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Kriegsmarine in Maxau

Karlsruher empfingen vor 120 Jahren jubelnd Torpedo-Schlachtschiffe

Ein Verband von sechs Kriegsschiffen der kaiserlichen Marine legte im Sommer 1900 unter großem Jubel der Bevölkerung im Hafen Maxau nahe Karlsruhe an. Die Soldaten wurden begeistert empfangen und mit großem Programm hofiert. Sie waren von Wilhelmshaven den Rhein hochgefahren. Ziel der Aktion: Sie sollten Begeisterung schüren für die Aufrüstung der der Seestreitkräfte.

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Boote B Foto: None

Die Episode vor exakt 120 Jahren ist selbst den meisten historisch beschlagenen Karlsruhern nicht geläufig: Im Sommer 1900 landen sechs Torpedoboote der kaiserlichen Kriegsmarine in Maxau. Schiffe also, die ihrem Verwendungszweck gemäß auf die Ozeane gehören und nicht ins Binnenland.

Sie sind in Wilhelmshaven gestartet und fahren stromaufwärts. Der Schiffsverband hat Köln passiert, das Deutsche Eck bei Koblenz, Bingen Mainz und Speyer. Insgesamt besucht er 49 Städte am Rhein.

Tour über den Rhein dient der Kriegsflotten-Propaganda

Die Kriegsschiffe sind tarnungshalber komplett schwarz angestrichen, um unter Kampfbedingungen für Nacht- und Nebel-Angriffe gerüstet zu sein.

Auf offener See stehen sie für Gefechte in Rudeltaktik – jetzt auf dem Rhein geht es eher um den Sieg der Propaganda: Die ungewöhnliche Tour soll bei der Bevölkerung Begeisterung auslösen für den Aufbau einer möglichst großen, schlagkräftigen Kriegsflotte. Kein Geringerer als der Leiter des Reichsmarineamtes, Alfred Tirpitz, steckt hinter dem Coup mit der Rhein-Tour.

Karlsruher empfangen die Torpedo-Besatzung besonders herzlich

In Karlsruhe fällt der Empfang für die Marineschiffe besonders herzlich aus, wie aus historischen Zeugnissen im Stadtarchiv hervorgeht. In Maxau begrüßt Oberbürgermeister Karl Schnetzler die Krieger. Quellen wie die „Chronik der Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe“ erzählen von der Musik der Dragonerkapelle, von Böllerschüssen und tausendstimmigen Hurra-Rufen.

Großherzogin Luise von Baden klettert mit ihren Hofdamen an Bord eines der Torpedoboote und lässt sich die moderne Technik erklären, anschließend besteigt man einen Sonderzug in Richtung Innenstadt. Am Abend vermerken die historischen Quellen einen „Imbiss im Stadtgartenrestaurant“ für die maritimen Gäste, ab 22.45 Uhr taucht „bengalische Beleuchtung“ den Lauterberg in stimmungsvolles Licht. Der militärische Besuch 14 Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs ist Stadtgespräch.

Audienz bei Großherzogin Luise von Baden

Fest vertäut verbringt der Kriegsschiff-Verband die Nacht vor den Toren Karlsruhes, der folgende Tag wartet mit weiteren gesellschaftlichen Höhepunkten auf: Acht der Schiffs-Offiziere kommen jeweils in den Genuss des „Ritterkreuzes des Ordens vom Zähringer Löwen“, hernach findet eine Audienz bei Großherzogin Luise statt.

Und am Abend steht im Hoftheater beziehungsreicherweise Wagners „Fliegender Holländer“ mit Kammersänger Max Büttner auf dem Programm.

Eigentlich soll die Reise stromaufwärts ja noch weitergehen. Den Strategen des Reichsmarineamts schwebt als Höhepunkt der Zielort Straßburg vor, die Hauptstadt des annektierten „Reichslandes“ Elsass-Lothringen. Wenn der Kampfschiff-Verband dort einliefe, wäre dies – so das Kalkül der Rüstungs-Protagonisten – eine hübsche kleine Provokation an die Adresse des Erzfeindes.

Doch der Coup misslingt: Der Wasserstand auf dem Rhein ist zu niedrig für die Torpedoboote, um unbeschadet weiter bis in die elsässische Kapitale zu kommen. Damit bleibt Karlsruhe der südlichste Punkt dieser denkwürdigen Schiffs-Expedition.

Anzahl der Schlachtschiffe sollte verdoppelt werden

Den zeithistorischen Hintergrund der Reise bildet das zweite Flottengesetz. Es war dem Reichstag vorgelegt worden und befand sich in parlamentarischer Beratung. Ziel sei es gewesen, die Anzahl der Schlachtschiffe von 19 auf 38 zu verdoppeln und die Budget-Hoheit des Reichstages durch eine Blanko-Vollmacht zum Bau der Schiffe regelrecht auszuhebeln, ist Bernd Ellerbrock überzeugt.

Der Autor und Journalist hat sich intensiv mit der denkwürdigen Rheinfahrt vor 120 Jahren befasst und ein Buch darüber vorgelegt. Es sei ein letztlich säbelrasselndes Manöver gewesen, das Wilhelm II. da mit „allerhöchster Kabinettsorder“ am 21. April 1900 angeordnet hatte. Nach Ellerbrocks Überzeugung hatte sich der Kaiser den Aufbau einer „Furcht einflößenden Reichskriegsflotte“ zur Lebensaufgabe gemacht.

Welch große Resonanz die Landung des Schiffsverbandes vor den Toren von Karlsruhe seinerzeit hatte, veranschaulichen weitere historische Zeugnisse aus dem Bestand des Stadtarchivs. Dort hat ein 57 mal 98 Zentimeter großes Aquarell das zurückliegende Jahrhundert schadlos überdauert, welches den Abschied der Boote zum Inhalt hat. „Abfahrt der Torpedoboot-Division in Maxau in Gegenwart Ihrer Königlichen Hoheit Frau Großherzogin Luise von Baden“, ist am oberen Bildrand zu lesen.

Zu sehen ist, wie die Kriegsschiffe in „Serpentinen-Fahrt“ in einer Wolke aus dickem Rauch und Böller-Salven verschwinden, flankiert vom Begleitschiff „Prinz Heinrich“. Wer das anschauliche Bild aquarelliert hat, verliert sich im Nebel der Geschichte.

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