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Kinderkram-Kolumne

Vater ärgere Dich nicht

"Mensch ärgere Dich nicht", sagt sich unser Redakteur und junger Vater, wenn er seine Tochter zu Bett bringen soll. Und tut es dann doch. Immer wieder. Deshalb vergleicht er die Baby-Einschlafbetreuung mit dem beliebten Gesellschaftsspiel. Man merkt: Sein Frust sitzt tief.

Die Welt ist bunt: Vor allem mit Kindern.
Die Welt ist bunt: Vor allem mit Kindern. Foto: Dolgachov/Fotolia

Kennen Sie das? Diese überschäumende Wut, die einen beim „Mensch ärgere Dich nicht“ überkommt? Man will die Spielfiguren mit einer radikalen Handbewegung vom Feld räumen, den Tisch umwerfen und am besten gleich den Karton verbrennen. Als Kind bekam ich regelmäßig Tobsuchtsanfälle, wenn Oma meine Siegträume mal wieder direkt vor dem Ziel zunichte machte. Immer wenn ich unsere Tochter zu Bett bringe, muss ich daran denken. Die Parallelen erstaunen. Zwar ist die Matratze das Feld und das Baby die einzige Spielfigur. Aber: Verlauf und Frustrationspotenzial sind gleich.

Phase 1: Die Vorbereitung

Vorfreude. Man baut das Spielfeld auf, fiebert dem Duell mit Oma entgegen und ist siegessicher. Im Bett: Das Baby zappelt, schmust und gluckst voll Wonne vor sich hin. Noch...

Phase 2: Der Spielbeginn

Die Figuren wandern nach und nach aus dem Starthäuschen und verteilen sich auf dem Feld. Im Bett: Das Kind legt seinen Kopf ab und beginnt zu dösen. Stille. Es sieht gut aus.

Phase 3: Der frühe Erfolg

Die erste gegnerische Figur kehrt, begleitet von Großmutters Fluchen, geschlagen ins Starthaus zurück. Im Bett: Das Baby schläft. Der glückliche Vater überlegt bereits, wie er seinen freien Abend verbringt. Die Gedanken kreisen um Frau, Fernseher und Fitnessstudio.

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Hohes Frustrationspotenzial: Das Gesellschaftsspiel "Mensch ärgere Dich nicht". Foto: Burgi

Phase 4: Erste Kratzer

Oma kommt wieder aus dem „Loch“, würfelt einen Sechser-Hattrick und bringt das erste Männchen ins Ziel. Ich hinke hinterher. Im Bett: Gerade, als ich mich auf und davon machen will, wird das Baby unruhig. Es zappelt, seufzt, es dreht und wendet im Halbschlaf seinen Kopf. Alarmstufe Rot: Eine falsche Bewegung – und alles ist vorbei.

Phase 5: Finale mit Frust

Oma hat drei Mann im Haus und zieht den vierten nach, nicht ohne meinen letzten aus dem Spiel zu nehmen. Kindlicher Wutausbruch, der Tag ist praktisch gelaufen. Im Bett: Ein väterlicher Nieser in Phase 4 hat fatale Folgen: Das Baby wird wach, es schreit markerschütternd und schlägt um sich wie beim Waterboarding in Guantanamo. Der freie Abend rückt in weite Ferne.

Phase 6: Nachspielzeit

Im Internet habe ich gelesen, es gebe 55 Spiele, bei denen jeder gewinnt. Wer braucht schon „Mensch ärgere Dich nicht“? Im Bett: Phase 1 bis 5 wiederholen sich. Immer wieder. Um 23 Uhr wanke ich nassgeschwitzt aus dem Schlafzimmer. Der Fernseher ist aus, die Frau auf der Couch eingeschlafen und das Fitnessstudio seit einer Stunde dicht.

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