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Serie: Heimat, Höfe, Hoffnung

Von der Milch allein kann Landwirt Jürgen Hamman aus Kürnbach nicht leben

Idyllisches Landleben oder gnadenloses Business? Zukunftsfragen rund um Umweltschutz, Tierwohl oder Ernährungsgewohnheiten beschäftigen die Landwirte im Landkreis Karlsruhe. Jürgen Hammann in Kürnbach hat deshalb gleich vier Standbeine: Milch, Fleisch, Getreide und Wein.

Obwohl Jürgen Hammann zunächst fernab der Landwirtschaft arbeitet, tritt er vor 20 Jahren schließlich in die Fußstapfen der Familie. Er bewirtschaftet gemeinsam mit seinem Bruder rund 145 Hektar Land.
Obwohl Jürgen Hammann zunächst fernab der Landwirtschaft arbeitet, tritt er vor 20 Jahren schließlich in die Fußstapfen der Familie. Er bewirtschaftet gemeinsam mit seinem Bruder rund 145 Hektar Land. Foto: Hora

Zukunftsfragen rund um Umweltschutz, Tierwohl oder Ernährungsgewohnheiten beschäftigen landwirtschaftliche Betriebe. Dünge-Verordnungen, Preis-Dumping und Bio-Trends: Die Höfe stehen unter Druck. Es geht um ihre Existenz, ihr Familienerbe und gesellschaftliche Anforderungen. Welche Sorgen haben sie? Die BNN stellen Landwirte aus dem Landkreis Karlsruhe vor – sowohl konventionell als auch biologisch ausgerichtet, vom Milcherzeuger und Fleischproduzenten bis zum Gemüsebauern – und lassen sie an dieser Stelle zu Wort kommen.

Der tierische Kindergarten und die Grundschule befinden sich direkt vor der Haustür. Besuchern blicken die Kleinen mit großen, runden Augen nach. „Sie sind neugierig“, erklärt Jürgen Hammann und lächelt den Kälbern zu. Jedes von ihnen wird auf seinem Hof geboren, wächst dort auf und erfüllt später seinen Zweck. Sobald die Jungtiere ein dreiviertel Jahr alt sind, ziehen sie um – aber nur über die Straße. Dann gesellen sie sich zu den anderen Milchkühen und Rindern.

Preise drängen den Betrieb in die Enge

Hammann betreibt gemeinsam mit seinem Bruder einen landwirtschaftlichen Betrieb in Kürnbach. 145 Hektar groß. Dessen Geschichte und ein Teil der Ställe gehen bereits auf den Urgroßvater zurück. Sechs Kühe zogen damals auf das Grundstück, inzwischen sind es rund 180 Tiere. Hammanns Hof produziert Milch, Fleisch, Getreide und Wein. „Alles aus einer Hand, wir kaufen nichts zu.“

Und obwohl Hammann zunächst einen anderen Berufsweg einschlägt, folgt er vor nun schon 20 Jahren dem vorgezeichneten Weg der Familie.

„Der Verlierer ist der Stall“, sagt der 50-Jährige, als er die vergangenen Arbeitsjahre betriebswirtschaftlich Revue passieren lässt. Der Milchpreis liege derzeit bei rund 39 Cent pro Liter. Um langfristig in den Hof reinvestieren zu können, seien 45 Cent das Minimum. „Der Preis für Rindfleisch ist genauso unten.“ Gleichzeitig ist die Arbeit im Stall die intensivste von allen, so Hammann.

Kunden können Milch aus dem Automaten zapfen

An einem Milchautomaten, nur wenige Meter von den Tieren entfernt, können sich Kunden selbst bedienen. Die meiste Milch fließe aber in die Großmolkerei. „Die Hygienevorschriften für eine Direktvermarktung wurden so streng, dass wir den Raum hätten komplett modernisieren müssen“, erinnert er sich.

Um das zu finanzieren, hätten die Preise entsprechend hoch angesetzt werden müssen. Dabei stieg besonders in diesem Frühjahr der Umsatz am Automaten an. „In der Corona-Krise sind die Verbraucher direkt auf den Hof gekommen“, sagt Hammann. Für ihn sei das ein Zeichen. „Das Bewusstsein ist da, aber wie man Landwirte direkt unterstützen kann, das wissen viele nicht.“

Auf die Weide geht es zwar nicht, im Stall auf dem Hammanns Hof in Kürnbach leben rund 180 Milchkühe, Rinder und Kälber zusammen. Das Futter kommt aber direkt vom eigenen Acker.
Auf die Weide geht es zwar nicht, im Stall auf dem Hammanns Hof in Kürnbach leben rund 180 Milchkühe, Rinder und Kälber zusammen. Das Futter kommt aber direkt vom eigenen Acker. Foto: Hora

Die Probleme liege seines Erachtens woanders: Möglichst viel, möglichst billig – das sei eben die Devise des Lebensmittelhandels und der Discounter. In die Bio-Produktion einzusteigen, lohne sich ebenfalls nicht. „Der Markt ist zu voll. Die Ware ginge gar nicht weg“, kritisiert er.

