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Ausstellung „Talking Tubes“

Vernissage mit „Tatort“-Star Jan-Josef Liefers im ZKM Karlsruhe

Vernissage mit Prominenz: Mit Jan-Josef Liefers und Anna Loos präsentierte Jean-Remy von Matt im ZKM Karlsruhe seine Ausstellung „Talking Tubes“.

Anna Loos und Jan-Josef Liefers bei der Vernissage „Talking Tubes“ am 1. Juli 2021 im ZKM Karlsruhe
Anna Loos und Jan-Josef Liefers hatten die Texte für die erste Kunstinstallation des Berliner Werbemachers Jean-Remy von Matt (links, von hinten) eingesprochen. Foto: ZKM/Chiara Bellamoli

Er kam vom „Tatort“-Dreh nach Karlsruhe, aber nicht als „Tatort“-Kommissar: Der Schauspieler Jan-Josef Liefers steuerte zu dem Werk, dem nun die erste Ausstellungseröffnung im ZKM seit den Corona-Schließungen gewidmet war, seine Stimme bei.

Gemeinsam mit seiner Frau, der ebenfalls bekannten Darstellerin Anna Loos, spricht er die pointierten Dialoge der „Talking Tubes“, mit denen sich der erfolgreiche Werbemann Jean-Remy von Matt erstmals als Künstler präsentiert.

Der wiederum hat laut eigener Aussage erst am 20. August vergangenen Jahres erfahren, was es mit dem Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien so auf sich hat. Zu Beginn seiner Vernissage-Rede gesteht er, an jenem Tag habe er einem Freund folgende SMS geschickt: „Habe meine erste Ausstellung. Leider nur in Karlsruhe. Museum wirst du nicht kennen. ZMK oder so.“

Worauf der Freund binnen zehn Sekunden geantwortet habe: „Bist du wahnsinnig? Das ist der heilige Gral!“

Mag diese Anekdote nun wahr sein oder nur gut erfunden, auf jeden Fall war sie der ideale Einstieg für die Rede eines Mannes, der mit einer Mischung aus großer Erfahrung und dem Betreten von Neuland kokettieren kann.

So viel Lampenfieber wie heute hatte ich seit Jahrzehnten nicht mehr.
Jean-Remy von Matt, Werbefachmann und Künstler

Mit sprichwörtlich gewordenen Slogans wie „Geiz ist geil“ oder „3, 2, 1... meins!“ und viel beachteten Kampagnen für Autohersteller und -verleiher hat von Matt drei Jahrzehnte lang die Werbebranche aufgemischt. Als Künstler erklärt der 68-Jährige im Gespräch mit den BNN bei der Vernissage: „So viel Lampenfieber wie heute hatte ich seit Jahrzehnten nicht mehr.“

Marketing-Profi von Matt mit Kunstprojekt im ZKM

Für die Arbeit, mit der von Matt das Kunstparkett betritt, hat er Material von mehr als einer halben Tonne mit nach Karlsruhe gebracht. Eigenhändig, denn den Transporter wollte er selber fahren. Gewissermaßen in Berlin gelassen hat er seinen Nachnamen, denn als Künstler nennt er sich nur Jean-Remy. „So wurde ich als Kind gerufen, und es hat durchaus etwas Kindliches, sich mit Kunst befassen zu können“, sagt er im BNN-Gespräch.

In der Marketingkommunikation ist man nie Herr über seine Ideen.
Jean-Remy von Matt, Mitgründer der Werbeagentur Jung von Matt

Die Freiheit, die damit einhergeht, schätzt er – auch wenn sie zum erwähnten Lampenfieber beiträgt: „In der Marketingkommunikation ist man nie Herr über seine Ideen. Man bietet sie an, aber man kann nicht darüber bestimmen. Was natürlich auch bedeutet, dass man letztlich nicht die Verantwortung übernehmen muss.“ Für ein Kunstwerk hingegen stehe man mit seiner eigenen Person ein.

