeserstaufnahmestelle bleiben. Dann werden sie entweder auf die Landkreise verteilt oder in ihr Herkunftsland zurückgeschickt.
Forderung an den Minister
Finanziert wird das Schutzhaus zu 100 Prozent vom Land, organisiert wird es vom Regierungspräsidium Karlsruhe, das den Kreisverband des DRK mit dem Betrieb betraut hat. Den Besuch seines Amtsnachfolgers und Parteifreunds Strobl nutzte DRK-Präsident Heribert Rech um auf ein Problem aufmerksam zu machen, das die Arbeit im Schutzhaus sehr erschwere. „Weil das Regierungspräsidium immer nur Ein-Jahres-Verträge mit dem DRK abschließt, ist es sehr schwer, eine konstante Arbeit zu gewährleisten“, flüsterte Rech seinem Parteifreund noch vor dem Rundgang zu.
Die Referentin der DRK-Geschäftsführung, Lisa Gruber, formulierte ihren Wunsch dann noch einmal ganz offiziell. „Wir wünschen uns Kontinuität und Planungssicherheit“, betonte sie. Denn qualifiziertes Fachpersonal zu finden und zu halten, sei unter den gegebenen Umständen nicht leicht. Thomas Strobl versprach, sich des Themas anzunehmen.