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Hammann unterscheidet Industrie und Familienbetriebe

"Konventionelle Familienbetriebe haben aber nichts mit der Industrie zu tun“, betont Hammann. „Schließlich hängt die Existenz davon ab. Also schont man den Boden und die Tiere.“ Das strenge Verbot von Pflanzenschutzmitteln wie Glyphosat erschwere aber einigen seiner Kollegen eine erfolgreiche Umstellung, vermutet er. Bis neue Methoden greifen und Ackerbau nachhaltig und bodenschonend stattfinden kann, brauche es eine Übergangsphase.

Der Prozess einer Umstellung braucht Zeit, man muss seine Flächen darauf vorbereiten.
Jürgen Hammann, Landwirt

Mais, Weizen, Sommergerste, Wintergerste und Luzerne wachsen auf seinen gepachteten Landflächen. Er selbst habe den Acker erst nach Jahren so weit gehabt, auch ohne aggressive Pflanzenschutzmittel ertragreich zu sein. Hammann arbeitet pfluglos – das diene auch dem Erosionsschutz, auf den Landwirte besonders im Kraichgau zu achten haben.

Gespritzt wird nicht mehr als notwendig, sagt er. Auf Fungizide könne er jedoch nicht ganz verzichten. „Der Prozess einer Umstellung braucht Zeit, man muss seine Flächen darauf vorbereiten.“ Allerdings änderten sich Vorschriften der Politik derart schnell, dass ein Familienbetrieb gar nicht hinterherkomme.

Weinbau ergänzt das Sortiment

Den Hammanns Hof beschreibt er als Kreislaufwirtschaft: Das Futter für die Tiere erzeugt er fast ausnahmslos selbst, deren Gülle wiederum dient als natürlicher Dünger für den Acker- und Weinbau. „Alles profitiert voneinander“, sagt Hammann. Seit über 20 Jahren wachsen neben Getreide auch Riesling, Spätburgunder und weitere Weinsorten auf seinem Land.

Die Trauben übergibt er an die Genossenschaft. „Die Menge reicht nicht aus, um sie direkt an den Lebensmittel-Handel abzusetzen.“ Milch, Fleisch, Getreide und Wein: Jedes seiner Standbeine sichere seine Existenz vor Ernteausfällen oder Preisstürzen. „Selten ist alles gut, selten alles schlecht.“

Das Geld fehlt bei der Tierhaltung

Dennoch bringen ihn neue Bestimmungen an seine Grenzen: Hammanns Hof liegt in einem roten Gebiet. Die Nitrat-Werte im Grundwasser sind zu hoch. Was das für ihn heißt? „Die Sperrfrist zum Düngen beginnt früher. Auf gefrorenem Boden darf ich ebenfalls nicht fahren. Das verursacht immense Kosten“, erklärt Hammann. Er brauche mehr Lagerfähigkeiten für Gülle. Für die Bearbeitung seines Ackerlands hat er weniger Zeit zur Verfügung. Geliehene Maschinen werden teurer, da sie länger ungenutzt stehen. Und das Geld fehlt letztlich auch bei der Tierhaltung.

„Wir würden gerne mehr in das Tierwohl investieren, aber das geht finanziell nicht“, erzählt Hammann. In seinem Stall, nur wenige Meter entfernt vom Wohnhaus, stehen rund 60 Milchkühe auf der rechten Seite, links ähnlich viele Rinder, in der Mitte befinden sich ein Gang für Mitarbeiter und Platz für Futter.

Hammann hofft, den Tieren mehr Bewegungsfläche verschaffen zu können, indem er Mutterkühe und Rinder ohne Trennung hält. Um den Stall zu vergrößern, fehlt die Fläche. Weidehaltung – nicht machbar. „Wir haben die zusammenhängenden Flächen rund um den Hof nicht“, sagt Hammann. Wenn die Kühe zu wenig Platz haben, wächst das Futter nicht schnell genug nach.

Landwirt sorgt sich um Nachfolge

Alle zwei Tage wird die Milch am Hof abgeholt. Rund 7.000 Liter gibt eine Kuh im Jahr – 300 Tage wird sie gemolken, dann bekommt sie eine Pause, bis das nächste Kalb zur Welt kommt. Nach der Geburt werden Mutterkuh und Jungtier getrennt. „Würde man das nicht tun, wäre die Milch nicht mehr für den Verzehr zugelassen“, erklärt Hammann. Nur wenige Türen weiter erholen sich die frisch Geborenen in ihren Boxen und versuchen, zum ersten Mal auf eigenen Beinen zu stehen.

Hammann zieht aber nicht nur Kälber, sondern auch eigenen Hof-Nachwuchs groß: Ein junger Mann, der bereits als Kind regelmäßig zu Besuch kam, will den Betrieb voraussichtlich übernehmen. „Es ist wichtig, dass es weitergeht“, sagt Hammann. „Aber er braucht Planungssicherheit und muss mit seiner Arbeit Geld verdienen.“

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