Die nun im ZKM-Subraum, dem glasumwandeten Erdgeschoss des Kubus ausgestellte Arbeit besteht aus zwei großen, in rechtem Winkel gekrümmten Rohren, die sich sich wie zwei überdimensionale U-Boot-Periskope gegenüberstehen. Davor: eine große Tonne mit vier Stromanschlüssen und einem Kabel.

Je nachdem, in welche Buchse man den Stecker platziert, hört man einen von von vier „Dialogen“ zwischen den Röhren: eine Männer- und eine Frauenstimme, die in aphoristisch pointierten Sätzen kurze Gespräche übers Sprechen und Zuhören führen.

Rückbesinnung die Werte eines persönlichen Gesprächs

Das Werk erinnere an den Wert des persönlichen Gesprächs, hieß es in dem Grußwort von Jürgen Großmann. Der Hamburger Stahlunternehmer und ehemalige RWE-Vorstandsvorsitzende sprach als Freund des Künstlers sowie als Vertreter der Bonner Stiftung für Kunst und Kultur, die wiederum den Kontakt zum ZKM hergestellt hatte. „Bei all unserer elektronischen Infrastruktur: Haben wir wirklich ein Mehr an aufrichtigem Dialog?“, fragte Großmann.

Installation „Talking Tubes“ im Subraum des ZKM Karlsruhe
Das Publikum bestimmt, was es hören will: Bei der Installation „Talking Tubes" im Subraum des ZKM Karlsruhe stehen vier Dialoge zwischen „kommunizierenden Röhren“ zur Auswahl. Foto: ZKM/Chiara Bellamoli

Technologie wird in Jean-Remys Arbeit zwar auch reflektiert: Die Gespräche werden offensichtlich durch den Stromanschluss in Gang gesetzt und in der jeweils „sprechenden“ Röhre flackert grünes Licht.

Zugleich hat die Anordnung aus Metallfässern und -rohren für Jan-Josef Liefers „etwas Archaisches – als würde man eine Schellack-Platte hören aus der Zeit, in der erstmals Stimmen ohne anwesende Körper zu hören waren.“

Liefers sieht gesellschaftliche Folgen der Corona-Krise

Bei der offiziellen Begrüßung hielten Liefers und Loos ihren Redepart kurz, im Gespräch mit den BNN äußerte sich Liefers ausführlicher zur Bedeutung des Gesprächs, dem nach seiner Einschätzung kaum noch Platz eingeräumt wird. „Alle bewegen sich nur noch in Echoräumen und Blasen“, so Liefers. „Die Fähigkeit zu streiten, ohne sich zu hassen, ist verloren gegangen.“

Die Coronakrise habe hier tiefe Gräben in der Gesellschaft offen gelegt, befindet Liefers, der als einer der Wortführer der Anti-Coronamaßnahmen-Videoaktion #allesdichtmachen viel Aufsehen und viel Widerspruch hervorgerufen hatte.

Die Corona-Politik sieht er weiterhin kritisch, denn der Kulturbetrieb werde trotz sinkender Inzidenzzahlen immer noch ausgebremst. Dass man mit der Delta-Variante erst beim vierten von 26 Buchstaben im Alphabet angekommen sei, mache ihm wenig Hoffnung, dass die Situation sich bald bessern werde.

Immerhin gab es im ZKM nun diese Vernissage – übrigens exakt 510 Tage nach der letzten „analogen“ Ausstellungseröffnung, wie Sprecherin Dominika Szope als Vertreterin des Vorstands Peter Weibel erklärte. Und für die Überwindung der Gesprächsgräben geben nicht nur die „Talking Tubes“ Impulse, sondern auch die sie im Halbkreis umstehenden Lichtskulpturen.

Verwendet hat Jean-Remy dafür jeweils drei Mistgabeln (als Ständer) und eine Waschmaschinentrommel (als Lampenschirm) – aus dem Antrieb heraus, Dingen „mit einer schmutzigen Vergangenheit eine strahlende Zukunft zu geben“.

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