Es gibt etwas, was ich außerordentlich ungern tue: Klischees bedienen. Traditionelle Rollenbilder, typisches Verhalten und vorgezeichnete Wege meide ich wie die Pest. Doch soll ich Ihnen ein Geheimnis verraten? Ich glaube, Klischees kann man niemals ganz entkommen.
Die hysterische Schwangere, die vor jedem Essen ängstlich überlegte, ob sie das nun zu sich nehmen darf oder nicht? Das war ich. Die Mutter, die ihr zentimeterdick mit 50er-Sonnencreme eingefettetes Baby beim ersten Sonnenstrahl panisch unter einem Tuch versteckte? Auch ich. Die Eltern, die plötzlich 75 Prozent ihrer Zeit mit Gesprächen über die körperlichen Ausscheidungen ihres Nachwuchses verbringen? Machen wir bis heute. Die Mutter, die im Supermarkt ob zweier nicht kooperierender Kinder die Fassung verliert? Ist mir auch schon passiert.
Auch Vater-Mutter-Rollenklischees lassen sich nicht vermeiden. Ich finde, der Kindsvater sieht erziehungstechnisch manches viel zu locker. Er findet, ich könnte mal entspannen.
Und wir leben Klischees nicht nur im Kleinen: So machte die Erstgeborene vom ersten Tag an unmissverständlich klar, dass es der Vater ist, den sie sich als Lebensverbündeten gewählt hat. Bis heute kann nur er sie – wie durch Zauberhand – innerhalb von Sekunden zur Ruhe bringen. Und bis heute ist in fast allen Belangen er ihre erste Anlaufstelle – eine Papatochter, wie sie im Buche steht. Erst war ich traurig, hauptsächlich als Nahrungsquelle mit wenig darüber hinausgehenden Funktionen angesehen zu werden. Später wurde klar, dass aufgrund ihrer Präferenzen auch Dinge wie ins Bett bringen und stundenlanges Herumtragen nicht in meinen Zuständigkeitsbereich fielen. Das fand ich weniger schlimm. Leider hatte ich die Rechnung ohne den Zweitgeborenen gemacht, der sich mit Ankunft auf der Welt sofort als Mamasöhnchen positionierte. Für ihn bin ich bis heute alles: Bezugsperson, Trostpflaster und gerne auch Schlafplatz. Aber soll ich Ihnen noch ein Geheimnis verraten? Irgendwie sind Klischees manchmal ja auch ganz nett.