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Judo, Ringen und Boxen

Training ohne Körperkontakt: Wie sich Kampfkünstler durch die Corona-Zeit boxen

Ihr Job ist es eigentlich, ihren Gegner nach allen Regeln der Kampfkunst in die Knie zu zwingen. Doch in Zeiten von Corona dürfen Boxer, Ringer und Judoka nur ohne Körperkontakt trainieren. Geduld ist gefragt - und Improvisationstalent.

Fleißige Faustkämpferin: Azize Nimani vom Karlsruher SC trainiert am Olympiastützpunkt in Heidelberg.
Fleißige Faustkämpferin: Azize Nimani vom Karlsruher SC trainiert am Olympiastützpunkt in Heidelberg. Foto: Alex Grüber/Team Tokio MRN

Große Gruppen mit Athleten aus aller Welt, jeder kämpft gegen jeden, der Schweiß fließt in Strömen. Wenn Luisa Niemesch daran denkt, wie sie in diesen Tagen trainieren würde, wenn Corona die Sportwelt nicht im Griff hätte, dann klingt das für sie fast schon surreal.

„Das ist genau das Gegenteil von dem, was in Zeiten von Corona angesagt ist“, meint die Ringerin aus Weingarten. Wie ihr geht es in diesen Tagen vielen Kampfkünstlern, die aufgrund des Kontaktverbots nur sehr eingeschränkt trainieren können.

Immerhin: Seit vergangener Woche darf Niemesch am Bundesstützpunkt in Freiburg wieder mit ihren Kolleginnen in Kleingruppen trainieren – allerdings ohne Körperkontakt.

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Solange Corona-Einschränkungen gelten, können Kampfsportler nur alleine trainieren

Für Sportlerinnen wie Niemesch, deren Job es ist, den Gegner nach allen Regeln der Kampfkunst in die Knie zu zwingen, ein großes Problem. „Der Großteil unserer Arbeit findet normalerweise auf der Matte statt“, sagt die 24 Jahre alte Olympia-Kandidatin, die 2016 in Rio de Janeiro im Zeichen der Ringe gekämpft hatte. Das Trainieren mit einem Partner sei in ihrer Sportart eigentlich unabdingbar.

Doch es hilft nichts: Solange die Corona-Gefahr nicht gebannt ist, bleibt den Athleten nur, an Kondition, Kraft und Koordination zu feilen . „Danach wird es einige Wochen dauern, bis die spezifischen Bewegungsabläufe und das Gefühl wieder da sind“, schätzt Niemesch, die zudem prognostiziert: „Das erste Mattentraining dürfte extrem hart werden.“

Kampfkünstler müssen zurückstecken und kreativ sein

So wie Niemesch geht es in diesen Tagen vielen Leistungssportlern: Sie müssen zurückstecken, kreativ sein, improvisieren. Insbesondere gilt das für Athleten aus Sportarten, in denen der Körperkontakt mit dem Kontrahenten Voraussetzung ist.

Während Fußballer in Corona-Zeiten zumindest aufs Tor schießen, Tenniscracks an ihrer Rückhand feilen und Läufer ihre Kondition verbessern können, müssen Boxer, Ringer und Judoka im Training gerade auf das verzichten, was den Wettkampf für sie ausmacht: das intensive Duellieren mit dem Gegner.

Alle Informationen gibt es auf bnn.de/coronavirus

Boxerin Nimani fürchtet, das Distanzgefühl könnte verloren gehen

„Wenn du keine Partnerarbeit, kein Sparring machen darfst, fehlt dir eigentlich alles, was du im Boxen brauchst“, klagt Azize Nimani, die für den Karlsruher SC in den Ring steigt. Die Tokio-Aspirantin darf zwar seit gut einer Woche wieder am Olympia-Stützpunkt in Heidelberg an Technik, Kondition und Kraft arbeiten und gegen den Sandsack hauen, doch Körperkontakt ist nach wie vor tabu.

Vier Athleten dürfen gleichzeitig trainieren – allerdings mit dem in Corona-Zeiten üblichen Mindestabstand. Vor allem das für Boxer so wichtige Distanzgefühl könnte dabei verloren gehen, fürchtet Nimani, die festhält: „Wenn du deinen Gegner nicht triffst, dann verlierst du.“

Sollte eines Tages wieder ein normales Training möglich sein, glaubt die 29-Jährige, dass es eine Zeit lang dauern könnte, bis sie ihre Bestform erreicht.

Judoka Coban trainiert mit Schwester im Hof der Mutter

In Geduld üben muss sich auch Sappho Coban, doch daran hat sich die Judoka in den vergangenen Monaten notgedrungen gewöhnt. Im August 2019 hatte sie sich einen Kreuzbandriss zugezogen und infolgedessen für längere Zeit pausieren müssen

Nun ist Coban gerade dabei sich zurückzukämpfen. Das tut sie allerdings nicht am Olympia-Stützpunkt Stuttgart, wo die 25-Jährige üblicherweise trainiert, sondern zu Hause in Kämpfelbach bei ihrer Mutter – und das sogar mit Körperkontakt.

In einer improvisierten Wettkampfstätte im Hof geht die Athletin des Budo-Club Karlsruhe regelmäßig mit ihrer jüngeren Schwester Xenia auf die Matte. „Um Werfen und Fallen zu üben, reicht der Platz nicht. Aber die Möglichkeiten sind hier dennoch fast besser als am Olympia-Stützpunkt, weil ich eben wirklich Judo machen kann“, sagt Sappho Coban. Und nur beim Randori, vergleichbar mit dem Sparring im Boxen, ließen sich die Bewegungsabläufe trainieren, die man auch im Wettkampf braucht.

Sparringspartner in der Familie ist Luxus

Bis es für Coban, die sich nach der Verschiebung der Tokio-Spiele ins Jahr 2021 noch Olympia-Hoffnungen macht, wieder richtig ernst wird, steht noch so manche Trainingseinheit auf dem Programm – zunächst mit der eigenen Schwester. Viele ihrer Kollegen, die keinen Sparringspartner in der eigenen Familie haben, dürften sie in Zeiten von Corona um diesen Luxus beneiden.

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